hero-ribbon

Neuigkeiten zur IDS hier auf www.frag-pip.de

Korrektur eines periimplantären Weichgewebedefizits nach Knochenaugmentation und Implantation

Eine Fallstudie von Anton Friedmann

Trotz der Tatsache, dass osseointegrierte Implantate langfristig und erfolgreich gepflegt werden können, kann das Vorhandensein von periimplantären Weichgewebedefekten die ästhetischen Ergebnisse und die Patientenzufriedenheit erheblich beeinflussen. Folgender Fallbericht beschreibt die Korrektur eines periimplantären Weichgewebedefizits nach Knochenaugmentation/Implantation.

Gegenwärtig ist die Literatur, insbesondere über Behandlungsmöglichkeiten für die Abdeckung von periimplantären Weichteildefekten, äußerst knapp und auf Tierstudien oder Fallserien mit Schwerpunkt auf kleinen Rezessionen (d.h. bis zu 2 mm) beschränkt [15].

Es liegen nur sehr begrenzt Daten vor, die eine Wirksamkeit verschiedener Behandlungsmöglichkeiten zur Abdeckung von periimplantären Weichteildefekten validieren. Langzeitergebnisse der vorgeschlagenen Verfahren sind noch nicht bekannt. Die begrenzt verfügbaren Daten weisen darauf hin, dass nur kleine periimplantäre Schleimhautrezessionen (z. B. bis zu 2 mm) mit einem koronalen Verschiebelappen und einem subepithelialen Bindegewebstransplantat oder mit gesteuerter Knochenregeneration (GBR) erfolgreich behandelt werden können [15,4].

Für die Behandlung von tiefen und ausgedehnten periimplantären Defekten gibt es bislang keine validen Protokolle. Vor Beginn der Behandlung sollten, in Anlehnung an die besser untersuchte Rezessionsdeckung am Zahn, folgende Gesichtspunkte kritisch erörtert werden:

  • Adäquate Lappentechnik zur möglichst atraumatischen Abdeckung des Weichgewebedefizits
  • Verbesserung des periimplantären Weichgewebeangebots
  • Möglichkeiten zur Beschleunigung von Wundheilung und Regeneration

Koronal verschobene Tunneltechnik in Verbindung mit subepithelialem Bindegewebetransplantat

Insbesondere Tunneltechniken wie der Modifizierte Koronal Verschobene Tunnel (MKVT) in Kombination mit einem BGT weisen einige Vorteile für die chirurgische Behandlung von komplexen Gingiva-Rezessionen auf. Auch für die Behandlung periimplantärer Weichgewebedefizite bieten sie eine probate Option:

  • Unbedingte Vermeidung vertikaler Inzisionen und Papilleneinschnitte, was die Vaskularisierung des Bereichs besser aufrecht erhält und so den Weichteillappen stabilisiert.
  • Aufgrund der koronalen Verlagerung des Lappens ist das BGT vollständig bedeckt, wodurch das Überleben des Transplantats verbessert wird. 
Diese Technik hat sich insbesondere zur Abdeckung von multiplen komplexen Rezessionen der Klassen I-III bewährt [1,2,7,10].

Unterstützung von Wundheilung und re- generativen Prozessen mit Hyaluronsäure

Wund- und Weichgewebeheilung spielen eine entscheidende Rolle für den Behandlungserfolg. Es ist bekannt, dass insbesondere die adjuvante Verwendung von Schmelz-Matrix-Proteinen die parodontale Regeneration und ggf. die Wundheilung verbessern kann [6]. Eine Biologisierung der Wunde und der Oberflächen, seien es Zähne oder Implantate, bekommt als neuer Trend immer weitere Verbreitung. 
Limitierende Faktoren für eine breitere Anwendung von einigen Präparaten sind einerseits die Anforderungen an die Verarbeitung, sprich die Applikation (die Wundoberfläche muss trocken sein, um eine Anhaftung der Amelogenine zu ermöglichen), andererseits auch der Preis.

Mittlerweile hat sich insbesondere Hyaluronsäure (HA) zu einer potenten Alternative zu SMP und den autologen Zentrifugaten aus periphärem Blut (APC) etabliert. 
HA ist am gesamten Prozess der Wundheilung beteiligt und reguliert u. a. die Entzündung, behebt Gewebeschäden und trägt unterstützend zu einer narbenfreien Heilung bei [9,3]. 
Diese Eigenschaft konnte in tierexperimentellen Arbeiten gezeigt werden. So beschleunigte die zusätzliche Anwesenheit von HA die frühzeitige Neoangiogenese und halbierte die Heilungsdauer [8].

Die verbesserte Wundheilung durch HA konnte auch in mehreren klinischen Studien gezeigt werden [16,18]. 
In einer prospektiven Vergleichsstudie wurde der Einfluss von HA auf das Ergebnis einer chirurgischen Wurzeldeckung von Rezessionen der Miller-Klasse I mithilfe einer koronalen Verschiebelappentechnik untersucht. In der HA-Gruppe wurde eine statistisch signifikant bessere Abdeckung der Zahnwurzel erzielt [11]. 
Insbesondere die HA-Applikation ist im Vergleich zu SMP deutlich vereinfacht, da die Wundstelle nicht trocken sein.

