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Management mit Ersatzmaterialien für Hart- und Weichgewebe

Häufig wird vom Patienten eine Sofort- implantation mit möglichst sofortiger prothetischer Versorgung gewünscht. Der Behandler hat jedoch aufgrund der patientenindividuellen Risikolage, möglicher Kontraindikationen, der möglichen problematischen Aspekte eines komplexen chirurgischen Eingriffes sowie unter forensischen Aspekten zu entscheiden. Dies ist insbesondere beim Einsatz von Ersatzmaterialien zu beachten. Daraus möglicherweise abgeleitete Therapieoptionen müssen dem Patienten in einem Aufklärungsgespräch exakt begründet und nachvollziehbar dargelegt werden [1].

Der Patientenfall

Im August 2020 wurde ein Patient mit nicht erhaltungswürdigem Stiftzahn 11 an unser Zentrum überwiesen. Sein Wunsch war eine ästhetische Implantatlösung mit möglichst wenigen Behandlungsterminen. Die klinische Untersuchung zeigte eine leichte Gingivitis und eine tiefgehende Wurzelkaries. Vorausgesetzt, die bukkale Lamelle wäre intakt, könnte die Option eines Sofortimplantates in Betracht gezogen werden. Eine zementfreie direkte Verschraubung verlangt jedoch eine palatinalorientierte Implantatposition. Auf Basis eines DVT erfolgte im November 2020 die 3D-Planung und die Herstellung einer temporären Sofortversorgung. Parallel wurde der Patient darüber aufgeklärt, dass bei fehlender bukkaler Knochenwand bzw. möglicher weiterer Einschränkungen keine Sofortimplantation umsetzbar ist. Dann sollte in einem ersten Schritt eine Socketpreservation mit dem Ziel erfolgen, ein stabiles Hart- und Weichgewebevolumen zum Zeitpunkt der späteren Implantation vorzufinden (Abb. 1, 2).

Das Alveolenmanagement

Am 5. November 2020 wurde die Stiftkrone abgenommen, um die bukkale Lamelle weitestgehend erhalten zu können, die Wurzel mehrfach getrennt und die Segmente vorsichtig aus dem Alveolenfach gehoben (Abb. 3, 4). Im krestalen Bereich war der Knochen intakt, im apikalen Bereich der bukkalen Wand hingegen zeigte sich eine Fenestration. Intraoperativ entschied man sich daher gegen eine Sofortimplantation. Um nachteiligen Veränderungen der periimplantären Gewebe durch Resorptionsprozesse entgegenzuwirken, wurde daher nach Entfernung des entzündlichen Gewebes und Reinigung der Extraktionsalveole zunächst das Knochenfenster abgedeckt. Dafür wurde minimalinvasiv ein Tunnel von lateral präpariert, in den eine Perikard-Membran porcinen Ursprungs (Jason/Botiss Biomaterials) fixiert wurde (Abb. 5, 6).

Das Alveolenfach wurde mit einem Gemisch aus humanem kortikospongiösen Knochenersatzmaterial (Maxgraft/Botiss Biomaterials) und Bio-Oss (Geistlich Biomaterials) im Verhältnis 70:30 verfüllt. Das Beimischen von sehr langsam resorbierbarem Knochenersatzmaterial diente zur Volumenstabilisierung des humanen Augmentats. Durch die fortschreitenden Forschungen und Entwicklungen stehen heute vielfältige klinisch erprobte Knochenersatzmaterialen humanen, porcinen, bovinen, equinen und pflanzlichen Ursprungs oder synthetisch hergestellte Produkte zur Verfügung, die je nach Indikationsstellung zum Einsatz kommen können.

Der OP-Situs sollte mit einem Bindegewebepunch aus dem Gaumen in regio 14/15 verschlossen werden. Aufgrund einer stark auftretenden Blutung wurde jedoch ein erhöhtes Risiko bei der Entnahme erkannt und die Transplantation abgebrochem. Der Entnahmebereich wurde mehrmals mit atraumatischem Nahtmaterial umstochen und die Blutung gestillt. Der Alveolenverschluss erfolgte stattdessen mit dem Einbringen und Vernähen einer Fibrinplatte humanen Ursprungs (Tachosil mini, Takeda) als Versiegelungsmatrix. Eine Interimsprothese, ebenfalls prächirurgisch vorbereitet, wurde als Verbandsplatte eingesetzt. Nach acht Tagen wurden die Nähte entfernt. Im Verlauf der folgenden vier Monate baute sich das Augmentat zu funktions- und volumenstabilem Knochen um, wie ein Röntgenbild vor der anstehenden Implantation zeigte (Abb. 7).

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Die Implantation und das Weichgewebemanagement

Nach einer minimalinvasiven, leicht nach palatinal orientierten Inzision im klinisch gesunden Weichgewebe (Abb. 8) erfolgten die Freilegung des Kieferkamms und die Präparation eines Spaltlappens. Die dreidimensionale korrekte Platzierung des Implantats wurde mithilfe einer Positionierungsnaht nach Cacaci umgesetzt [2] (Abb. 9, 10). Diese Methode ist für Implantologen zeit- und kosteneffizient. Es wird ein Fenster vorgegeben, in dessen Begrenzung die dreidimensionale Positionierung des Implantats nach biologischen Kriterien erfolgt.

