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Implantatüberlebensraten mit und ohne Augmentationsmaßnahmen nach Extraktion

Nach Zahnentfernung führen Heilungsvorgänge in der Extraktionsalveole zu Umbauvorgängen im Knochen und in der Folge zu einem Verlust an Alveolarkammvolumen. Das reduzierte Knochenangebot erschwert die implantatprothetische Therapie und beeinträchtigt die Vorhersagbarkeit des funktionellen und ästhetischen Ergebnisses.

Zahleiche Publikationen haben sich in den vergangenen circa 20 Jahren mit den Ursachen des Volumenverlusts und den Möglichkeiten des Erhalts des Alveolarfortsatzes nach Zahnextraktion befasst. Mittlerweile wurden zahlreiche Konzepte, Methoden und Materialien entwickelt, die den Erhalt des Alveolarknochens im Fokus haben. Obwohl der Alveolarkammerhalt ein wichtiger Einflussfaktor für das Überleben der Implantate ist, haben sich vergleichbar wenige Untersuchungen mit Implantatüberlebensraten im augmentierten Kiefer befasst. Der vorliegende Bericht präsentiert
die Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung zu Überlebensraten von circa 18.000 Implantaten, die über einen Zeitraum von zwölf Jahren (Januar 2006 bis Mai 2018) in einer MKG-chirurgischen Praxis bei über 9.000 Patienten mit oder ohne Maßnahmen zum Kieferkammerhalt eingesetzt wurden.

Um den unausweichlichen Verlust an Alveolarkammvolumen zu verhindern und ein geeignetes Knochenlager für eine implantatprothetische Versorgung zu erhalten, wurde eine Vielzahl von Methoden zum Kieferkammerhalt entwickelt. Diese reichen über Sofortimplantationen, dem Einsatz von Knochen und Knochenersatzmateralien, Membranen, Wachstumsfaktoren unterschiedlicher Herkunft oder auch Eingriffen am Weichgewebe und die Verwendung von Scaffolds aus verschiedenen Materialien.

Erkenntnisse aus der verfügbaren Literatur zeigen, dass nach Extraktion physiologische Modellierungs- und Remodellierungs-vorgänge im Knochen nicht aufzuhalten sind [1,2] und der zu erwartende Volumenverlust mittels kammerhaltender Maßnahmen allenfalls reduziert werden kann [2-4]. Die Ursachen dafür liegen in den anatomisch-physiologischen Besonderheiten der parodontalen Strukturen.

Ursachen der Umbauvorgänge in der Extraktionsalveole

Bereits in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts erkannte der Berliner Zahnarzt und Radiologe Oskar Weski als einer der ersten, dass Gingiva, Wurzelzement, Sharpey‘sche Fasern und die Lamina dura der knöchernen Alveole eine funktionelle und physiologische Einheit bilden [5]. Er war auch derjenige, welcher den Begriff „Paradentium“ für diese funktionelle Einheit prägte. Dieser ist bis heute in seiner etymologisch korrekten Form als „Parodont“ gebräuchlich. Beim Parodont handelt es sich nicht nur in physiologischer Hinsicht um eine Einheit. Auch entwicklungsgeschichtlich bestehen Zusammenhänge, da die einzelnen Kompartimente des Parodonts gemeinsamen ektodermalen Ursprungs sind [6]. Dieser Umstand erklärt auch die besondere Struktur des kortikalen Knochens an der Innenseite der Alveolenwände, der sich vom umgebenden Kieferknochen deutlich unterscheidet.

