In Teil 1 des Artikels hatten wir einen Fall eines stark kompromittierten Implantates im ästhetisch anspruchsvollen Bereich vorgestellt, der mit einem Bindegewebstransplantat gelöst wurde. Im Unterkieferseitenzahnbereich stehen ästhetische Aspekte nicht im Vordergrund, daher kann man sich, wie im vorliegenden Fall, auf die Bewältigung der funktionellen Probleme konzentrieren.
In diesem Areal ist nicht nur meistens unzureichend unbewegliche Gingiva um die Implantate vorhanden, es fehlt oft auch an Tiefe im Vestibulum und inserierende Bändchen stören funktionell, wofür die Behandlung mit einem freien Schleimhauttransplantat ideal ist.
Patientenfall
Unsere Patientin, eine sehr zierliche Frau, war zum Zeitpunkt des Ersteingriffs am 29.07.2019 59 Jahre alt und Nichtraucherin. Sie hatte am 20.07.2017 alio loco eine beidseitige vertikale und laterale Augmentation mit Beckenkammblöcken bekommen und wurde später mit festzementierten verblockten Kronen versorgt. Sie stellte sich Anfang 2019 mit aus ihrer Sicht wiederkehrenden, schmerzhaften, zum Teil sehr starken Entzündungen an beiden Seiten des Unterkiefers an den Implantaten vor. (Anm. des Autors: Leider gibt es davon kein Foto.)
Als Erstversorgung wurde das Areal gereinigt und mit einer kortisonhaltigen Salbe behandelt, was sehr schnell zur Linderung der Beschwerden und vorübergehender Abheilung führte (Abb. 1, 2). Das OPG vom 25.01.2019 zeigte, dass bereits Knochen in der vertikalen Dimension verloren gegangen war (Abb. 3).
Da die gesamte Versorgung noch relativ neu war, wurde von unserer Seite eine Wiedervorstellung in der chirurgischen Abteilung und beim prothetischen Behandler angeraten.
Sechs Monate später stellte sie sich erneut mit Beschwerden und beginnender Entzündung vor (Abb. 4) und bat um Behandlung in unserer Praxis. Der Tastbefund an den Implantaten ergab klar freiliegende Implantatgewinde und das Gewebe um die Implantate war stark mobil. Aus unserer Sicht war nach Einschätzung der Defektmorphologie unter Berücksichtigung der Augmentationstechnik des Vorbehandlers eine knöcherne Deckung der Implantate unmöglich. Wir schlugen der Patientin, als zunächst palliative Maßnahme, eine Verbesserung der mukogingivalen Verhältnisse vor, um dann zu schauen, ob sich der Knochenabbau aufhalten lassen würde.
Für jeden Praktiker ist vorstellbar, dass eine Patientin, die keine 50 kg auf die Waage bringt und im Oberkieferseitenzahnbereich bereits brückenversorgt ist, im Gaumen nicht wirklich eine ideale Spenderregion zur Entnahme eines Transplantatesbietet.
Da sehr viel Material benötigt wurde, wir dem FST zu diesem Zeitpunkt klar den Vorzug vor körperfremden Materialien gaben, die Patientin keine beidseitige Entnahme wollte, planten wir von Anfang an mehrere Eingriffe. Hinzu kam die operativ ausgesprochen schwierige geometrische Situation interimplantär, da die verblockten Kronen nicht abnehmbar waren.
Beim Ersteingriff am 29.07.2019 wurde zunächst distal von 43 ausgehend zur Vertiefung des Vestibulums das Transplantatbett mittels Splitflap präpariert (Abb. 5) und das FST fixiert (Abb. 6). Das Areal wurde zum Schutz mit einem Wundverband (CoePak, GC Europe) versehen, der nach einer Woche zur Nahtentfernung abgenommen wurde (Abb. 7). Wenige Wochen später zeigt sich ein gut integriertes Transplantat (Abb. 8), der zweite Eingriff konnte unter gleichem Ablauf stattfinden und wiederum eine Woche später die Nahtentfernung (Abb. 9). Am 02.10.2019 zeigte sich der 4. Quadrant absolut reizlos (Abb. 10), die Patientin hatte mit ihrer Mundhygiene außerordentlich gut mitgearbeitet.
Wir hatten bei beiden Eingriffen darauf verzichtet die Implantatoberfläche zu polieren, sondern nur mit unserem Pulverstrahlgerät vorsichtig die freiliegenden rauen Anteile gereinigt.
Unsere Patientin kam und kommt im Abstand von drei bis vier Monaten zur PZR und nachdem die Situation rechts sich Mitte 2020 als stabil darstellte, begannen wir am 01.07.2020 mit dem ersten Eingriff der linken Seite (Abb. 11). Am 21.05.2021 erfolgte der insgesamt 4. Eingriff (Abb. 12). Am 21.11.2021 stellen sich beide Seiten reizlos dar (Abb. 13), am 21.09.2023 (Abb. 14) und am 27.05.2024 (Abb. 15) ebenso.
Das OPG vom 21.11.2023 (Abb. 16) zeigt etwas mehr vertikalen Verlust am mittleren Implantat im 3. Quadranten. Da klinisch keinerlei Entzündungszeichen imponieren, bewerten wir das eher als letzte Umbauvorgänge einer vertikalen Augmentation und hoffen auf weiterhin stabile Verhältnisse.
Konklusion
Auch wenn wir primär danach streben, verlorenen Knochen an Implantaten wieder zu regenerieren, stellen in bestimmten Situationen mukogingivale Eingriffe wie Bindegewebstransplantate (Teil 1) oder freie Schleimhauttransplantate eine sehr gute Möglichkeit dar, kompromittierte Implantate zu stabilisieren.
Dr. med. dent. Frank Hoffmann
- Studium der Zahnmedizin an der Universität Hamburg
- 1988 Staatsexamen und Approbation, Assistenz- zahnarzt in der Praxis Dr. Milde, Hamburg
- 1989 Promotion
- 1991 Gründung der zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr. Karl-Hans Milde
- 1997 Zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr.Karl-Hans Milde und Dr. Matthias Jahn
- 2019 Zahnärztliche Partnerschaft Dr. FrankHoffmann, Dr. Matthias Jahn, Dr. HenningBrameyer, Dr. Kristian Jährig
- Curriculum Implantologie der DGI, Curriculum Umweltzahnmedizin, DEGUZ
- Referententätigkeit: Vorträge und Leitung von praktischen Studiengruppen seit 2013