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Langzeitstudie eines implantatprothetischen Falles

Rettung durch BLX-Implantate

Eine Fallstudie von Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Born und Zahntechniker Marco Klumpp.

Die Bedeutung der evidenzbasierten Medizin und Zahnmedizin als Grundlage für moderne und wissenschaftliche Medizin [1] sei unbestritten, jedoch ist sie trotz des Herunterbrechens auf S3-Leitlinien häufig für den klinischen Alltag sehr allgemein gehalten und deshalb in einer konkreten Situation nicht immer hilfreich. Jahrelange klinische Erfahrungen können deshalb eine sinnvolle Ergänzung in der Entscheidungsfindung der angemessenen Therapie sein [2].

Da wir selbst immer wieder von einzelnen Fachbeiträgen profitiert haben, möchten wir einen Erfahrungsbericht beisteuern, der über 13 Jahre gut durchdokumentiert ist. Interessant scheint uns hierbei der Verlauf von festsitzenden Brücken über eine Teilprothetik bis zu letztendlich rein implantatgetragenem Zahnersatz zu sein.

Fallgeschichte

Der damals 66-jährige Patient ohne Allgemeinerkrankungen stellte sich im August 2008 zur Behandlung der Lücke 44 vor. Der Zahnstatus mit Brückenversorgungen in allen vier Quadranten und die Mundhygiene waren soweit ordentlich, dass am 12.11.2008 ein Straumann Bone Level der Länge 12 mm mit 3,3 mm Durchmesser implantiert wurde (Abb. 2).

Bei reduziertem Knochenangebot musste zusätzlich eine bukkale Augmentation mit einem Knochenersatzmaterial (Bone Ceramic, Straumann) vorgenommen werden. Es kam hierbei zu Wundheilungsstörungen mit Teilverlust des Transplantates.

Unserer Erfahrung nach ist bis dato eine Periimplantitisbehandlung unter Einsatz von Airflow zur Oberflächendekontamination entweder bei Fremdmaterialfreier oder radikaler Entfernung desselben relativ erfolgreich, wie intraoral (Abb. 1) erkennbar ist. Wenn überhaupt, verwenden wir lediglich Bone-Ceramic als Knochenersatzmaterial, da es synthetischen Ursprungs ist und somit tierische Verunreinigungen am ehesten ausgeschlossen sind. Der für aber uns noch wichtigere Aspekt ist die geringe Partikelgröße, da von uns bei grobkörnigerem Material anderer Provenienz Expositionen durch die Schleimhaut beobachtet worden sind.

Ende 2012 kam es dann durch multiple kariöse Läsionen an Kronenrändern und konsekutiven Wurzelkanalbehandlungen zu einem Kollaps der bisherigen festsitzenden Versorgung. Der Patient konnte durch ausführliche Beratungsgespräche von einer gaumenfreien Teleskopversorgung im Oberkiefer und einer Cover- Denture-Teleskopversorgung im Unterkiefer überzeugt werden.

Überlegungen zur Versorgung

Anhand der gezeigten Bilder können wir wesentliche Punkte der von uns praktizierten Teilprothetik darlegen (Abb. 3-6).

  1. Teleskopprothesen müssen nicht „klobig“ aussehen und von mangelndem Tragekomfort sein. Wenn man im Oberkiefer ein bukkales Lippenschild verwendet, ermöglicht dies dem Zahntechniker ästhetische Freiheiten bei der Gestaltung der Frontzahnverblendungen. Die Vorbehalte, dass dadurch die Parodontalhygiene leiden würde, können wir aus eigener Anschauung nicht bestätigen. Des Weiteren verbessert die gaumenfreie Konstruktion (ohne Transversalbügel) deutlich die Akzeptanz seitens der Patienten. Ebenso kann der Unterzungenraum durch die grazilere, dünn auslaufende Prothesenbasis im Unterkiefer weitgehend frei bleiben. Klammerelemente können durchaus bei „Wackelkandidaten von Zähnen“ distal an Prothesen gewinnbringend angebracht werden (Abb. 7, 8).
  2. Angesichts der langen intensiven Zusammenarbeit mit unserem Zahntechniklabor verwenden wir auch für Primärteleskope schon seit Jahren nur noch NEM-Legierungen, da sich diese als abriebfester und somit langlebiger erwiesen haben.
  3. Primäre Verblockungen [3] entstammen nicht der „verstaubten prothetischen Klamottenkiste“, sondern haben sich gerade bei wurzelkanalbehandelten und parodontal vorgeschädigten Zähnen zur Frakturvermeidung bewährt. Wie der Verlauf aber auch noch bestätigt, tendieren wir dazu, eher sehr zurückhaltend wurzelkanalbehandelte Zähne in eine Teleskopversorgung einzubeziehen und stattdessen nach dem Konzept der Pfeilervermehrung diese durch strategisch inserierte Implantate zu ersetzen.

