Eine Fallstudie von Oliver Zernial
4+7+1+1=13. Wer jetzt an Kölnisch Wasser gedacht hat, der denkt in erster Linie divergent. Aber was hat das mit Plasma und dem „Kieler Sushi“ zu tun?
Die Idee, u. a. die Wachstumsfaktoren des körpereigenen Blutplasmas durch Zentrifugation anzureichern und dadurch die Wundheilung zu verbessern, ist im Grunde ein alter Hut. Die Methode wird in der Medizin schon lange ubiquitär eingesetzt. Unterfüttert man z. B. eine Augmentation mit PRP (platelet rich plasma), dann kann man praktisch zusehen, wie insbesondere das Weichgewebe schneller verheilt. Wenn man nun eins und eins zusammenzählt, also konvergent denkt, dann muss der Knochen folglich auch „besser“ oder zumindest „schneller“ heilen. Die Wissenschaft kann dies aber bis dato nicht oder nur bedingt bestätigen. Bedauerlich, denn das eigentliche Potenzial des Plasmas bleibt dabei unerkannt.
Das Prinzip des „Kieler Sushi“ verfolgt eine divergente Strategie, bei der das Plasma primär als Kleber fungieren soll. Es gilt, eine partikuläre GBR (guided bone regeneration) allein mit einem Polymer aus Fibrin so gut zu stabilisieren, dass die gängigen mechanischen Techniken in den meisten Fällen nicht mehr angewendet werden müssen. Dabei ist es Voraussetzung, das Potential der Gerinnung so gut zu kennen, zu verstehen und zu nutzen, dass man dieser auch größere Augmentation anvertrauen kann. Wie man diesen „anderen“ Weg geht, was man damit erzielen kann und wo die Grenzen sind, wurde ja in den vorangegangenen Ausgaben der pip bereits ausführlich dargestellt.
Den Grundsatz, dass es ratsam ist, auch mal andere Wege zu gehen, soll der vorgestellte Patientenfall demonstrieren. Klassisch würde man bei der vorliegenden Situation den Zahn 16 entfernen, alles einfach einige Wochen oder Monate abheilen lassen, um dann sekundär je nach Atrophie mit externem oder internem Sinuslift zu implantieren. Dabei stellt die Entfernung eines wurzelgefüllten und tief frakturierten Zahns bereits eine Herausforderung dar, die mit einem zusätzlichen Verlust an Hartgewebe einhergehen kann.
Bereits hier lohnt es sich, gängige Verfahrensweisen zu hinterfragen. Wenn die Augmentation selbst keinen limitierenden Faktor darstellt, kann man schwer zugängliche und tief frakturierte Wurzelspitzen auch über einen kleinen WSR-Zugang effizient und zeitsparend entfernen. Darüber hinaus hat man die volle Kontrolle über die knöcherne Alveole, die Furkation und den Bündelknochen. Bleiben diese erhalten, dann ist eine Indikation für eine Sofortimplantation gegeben.
Wird ein entsprechend dickes Implantat für einen Molaren gesetzt, dann bleibt in der Regel von der Furkation nicht viel übrig. Über den knöchernen Kieferhöhlenboden kann dennoch die nötige Primärstabilität für eine Sofortimplantation erreicht werden (Abb. 1-9).
Abb 1: Nicht erhaltungswürdiger Zahn 16 mit gespreizten Wurzeln und ausreichendem Knochenangebot für eine Sofortimplantation.
Abb. 2: Tief frakturierte und von okklusal nur schwer zugängliche Wurzelspitzen mesio- und distobukkal.
Abb 3: Trapezförmiger Mukoperiostlappen und retrograde Luxation der Wurzelreste über zwei kleine WSR-Zugänge.
Abb. 4: Vollständige operative Entfernung des Zahnes mit Erhalt des Knochens im Bereich der Furkation und des Bündelknochens.
Abb 5: Manuelle Pilotbohrung mittig in den Furkationsbereich, Erfassung des knöchernen Kieferhöhlenbodens.
Abb. 6: Implantatpräparation und vorsichtige Elevation des knöchernen Kieferhöhlenbodens.
Abb 7: Gewinnung des autologen partikulären Knochens über den Zugang von der Christa zygomatica alveolaris aus.
Abb. 8: Zur Herstellung eines „Kieler Sushi“ ist autologer und vitaler Knochen mit einem hohen zellulären Anteil wichtig.
Abb 9: Apikale Kondensation eines „Kieler Sushi“.
Abb. 10: Gute Primärstabilität durch Verankerung des Implantats im knöchernen Kieferhöhlenboden.
Abb 11: Intraoperative radiologische Kontrolle des internen Sinuslifts und der Implantatpositionierung
Abb. 12: Auffüllen der Alveole und der WSR-Zugänge mit weiteren „Kieler Sushis“.