Diese als Bündelknochen (bundle bone) bezeichnete Form des Knochens ist an das Vorhandensein des Zahnes in der Alveole gebunden. Geht der Zahn verloren, resultiert dies in einem physiologischen Umbauprozess des Bündelknochens, der zu Dimensionsveränderungen des knöchernen Alveolarfortsatzes führt [7- 9]. Diese sind horizontal ausgeprägter als in vertikaler Richtung [10,11]. Einer systematischen Übersichtsarbeit ist zu entnehmen, dass innerhalb der ersten sechs Monate nach Extraktion horizontale Volumenveränderungen zwischen 29,0-63,0 % beobachtet werden konnten, während vertikale Volumenverluste lediglich 11,0-22,0 % betrugen [12]. Auch in einem weiteren systematischen Review waren höhere mittlere horizontale Veränderungen von 3,87 mm im Vergleich zu geringeren mittleren Höhenverlusten des Alveolarfortsatzes von 1,67 mm zu beobachten [13]. Volumenänderungen von 50,0 % der ursprünglichen Breite des Alveolarfortsatzes konnten noch bis zu zwölf Monate nach Zahnextraktion beobachtet werden, dabei ging mit zwei Dritteln des Knochens der größte Teil innerhalb der ersten drei Monate nach Zahnextraktion verloren [14].

Diese frühen horizontalen und vertikalen Knochenverluste sind dabei in den bukkalen Anteilen des Alveolarfortsatzes signifikant höher als in oralen Anteilen des Kiefers [7,8,14,15]. Der höhere vestibuläre Verlust in vertikaler Richtung wird darauf zurückgeführt, dass die bukkale Lamelle deutlich dünner ist als die der oralen Anteile der Extraktionsalveole und dass der krestale Anteil aus reinem Bündelknochen besteht, der in toto resorbiert und durch Geflechtknochen ersetzt wird [7,15-17]. Der an sich bereits höhere Volumenverlust in orovestibulärer Richtung ist analog dazu in den koronalen Anteilen der bukkalen Wand der Extraktionsalveole am größten [18].

Fazit

Die Evidenz zu Implantatüberlebensraten im augmentierten und nicht augmentierten Knochen ist limitiert, da sich mit diesem klinischen Endpunkt bislang nur eine verhältnismäßig geringe Studienanzahl befasst hat. Die Daten unserer retrospektiven Untersuchung stellen daher einen nützlichen Beitrag für den Erkenntnisgewinn dar, wie sich eine Ridge Augmentation bzw. Ridge Preservation auf die Implantatüberlebensraten auswirken kann. Da keine Überlebenszeitanalysen durchgeführt und auch keine weiteren unabhängigen Einflussgrößen wie krestale Knochenverluste oder Weichgewebsparameter berücksichtigt wurden, sollten die vorliegenden Ergebnisse mit Vorsicht beurteilt werden.

Auch die Tatsache, dass die Daten nur auf den uns bekannten Angaben zu Explantationen beruhen und eine mögliche Dunkelziffer unberücksichtigt bleibt, zeigt einen möglichen Bias auf. Dennoch ist unter Berücksichtigung der hohen Fallzahl und der signifikant geringen Verlustrate nach Implantation im augmentierten Bereich ein positiver Trend erkennbar, der für die Vorhersehbarkeit der Ridge Preservation bzw. Ridge Augmentation nach unserem Praxiskonzept spricht.

Autor

Dr. Jörg-Ulf Wiegner, Facharzt für MKG-Chirurgie

  • 1982-1987StudiumderZahnheilkunde an der Universität Jena
  • 1987-1992StudiumderHumanmedizin an der Universität Jena
  • 1990 Promotion zum Dr. med.
  • 1987-1992 Facharztausbildung an der
  • Klinik für MKG-Chirurgie, Uni Jena
  • 1992 Anerkennung des Facharztes für
  • MKG-Chirurgie
  • Seit 1992 Ambulante und belegärzt-
  • liche Tätigkeit in niedergelassener
  • Praxis in Saalfeld
  • 1999 Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie der DGMKG
  • 2001ZertifikatKonsensuskonferenzzurcurriculärenFortbil- dung Hospitation/Supervision
  • 2009 Tätigkeitsschwerpunkt Parodontologie
  • Seit 2003 Mitglied der Kammerversammlung
  • der LZK Thüringen (TH)
  • 2007-2016 Kammerversammlungsvorsitzender
  • der LZK TH
  • Mitglied der Kammerversammlung der LÄK TH
  • Seit Juni 2016 Vorstandsmitglied DGMKG

wiegner@saalepraxis.de
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