OP-Protokoll 

Nachfolgend wird die Darstellung der Technik zur Korrektur eines Weichgewebsdefizits nach Verlust der Implantate regio 11 und 21 und der definitiv eingegliederten Brückenversorgung zum Ersatz beider Zähne (Abb. 1) beschrieben. 

Nach der Lokalanästhesie erfolgt die intrasulkuläre Schnittführung an den Pfeilerzähnen 12, 22, 13 und 23 mit einem Mikroskalpell (ADS, München). Danach beginnt die Präparation des Tunnels nach apikal und nach lateral unterminierend unter den Zwischengliedern der Brücke.

Die speziell entwickelten Tunnelierungsinstrumente des Herstellers Hu-Friedy und die Kirkland Messer von Aesculap/B. Braun kommen dabei zum Einsatz. Ein Mukoperiostlappen wird nach apikal deutlich über das Niveau der mukogingivalen Grenze gehoben, wobei die Interdentalpapillen intakt bleiben (Abb. 2). Der mukoperiostale Tunnel muss durch die Präparation in voller Dicke nach mesial und distal von der Defektstelle unter Verwendung der gleichen Tunnelmesser erweitert sein, um das Einziehen des Transplantates zu ermöglichen. Inserierende Muskeln und Kollagenfasern werden auf der Innenseite des Lappens mittels mikrochirurgischer Klingen und Kirkland Messer (s. o.) scharf durchtrennt.

Durch dieses Verfahren kann der tunnelierte Lappen spannungsfrei mobilisiert und nach koronal verschoben werden. Um eine vollständige Mobilisierung des Lappens zu erreichen, werden die Interdentalpapillen mit speziellen Tunnelmessern vorsichtig unterminiert.

Besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, das interdentale Papillengewebe nicht zu verletzen. Nach der Tunnelpräparation wird ein volles Bindegewebetransplantat (BGT) zusammen mit dem Epithel der Dicke von ca. 1,5 bis 2 mm palatinal in der Molarenregion entnommen (Abb. 2). Das gewonnene Transplantat wird auf dem OP-Tisch vollständig entepithelisiert und als reines BGT vor der Einbringung in den Tunnel mit der vernetzten Hyaluronsäure (hyaDENT BG, Regedent GmbH) konditioniert (Abb. 3). Die Entnahmestelle wird ebenfalls mit der Hyaluronsäure versetzt und mit Histoacrylkleber sowie einer modifizierten Matratzennaht verschlossen (4-0 PTFE, Biotex, Regedent GmbH). 

HyaDENT BG wird in den Tunnel eingebracht. Im Vergleich zu SMPs ist es nicht nötig, auf eine Abwesenheit von Flüssigkeiten/Blut zu achten. Unmittelbar nach Applikation der Hyaluronsäure wird das BGT mit Matratzennähten in den Tunnel gezogen und an der Innenseite des Lappens fixiert. Anschließend wird das Transplantat mit einer Umschlingungsnaht (4-0 PTFE, Bio- tex, Regedent GmbH) fixiert, um eine vollständige Immobilisierung des Transplantats zu erreichen. Dabei wird der getunnelte Lappen mit einer Umschlingungsnaht nach koronal bewegt und an die Basis der Brückenzwischenglieder herangeführt, um das Gewebedefizit im zahnlosen Abschnitt zu kompensieren (Abb. 4).

Nach der Operation erhalten die Patienten Schmerzmittel (Ibuprofen), Doxycyclin 200 mg 1 x täglich für zehn Tage und CHX Spülung 2-3 x täglich nebst der Zahnbürstenkarenz für die Liegedauer der Nähte. Die Nahtentfernung erfolgt ca. zwölf bis 14 Tage post-OP.

Fallbericht

Korrektur eines periimplantären Weichgewebedefizits nach Knochenaugmentation/ Implantation

Der 29 Jahre alte Patient hat den Zahn 21 traumabedingt entfernt bekommen. Ein Knochenaufbau gefolgt von der Implantation eines Straumann BL RC Implantats mit einem geschlossenen Heilungsprotokoll wurden alio loco durchgeführt. Der Patient verfügt über ein Fremd-OPG aus der Zeit nach der Freilegung, die ebenfalls vom früheren Behandler durchgeführt worden ist, wie auch über klinische Dokumentation der Heilung nach der Freilegung, wenn auch diese Bilder mindere Qualität aufweisen.

Bei der Freilegung wurde ein konischer Standardgingivaformer (Straumann GmbH) mit einer Höhe von 4,0 mm verwendet. Im weiteren Heilungsverlauf entstand ein Weichgewebsdefizit um den Gingivaformer, das einerseits den Ansatz einer mukosalen Rezession und andererseits den Verlust der mesialen Papille am Zahn 22 ein- schloss (Abb. 5, 6).

