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Orale Rehabilitation

Implantatprothetische Versorgung zahnloser Kiefer

Eine Fallstudie von Muhammad Ismail und Dr. med. Thomas Barth.

Die prothetische Versorgung zahnloser Kiefer kann besonders in Bezug auf Funktionalität durch Implantatfixierung zufriedenstellend gesichert werden. Dafür ist jedoch eine umfangreiche Diagnostik anhand von Situationsmodellen und Röntgenaufnahmen erforderlich.

Das Analysieren der Kieferrelation und des vorhandenen Knochenangebots spielt bei der Planung der Versorgungsart beziehungsweise der implantatprothetischen Versorgung eine entscheidende Rolle. Eine festsitzende respektive bedingt festsitzende Versorgung müsste nicht in jedem Fall das Therapieziel sein. Wichtig ist jedoch eine Abwägung – unter den zu berücksichtigenden Parametern – der verschiedenen Therapiemöglichkeiten und davon auf die bestmögliche Versorgung zu schließen, die den funktionellen und ästhetischen Wünschen des Patienten entspricht.

Der Zahnverlust im fortgeschrittenen Alter, besonders durch chronische Parodontitis, führt zu den verschiedenen Lückengebisssituationen bis zum zahnlosen Kiefer. Um eine optimale prothetische Versorgungsform für jeden individuellen Fall zu finden, ist eine exakte Planung unter Berücksichtigung folgender Faktoren erforderlich:

  • Alter des Patienten, allgemeiner Zustand
  • Parodontalzustand der Restzähne
  • Knochenangebot
  • Kieferrelation
  • Mundhygiene
  • Wünsche des Patienten bezüglich Funktionalität und Ästhetik
  • 
Bisherige prothetische Versorgung
  • 
Ökonomische Verhältnisse

Fallbeschreibung

Unser 61-jährige Patient hat sich im Dezember 2019 aufgrund eines stark gelockerten Kronenblocks im Oberkiefer in unserer Praxis vorgestellt. Die vorhandenen etwa zehn Jahre alten Prothesen stellten sich als insuffizient heraus. Die beiden Restzähne im Oberkiefer verfügen über einen Lockerungsgrad III und sind somit nicht erhaltungswürdig. Die Restzähne im Unterkiefer haben ebenfalls einen Lockerungsgrad II bis III und sind für eine langfristig stabile Versorgung nicht geeignet.

Die marginale Gingiva war gerötet und wies entzündliche Rezessionen auf (Abb. 1). Die röntgenologische Aufnahme zeigte sowohl horizontalen als auch vertikalen Knochenabbau in beiden Kiefern (Abb. 2). Dem Patienten wurde zunächst schnell geholfen, indem die Zähne 12, 13 extrahiert und die Oberkiefer- Prothese zu einer totalen Prothese umgearbeitet wurden.

Diagnostik und Therapieplanung

Anfang 2020 kam der Patient erneut zur Weiterbehandlung. Zu diesem Zeitpunkt wurden diagnostische Hilfsmittel wie Röntgenaufnahmen, Situationsmodelle und Fotos für die prothetische Planung angefertigt. In kollegialer Zusammenarbeit wurde der Therapieplan besprochen, um das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erzielen. Im UK sollte die Extraktion der nicht- erhaltungswürdigen Restzähne erfolgen und anschließend die Implantatgetragenen Prothese hergestellt werden. Im Oberkiefer wurde eine neue Totalprothese angestrebt, da aufgrund der guten Kieferverhältnisse von einer ausreichenden Haltefunktion auszugehen war. Zu einem späteren Termin wurde der Patient ausführlich über den Therapieablauf aufgeklärt.

Implantatprothetische Versorgung

Zunächst wurde die chirurgische Phase abgeschlossen, indem die Extraktion der Zähne 33, 35 und 45 sowie das Inserieren der Implantate (Camlog Screw-Line Promote, Camlog) in regio 34, 32, 42 und 44 in einem einzigen chirurgischen Eingriff erfolgten (Abb. 3, 4). Der Zahn 43 wurde vorerst belassen, um einen gewissen Halt der umgearbeiteten Interimsprothese im Unterkiefer zu gewährleisten. Der Zahn sollte am Tag der Freilegung der Implantate entfernt werden.