Das Implantatlager für ein Ø 3,8 mm und 11 mm langes Conelog Progressive Line Implantat (Camlog) wurde dem chirurgischen Protokoll gemäß aufbereitet. Um die komplexen Ansprüche einer ästhetischen Implantatrekonstruktion im Frontzahnbereich zu erfüllen, eignet sich das Conelog Progressive Line Promote Plus Implantat besonders, da die raue Oberflächenstruktur bis zur Implantatschulter reicht. So kann das Implantat sowohl epikrestal als auch subkrestal inseriert werden. Ebenso vorteilhaft ist die rotationssichere konische Innenverbindung mit integriertem Platform-Switching (PS). Mithilfe von PS wird ein durch Mikroleakage verursachter Knochenrückgang minimiert [3,4] und das Volumen der Weichgewebemanschette vergrößert. Das Implantat wurde primärstabil inseriert, wobei der Fokus auf der leicht subkrestalen Positionierung der Schulter lag (Abb. 12).

Eine ausreichend dicke und stabile periimplantäre Mukosa ist für eine natürlich aussehende Implantatkrone und für den Erhalt des periimplantären Knochens essenziell [5]. Zur Weichgewebeverdickung wurde als Alternative zum Bindegewebstransplantat eine azelluläre dermale Matrix porcinen Ursprungs (NovoMatrix/BioHorizons Camlog) von koronal in den präparierten Split-Flap eingebracht (Abb. 11). Die Anwendung der dermalen Matrix unterstützt das Einwachsen von Zellen und Mikrogefäßen und ermöglicht die optimale Zellansiedelung und Revaskularisierung.

Gerade bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko ist die Anwendung und die uneingeschränkte Verfügbarkeit vorteilhaft. Die Matrix wurde lagestabil fixiert und der OP-Situs verschlossen (Abb. 13). Damit die initiale Heilungsphase (Abb. 14) drucklos erfolgen konnte, wurde die Interimsprothese von apikal gekürzt.

Die definitive Versorgung

Nach viermonatiger Einheilzeit wurde das Implantat freigelegt, eine geschlossene Abformung für die Erstellung eines Langzeitprovisorium (LZP) genommen und ein Gingivaformer einschraubt. Zwei Wochen später konnte die temporäre, direkt verschraubte Kunststoffkrone eingesetzt werden (Abb. 15). Mithilfe des LZP wurde das subgingivale Weichgewebe ausgeformt. Dafür wurde der subgingivale Anteil konkav gestaltet und im Bereich des Zahnfleischrandes tulpenförmig zu einem anatomischen Kronendurchtrittsprofil erweitert.

Nach Stabilisierung der Weichgewebsmanschette wurde dieses Profil mithilfe eines modifizierten Abformpfostens für die Herstellung der definitiven Implantatkrone auf das Meistermodell übertragen (Abb. 16, 17). Auf einer Titanklebebasis fertigte der Zahntechniker ein Zirkonoxidgerüst. Zum Schutz vor Chipping wurde der palatinal positionierte Schraubenzugangskanal komplett in Zirkonoxid gefasst. Die individuelle Verblendung erfolgte mit Keramikmassen. Nach dem Konditionieren der Krone und der Klebebasis wurde die Krone mit Multilink Hybrid HO (Ivoclar Vivadent) befüllt und beide Strukturen wurden zusammengefügt.

Mit abrasiv rotierenden Panther-Instrumenten (Carsten Fischer) erfolgte die sorgfältige protokollgerechte Bearbeitung der Klebefuge und des subgingivalen Bereichs [6]. Die Oberflächentopografie mit einer Oberflächenrauigkeit von ca. 0,2 μm im submukösen Bereich ist für eine optimale Anhaftung der periimplantären Mukosa und damit eine langzeitstabile Versorgung essenziell. Das ästhetische Ergebnis der definitiven Krone begeisterte Behandler, Zahntechniker und Patient gleichermaßen (Abb. 18, 19). Vergessen waren die durch den zweizeitigen Eingriff vermehrten Besuchstermine in der Praxis.

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Fazit

Für optimale Ergebnisse in der Implantattherapie sind die Indikationsstellung und strikte Einhaltung des chirurgischen Protokolls unabdingbar. Vorteilhaft bei Patienten mit erhöhtem Risikoprofil ist der Einsatz von Ersatzmaterialien. Im vorliegenden Fall wurden Materialien humanen, porcinen und bovinen Ursprungs verwendet. Das humane Material ist dem patienteneigenen Knochen am ähnlichsten. Damit werden weitere chirurgische Eingriffe zur Transplantatentnahme vermieden. Dank der vielfältigen Anwendungsoptionen werden nicht nur das Blutungsrisiko minimiert oder die Patientenmorbidität reduziert, es können zudem ethische und ethnische Belange in der Therapie berücksichtig werden.

Autor

Dr. med. dent. Martin Gollner

  • Staatsexamen Zahnmedizin
  • Fachzahnarzt für Oralchirurgie
  • Spezialist für Ästhetik und Funktion nach der 
DGÄZ
  • Hauptarbeitsgebiete: Implantologie, Hart-und Weichgewebsmanagement an Zahn und Implantat, prothetische funktionelle Gesamtrehabilitationen, Implantattherapie in der ästhetischen Zone, Perioprothetik, Implantatprothetik
  • Schwerpunkte: Implantologie, Ästhetische Zahn- 
medizin, Parodontologie

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