Stabile Gewebeniveaus 16 Monate nach Implantation
Das Ersetzen eines oberen Schneidezahns mit einem Implantat stellt aufgrund der hohen Sichtbarkeit dieses Bereichs eine besondere Herausforderung dar. Hier kommt es bei Implantatversorgungen typischerweise zu einer unterschiedlich stark voranschreitenden Gingivarezession, was im Laufe der Zeit zu ästhetischen Beeinträchtigungen wie einem zunehmend sichtbaren Grauschimmer führt. Bei Patienten mit dünnem Biotyp, die ein Drittel der Patienten ausmachen, ist das besonders problematisch.
Ausgangslage
Um diese Herausforderung zu meistern, wurde im vorliegenden Fall ein Implantatsystem angewendet, das in Langzeitstudien gesunde und stabile Hart- und Weichgewebe, keine Periimplantitis und folglich eine langfristige Ästhetik gezeigt hat [1,2]. Eine 30-jährige Patientin wurde nach Überweisung ihres Kieferorthopäden wegen einer frakturierten Wurzel des Zahnes 21 vorstellig. 2011 hatte sie ihre kieferorthopädische Behandlung begonnen. Nachdem sich eine Verfärbung des Zahns entwickelt hatte, wurde 2021 ein DVT angefertigt. Die Aufnahme zeigte einen marginalen Knochenverlust sowie einen Knochenverlust im Bereich der Wurzel des endodontisch behandelten Zahns 21 (Abb. 2).
Diagnostik
Primäres Ziel einer Implantatbehandlung ist es, die ursprüngliche, natürliche Patientenästhetik wiederherzustellen. Deshalb wurde zunächst die zu ersetzende Krone in regio 21 dreidimensional vermessen. Anschließend wurde eine Implantatschulter mit einem 6,2-mm-Durchmesser gewählt, um ein möglichst natürliches Emergenzprofil der zukünftigen Krone zu erzielen. Dieser Schulterdurchmesser ermöglicht enossale Implantatdurchmesser von 4,5 und 5,0 mm. Anschließend erfolgte die röntgenologische Analyse der Knochensituation, die ein Volumen von 13,82 x 7,06 mm ergab. Dies war für die Aufnahme eines Implantats mit einem 4,5-mm-Durchmesser und einer enossalen Länge von 11,0 mm ideal geeignet.
Der Behandlungsplan sah die Extraktion des nicht erhaltungswürdigen Zahns sowie die anschließende Augmentation der umgebenden Hart- und Weichgewebe vor. Weiter war geplant, nach Abheilung das zweiteilige Implantat in die Region der Alveole zu inserieren und es nach dessen Einheilung mit einer finalen Krone zu versorgen.
Chirurgisches Vorgehen
Die Krone und die insuffiziente Stiftversorgung wurden entfernt (Abb. 3) und die verbleibende Wurzel extrahiert (Abb. 4). Die Extraktionsalveole wurde kürettiert, um fifibröses Gewebe zu entfernen. Dann wurde partikuläres Knochenersatzmaterial (Bio-Oss, Geistlich) eingebracht (Abb. 5) und der Bereich mit einer Kollagenmembran (Bio-Gide, Geistlich) abgedeckt (Abb. 6). Zusätzlich wurde zur Verdickung des Weichgewebes ein palatinaler Stiellappen präpariert und positioniert, bevor die Stelle vernäht (Abb. 7) und ein Provisorium (Maryland-Brücke) adhäsiv an den Nachbarzähnen befestigt wurde (Abb. 8).
Nach einer Einheilzeit von 6,5 Monaten (Abb. 9) wurde das Provisorium entfernt (Abb. 10), die Osteotomie gemäß des Protokolls des Implantatherstellers für die vorliegende Weichgewebsdicke und Knochenqualität präpariert und das zweiteilige Implantat (Patent Dental Implant System, CH) mit einem fifinalen Eindrehmoment von 30 Ncm epigingival inseriert.
Um anschließend das Volumen des Weichgewebes um das Implantat zu erhöhen, wurde es labial mittels einer minimalinvasiven Augmentationstechnik adaptiert (Abb. 11, 12). Die Innenverbindung des Implantats wurde für die Dauer der Einheilung mit fließfähigem Komposit und einem PTFE-Streifen verschlossen, bevor ein neues Provisorium (Maryland-Brücke) an den Nachbarzähnen befestigt wurde, welches das Implantat verdeckte, aber nicht berührte (Abb. 13).
Prothetische Versorgung
Nach weiteren vier Monaten Heilung erschien die Patientin zur finalen prothetischen Versorgung. Das Implantat war erfolgreich osseointegriert, das Weichgewebe gesund und das marginale Knochenniveau stabil (Abb. 14-16). Mit einem elektrochirurgischen Gerät wurde neue Gingiva, welche während der Einheilung über die Implantatschulter gewachsen war, entfernt und die Präparationsgrenze des Implantats freigelegt (Abb. 17).