Vor der prothetischen Versorgung des Implantats wurde die Korrektur des Weichgewebsdefizits angestrebt. Die Umsetzung erfolgte analog der oben beschriebenen Vorgehensweise mit einem mit hyaDENT BG konditionierten BGT entsprechend der Technik des nach koronal verschobenen Tunnels. Den Zugang zur Tunnelpräparation verschaffte das Durchtrittsprofil, das der zuvor entfernte Gingiva Former bereits im Weichgewebe schuf.

Die tunnelierende Präparation unterhalb der Papillen beidseits des Implantats konnte so unterminierend nach palatinal fortgesetzt werden, ohne das Risiko einer Papillenruptur zu erhöhen. Das mit HA konditionierte BGT konnte zur Verstärkung vor allen Dingen der distalen Papille unter das lokal vorhandene Gewebe eingebracht werden, ein neuer, individuell geformter steriler Gingivaformer unterstützte dabei das BGT in der suprakrestalen Position, um einem möglichen Kollaps des Weichgewebsaufbaus entgegen zu wirken (Gingivaformer individualisierbar, 7 mm, Straumann GmbH).

Die Abb. 7 zeigt die postoperative Situation unmittelbar nach Insertion des Provisoriums.

Die Wundheilung verlief beschleunigt und ohne Komplikationen, vermutlich auch aufgrund der Hyaluronsäure-Applikation (Abb. 8). Nach zwölf Tagen erfolgte die Nahtentfernung (Abb. 9, 10). Die Abbildungen 11-12 zeigen den optimalen Heilungsverlauf der Entnahmestelle, die ebenfalls mit HA behandelt wurde. Der weitere Heilungsverlauf blieb unauffällig (Abb. 13).

Nach 2,5 Monaten begann die prothetische Phase zunächst mit der Eingliederung eines verschraubten Kunststoffabutments auf einer Titanbasis mit zementierter Kunststoffkrone zur weiteren Ausformung des Durchtrittprofils und der Konditionierung der Papillen mesial und distal der Implantatkrone (Abb. 14). Diese Phase nahm weitere drei Monate in Anspruch.

Anschließend wurde das Emergenzprofil mit einem individualisierten Abformpfosten ins Labor übertragen, um die Gestaltung des definitiven Abutments 1:1 anzupassen. Es wurde ein Vollzirkon Cares Abutment nach der Konstruktion des Labors Sieger, Herdecke, durch die Fa. Straumann angefertigt. Die Empress Krone wurde auf dem definitiven Abutment nach der Einprobe am Patienten durch das Labor Sieger angefertigt und anschließend mit dem Abutment zusammen inseriert (Abb. 15, 16).

Zusammenfassung

Periimplantäre Weichgewebedefekte stellen eine große Herausforderung für den Behandler dar. Die Behandlung durchdie koronal verschobene Tunneltechnik in Verbindung mit subepithelialem Bindegewebstransplantat und vernetzter Hyaluronsäure als Wund- und Regenerationsheilungsbeschleunigerstellt eine biologische gewebeschonende Methode zur Verbesserung des Weichgewebedefizits dar.

Autor

Dr. Lutz Krause

  • 1990 Approbation als Zahnarzt
  • 1990 Aufnahme der Tätigkeit als Assistenzzahnarzt in freier zahnärztlicher Praxis
  • 1993 Promotion mit dem Thema „Heilungsvorgänge um Titanimplantate unter Verwendung von nicht resorbierbaren e-PTFE Membranen“
  • 1993–1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für Parodontologie, Zahnklinik Nord der Freien Universität Berlin (Leiter: Prof. Dr. Dr. J.-P. Bernimoulin)
  • 1994–2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Parodontologie, Charité Medizinische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin
  • 1997 Gastaufenthalt an der Abteilung für Parodontologie und Kronen- und Brückenprothetik, Bern/CH (Leiter: Prof. Dr.
    Niklaus Lang)
  • 2001–2008 Wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung für Parodontologie, Charité Medizinische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin, Zahnklinik Nord (Leiter: Prof. Bernimoulin und Prof. Dr. B.-M. Kleber)
  • 2008 Abschluss des Habilitationsverfahrens mit dem Thema „Aspekte der Augmentation und des Erhalts des Alveolarknochens um dentale Implantate bei Parodontalerkrankten“, Ernennung zum Privatdozenten
  • 2008–2010 Wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie des Charité Centrum für Mund-, Kiefer- und Zahnheilkunde (Leiter: Prof. Dr. A. M. Kielbassa)
  • Seit 2010 Leiter der Abteilung für Parodontologie an der Privaten Universität Witten/Herdecke
  • Seit 2011 Berufung auf den Lehrstuhl für Parodontologie der Privaten Universität Witten/Herdecke

anton.friedmann@uni-wh.de
www.uni-wh.de