1. Klinische Ausgangssituation Unterkiefer.
2. OPG-Aufnahme für Ausgangssituation.
3. Intraoperative Ansicht bei der Implantation (Camlog Screw-Line Promote, Camlog) in regio 34, 32, 42 und 44.
8. Anlegen des Gesichtsbogens.
8. Anlegen des Gesichtsbogens.

Extraktion und Freilegung

Nach dreimonatiger Einheilzeit erfolgten die Extraktion des Zahns 43 sowie die Freilegung der Implantate. Die UK-Interimsprothese wurde zur Totalprothese erweitert (Abb. 5). Die Gingivaformer wurden nach drei Wochen mit Locatoren ausgetauscht (Abb. 6). Die Totalprothesenversorgung erfolgte nach der BPS-Technik (Ulrici, Böthel 2008).

Beim Biofunktionellen Prothetik System (BPS) wird eine provisorische Kieferrelation in derselben Sitzung wie die Erstabformungen genommen. Diese wurde mittels Zentrik- Tray ermittelt und ins zahntechnische Labor übergeben. Damit konnte der Zahntechniker für die zweite Sitzung mit Kunststoffwällen versehene, individuelle Abformschablonen herstellen, die für eine kombinierte Funktionsabformung und Pfeilwinkelregistrierung verwendet werden sollten. Mithilfe der Pfeilwinkelregistrierung wurde die horizontale Kieferrelation festgelegt, sodass sich die Kondylen des Unterkiefers in Zentrik befanden (Abb. 7). Anschließend erfolgte die achsengerechte Übetragung des Oberkiefers mithilfe eines Gesichtsbogens (Abb. 8). Ausgehend von der Ausgangssituation konnte für den Patienten eine hochwertige Prothesenversorgung realisiert werden, mit der er höchst zufrieden ist (Abb. 9-12).

Fazit

Der vorliegende Fall zeigt die Notwendigkeit der Berücksichtigung verschiedener Faktoren sowie der richtigen Diagnostik, um das bestmögliche Ergebnis für den Patienten realisieren zu können. Der Patient hatte eine festsitzende Versorgung in beiden Kiefern gewünscht, die unter Berücksichtigung des Restzahnbestands, des vorhandenen Knochens und der finanziellen Möglichkeiten des Patienten nicht realisierbar war. Von der Möglichkeit, nur zwei Implantate im Unterkiefer einzusetzen, musste abgesehen werden, um die Entwicklung einer Rotationsachse zu vermeiden, die zu Kippbewegungen während der Belastung der Prothese geführt hätte. Das Einsetzen von vier Implantaten im UK gewährleistet ein Unterstützungspolygon, das die unter Belastung der Prothese auftretenden Rotationsbewegungen verhindern soll. In kollegialer Zusammenarbeit konnte eine höchst ästhetische und funktionelle prothetische Versorgung erzielt werden.

Autoren

Muhammad Ismail

  • 2009-2014 Studium der Zahnheilkunde an der Tischrin Universität Latakia
  • 2015-2016 Master der Kinderzahnheilkunde, Tischrin Universität, Latakia/Syrien
  • 2016-2017 Hospitation DENTALE (Praxis Dres. Barth, Ulrici, Höfner & Kollegen)
  • 2017-2020 Assistenzzahnarzt DENTALE MVZ (Praxis Dres. Barth, Ulrici, Höfner & Kollegen)
  • 2018-2020 Curriculum Endodontologie bei DGET
  • Seit 2020 Angestellter Zahnarzt DENTALE MVZ

muhammad.ismail@dentale.de
www.dentale.de

Dr. med. Thomas Barth

  • 1978-1983 Studium der Zahnmedizin, Karl-Marx- Universität Leipzig; Diplom und Staatsexamen
  • Seit 1990 Niedergelassener Zahnarzt in Engelsdorf
  • Seit 1991 Intensive implantologische Tätigkeit
  • 1998 Zertifizierung „Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie“ BDIZ
  • 2010-2016 Präsident des MVZI Landesverbandes im DGI e.V
  • 2012 Gründung des Zahnärztlichen Kompetenzzentrums Leipzig „DENTALE“ mit der BAG Dres. Barth, Ulrici, Höfner & Kollegen (heute DENTALE MVZ )
  • 2016 Ehrenmitglied der DGI e.V.

thomas.barth@dentale.de
www.dentale.de