Abb 13: Klinische Kontrolle der Augmentation.
Abb. 14: Abschließende zusätzliche, vertikale Augmentation über dem Implantat.
Abb 15: Komplettes „Verbauen“ des Implantats mit „Kieler Sushi“.
Abb. 16: Abdecken der Augmentation mit einer resorbierbaren Kollagenmembran (Smartbrane, Regedent).
Abb 17: Zusätzliches „Verpressen“ mit PRP und Weichgewebsunterfütterung mit einer weiteren Lage aus Fibrin.
Abb. 18: Mobilisation des Mukoperiostlappens für eine spannungsfreie plastische Deckung der Alveole.
Abb 19: Dichte Naht mit Supramid 4.0 und Resolon 6.0.
Abb. 20: Radiologische Kontrolle unmittelbar nach dem Eingriff.
Abb 21: Freilegung nach fünf Monaten mit ausreichend befestigter Gingiva.
Abb. 22: Radiologische Kontrolle vor prothetischer Versorgung sechs Monate nach Sofortimplantation.
Den Grundsatz, dass es ratsam ist, auch mal andere Wege zu gehen, soll der vorgestellte Patientenfall demonstrieren. Klassisch würde man bei der vorliegenden Situation den Zahn 16 entfernen, alles einfach einige Wochen oder Monate abheilen lassen, um dann sekundär je nach Atrophie mit externem oder internem Sinuslift zu implantieren. Dabei stellt die Entfernung eines wurzelgefüllten und tief frakturierten Zahns bereits eine Herausforderung dar, die mit einem zusätzlichen Verlust an Hartgewebe einhergehen kann.
Bereits hier lohnt es sich, gängige Verfahrensweisen zu hinterfragen. Wenn die Augmentation selbst keinen limitierenden Faktor darstellt, kann man schwer zugängliche und tief frakturierte Wurzelspitzen auch über einen kleinen WSR-Zugang effizient und zeitsparend entfernen. Darüber hinaus hat man die volle Kontrolle über die knöcherne Alveole, die Furkation und den Bündelknochen. Bleiben diese erhalten, dann ist eine Indikation für eine Sofortimplantation gegeben.
Wird ein entsprechend dickes Implantat für einen Molaren gesetzt, dann bleibt in der Regel von der Furkation nicht viel übrig. Über den knöchernen Kieferhöhlenboden kann dennoch die nötige Primärstabilität für eine Sofortimplantation erreicht werden (Abb. 1-9).
Um einer Perforation zur Kieferhöhle vorzubeugen, ist es ratsam, vorsorglich einen kleinen internen Sinuslift zu machen. Hier hat sich die Morphologie des „Kieler Sushi“ bewährt. Eine Elevation bzw. Augmentation über den Apex des Implantats hinaus stellt kein Problem dar. Selbstverständlich sollen auch die Alveolen entsprechend augmentiert werden. Im Grunde wird das gesamte Implantat zirkulär mit Augmentat eingepackt und mit einer Membran und Plasma verklebt. Obwohl theoretisch alles mit Fibrin ausreichend stabilisiert ist, empfehlen wir eine vollständige und filigrane plastische Deckung, um langfristig – nicht nur im Einzelfall – erfolgreich zu sein (Abb. 10-22).
Man sollte ein derartiges einzeitiges Prozedere nur dann durchführen, wenn die entsprechenden chirurgischen Techniken und der Umgang mit plasmastabilisierten Augmentaten vom Chirurgen beherrscht werden. Eine vorangehende ausführliche Diagnostik und klare Indikationsstellung sind hier von großer Bedeutung. Abschließend soll nicht der Anspruch erhoben werden, dass das „Kieler Sushi“ alle Probleme lösen und Wunder vollbringen kann. Es soll vielmehr gezeigt werden, dass es sich lohnt, die Dinge einmal aus einer „divergenten“ Perspektive zu betrachten.
Autor
Dr. med. Oliver Zernial
- 1993 – 2001 Studium der Humanmedizin an den Universitäten Giessen und Kiel
- 2003 Promotion zum Dr. med.
- 2001 – 2004 Studium der Zahnmedizin an der Universität Kiel
- 2004 – 2008 Facharztausbildung an der Klinik für MKG, UKSH Campus Kiel
- 2004 Anerkennung des Facharztes für MKG-Chirurgie
- 2009 Niederlassung als MKG-Chirurg in eigener Praxis und als Belegarzt in der Ostseeklinik Kiel
- 2011 Gründung und ärztliche Leitung des Zentrums für Implantologie (Myimplant), Kiefer- und ästhetische Gesichtschirurgie (Myaesthetic) in den Germania Arkaden an der Kieler Förde