Bildbeschriftungen im Vollbildmodus

Überführung der Teleskop-Versorgung in implantatgetragenen ZE

Ende 2016 wurde es im Zuge von anhaltenden Beschwerden im Unterkiefer links notwendig, die wurzelkanalbehandelten Zähne 37, 35 und 34 zu extrahieren. Da ein adäquater Prothesenhalt der Unterkieferprothese nicht mehr gewährleistet war, wurde eine implantatgestützte Cover-Denture-Prothese auf einem individuell gefräßten NEM-Steg geplant und umgesetzt.

Das Implantat regio 44 wurde entfernt, da es an strategisch ungünstiger Position stand und dessen Langzeitprognose eine Einarbeitung in eine Neuversorgung nicht sinnvoll erscheinen ließ. Nachdem sich 2019 entsprechend eines Domino-Effektes dieselbe Situation im Oberkiefer einstellte, wurde mit dem Patienten entschieden eine vergleichbare Versorgung wie unten anzustreben. Die Implantation am 06.05.21 mit vier anguliert stehenden Tissue Level-Implantaten in den regiones 15, 12, 22 und 25 war bei deutlich reduziertem Knochenangebot erschwert. Die Insertion der distalen Implantate regio 15 und 25 gestaltete sich wegen der Nachbarschaft zur Kieferhöhle intraoperativ schwerer, insbesondere verglichen mit den anterioren Implantaten regio 12 und 22 (Abb. 9-10).

Am 15.06.20 stellte sich der Patient mit Beschwerden in regio 22 vor. Bei der klinischen Untersuchung ergab sich ein gelockertes Implantat, sodass dieses nach Diagnostik umgehend am 16.05.20 entfernt wurde. Und schließlich, „ein Unglück kommt selten allein“, berichtete der Patient am 17.07.21, dass das Implantat 12 auf dem Nachtkissen lag (Abb. 11).

Da der Patient sich regelmäßig an seinem Zweitwohnsitz im Ausland aufhält, wurde mit ihm eine zeitnahe Neuimplantation besprochen.

Am 24.07.21 wurde das Wundgebiet präpariert, wobei sich jeweils in den Regionen der explantierten Implantate 12 und 22 bedingt ausgedehntere „Kraterförmige“ Defekte zeigten (Abb. 12, 13). Es verblieben nur die schmalen Alveolarkämme in regio 11 und 21. Unter diesen Voraussetzungen wurde das BLX-Implantat-System (Straumann) ausgewählt, da es mit seinem „aggressiven“ Gewindedesign für diese schwierige knöcherne Ausgangssituation als geeignet erschien [4]. Inseriert wurden zwei BLX-Implantate (3,75 RB mit 10 mm) SLActive Roxolid (Abb. 14, 15). Distal erfolgten noch kleinere Augmentationsplastiken mit locoregionär abgeschabten Knochenspänen (Abb. 16, 17). In regio 12 wurden zur Stabilisierung des Koagulums zwei Gelastypt-Kollagenschwämme eingebracht.

Nach drei Monaten erfolgte die Freilegung der Implantate und die prothetische Versorgung mittels individuell gefrästem NEM-Stegs und gaumenfrei gestalteter Oberkieferprothese (Abb. 18-21).

Bildbeschriftungen im Vollbildmodus

Zusammenfassung

Es konnte gezeigt werden, wie ein klassisch mit Teleskopen gut versorgter Fall im Laufe der Zeit, insbesondere mit Zunahme der endodontischen Maßnahmen, doch auf Dauer in eine implantatprothetische Versorgung überführt werden musste. Das aus unserer Sicht bewährteste Modell stellt im Oberkiefer wie auch im Unterkiefer die basisreduzierte, steggetragene Implantatprothese dar. Bei schwieriger Knochensituation sind die BLX-Implantate (weitere Falldarstellungen sind in Vorbereitung) zusätzlich eine hervorragende Behandlungsoption.

Autoren

Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Born

Zahnarzt in Stuttgart-Botnang

  • Studium der Medizin und Zahnmedizin an der Universität Tübingen
  • Diverse Studienaufenthalte an der Universität Bern, Zürich (CH) u. Washington University of St. Louis, USA
  • Facharztweiterbildung zum MKG-Chirurgen an der Universität Heidelberg u. Städt. Klinikum Saarbrücken
  • Facharzt- und Oberarzttätigkeit am BWK, Ulm, Erwerb der Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“
  • Weiterbildung an der Klinik für Prothetik, Universität Ulm (Prof. Ludwig)
  • Seit 2008 Niederlassung als MKG-Chirurg und Zahnarzt in Stuttgart-Botnang

info@born-zahnarzt.de
www.born-zahnarzt.de

Marco Klumpp

Zahntechniker, Geschäftsführender Gesellschafter

Zahntechniker, Geschäftsführender Gesellschafter

  • Geschäftsführender Gesellschafter
  • Ausbildungsleiter im Dentallabor Wacker, Stuttgart

wacker-dentaltechnik@t-online.de
www.wacker-dentaltechnik.de