Der Glasfaserstift, der als Retentionselement dieses Implantatsystems fungiert, wurde dann mit einem dualpolymerisierenden Zement (Activa Bioactive-Cement, Pulpdent) eingeklebt (Abb. 18) und mit einem Diamanten unter hoher Geschwindigkeit und Wasserkühlung präpariert (Abb. 19). Der präparierte Stift erhielt eine provisorische Krone (Abb. 20), bevor die Patientin zum Lückenschluss erneut bei ihrem Kieferorthopäden vorstellig wurde.
Einen Monat später, nachdem die Lücken auf beiden Seiten von regio 21 geschlossen worden waren (Abb. 21, 22), erfolgte die finale digitale Abformung. Mithilfe des Matisse-Protokolls wurde der ideale Farbton der Krone ermittelt. Die Scandaten wurden an das Labor (Oralook) übermittelt, welches die finale Krone herstellte (Abb. 23). Anschließend erhielt das Implantat eine zweite provisorische Krone (Abb. 24). Drei Monate später erfolgte die Versorgung mit der finalen Krone. Das Endergebnis zwei Wochen nach finaler prothetischer Versorgung wurde als überaus zufriedenstellend bewertet (Abb. 25). In der Nachuntersuchung ungefähr acht Monate später, also mehr als 16 Monate nach der Implantation, zeigte sich ein maturiertes, gesundes und stabiles Weichgewebe (Abb. 26).
Diskussion
Im Gegensatz zu Implantaten mit verschraubten Abutments, die aufgrund des vorliegenden Schraubenkanals palatinal gesetzt werden müssen, kann dieses Implantat dank seiner adhäsiven prothetischen Retention in idealer zentrischer Position unter der geplanten Krone platziert werden, um eine möglichst optimale Kraftdurchleitung zu gewährleisten. Weiter erfolgt die Insertion mit geringem bis moderatem Drehmoment, um die Kompression des Knochens zu minimieren und folglich dessen Vitalität zu erhalten. Dadurch wird eine ideale und verzugsfreie Abheilung gewährleistet und die Voraussetzung für langfristig stabile Hart- und Weichgewebe geschaffen. Diese Strategie, in Kombination mit einem atraumatischen Insertionsprotokoll, macht es mit diesem Implantatsystem möglich, marginale Knochenverluste im Praxisalltag zu minimieren und die periimplantäre
Gewebestabilität zu erhalten.
Neben der Wiederherstellung der Funktion war das Hauptziel der Behandlung die Rekonstruktion der ursprünglichen, natürlichen Ästhetik der Patientin. Folglich musste der Schulterdurchmesser des Implantats (und damit dessen definierter enossaler Durchmesser) groß genug sein, um eine Krone abstützen zu können, die dem zu ersetzenden Zahn entspricht. Weiterhin ist eine epigingivale Positionierung des Implantats anzustreben. Wenn hierfür aufgrund der vorliegenden Weichgewebsdicke der transmukosale Anteil des Implantats (Tulpe) leicht in den Knochen versenkt werden muss, darf dies nicht ohne eine vorherige Entlastung der Kortikalis geschehen, da ansonsten ein Knochenabbau aufgrund einer Kompression der Kortikalis zu erwarten wäre.
Eine zusätzliche Herausforderung lag im Fehlen eines marginalen Knochenkamms als Folge der externen Wurzelresorption sowie im Fehlen der bukkalen Platte, was zunächst einen Knochenaufbau erforderlich machte. Außerdem erforderte die Behandlung einen multidisziplinären Ansatz, da die kieferorthopädische Behandlung zum Zeitpunkt der Implantation noch nicht abgeschlossen war und die Patientin noch Retainer trug und folglich die Abstimmung mit dem Kieferorthopäden notwendig war.
Fazit
Dieses Implantatsystem ist nachweislich in der Lage, die Gesundheit und Stabilität der Hart- und Weichgewebe zu erhalten, Periimplantitis zu vermeiden und folglich eine nachhaltige Ästhetik zu gewährleisten [1,2]. Somit stellt es eine fortschrittliche Option für die Verwendung eines Tissue- Level-Implantats in dem gut sichtbaren Bereich der ästhetischen Zone dar. Die Abheilung des Weichgewebes verlief im beschriebenen Fall schnell und nahezu entzündungsfrei.
Dr. João Pedro Almeida
- Niedergelassener Zahnarzt (Clínica Médica de Implantologia), Schwerpunkt Implantologie, Leiria, Portugal
- 1993 Abschluss in Zahnmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Coimbra
- 2004-2006 Postgraduales Studium in Gesundheitsmanagement, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Universität Portugal in Lissabon
- Aktuell: Position des wissenschaftlichen Direktors der ITEA – Implantology & Tissue Engineering Academy
- Vielfältige Forschung im Bereich der Biofabrikation mit Fokus auf Gerüsten für das Tissue Engineering sowie für Forschungseinrichtungen wie das Centre for Rapid and Sustainable Product Development – CDRSP des Polytechn. Instituts von Leiria und die Abt. für Chemieingenieurwesen, Fakultät für Wissenschaft und Technologie, Universität Coimbra