Teil 1
Die Strategien zur Behandlung kompromittierter Implantate sind vielfältig und die Vorhersagbarkeit unserer Maßnahmen oft schwierig. Einteilungen nach Defektklassen, wann etwa regenerative Maßnahmen eine Chance haben, oder ob besser gleich resektiv gearbeitet werden sollte, um dem Implantat noch ein paar Jahre in situ zu ermöglichen, sollen dem Praktiker die Einschätzung der Chancen erleichtern. Dabei spielt auch immer die Frage im Hintergrund eine Rolle, ob es zum Schutz vor weiterem Knochenverlust nicht ggf. besser ist, das kompromittierte Implantat zu entfernen und durch ein neues zu ersetzen.
Anhand eines Falles über einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren möchte der Autor für den ästhetisch wichtigen Bereich eine Möglichkeit aufzeigen, die zwar von der knöchernen Situation einen Kompromiss darstellt, ästhetisch jedoch einwandfrei und vor allem über die bislang beobachteten fünf Jahre absolut entzündungsfrei geblieben ist.
Unser kerngesunder, männlicher Mittsechziger war Nichtraucher und stellte sich im August 2018 mit einer Fistel und Pusentleerung über dem alio loco, wahrscheinlich 2011 gesetzten Implantat regio 22 vor (Abb. 1). Durch den Fistelkanal waren die Gewinde des Implantats tastbar. Ein Röntgenbild lag vom April 2017 vor (Abb. 2), das approximale Knochenniveau wies distal einen Knochenrückgang auf.
Am 29.08.2018 erfolgte durch eine an 22 marginale, jedoch jeweils nach lateral trapezförmige Schnittführung zur Schonung des approximalen Gewebes, der Zugang zum entzündeten Bereich. Unter dem vorsichtig präparierten Lappen lagen lose Krümel von Knochenersatzmaterial im Bereich der vestibulär freiliegenden Implantatoberfläche (Abb. 3).
Offensichtlich war im Rahmen der Implantation massiv augmentiert worden. Dieser Bereich wurde vorsichtig mit einem Pulverstrahlgerät und Glycinpulver gereinigt (Abb. 4). Ein Teil des Augmentats schien relativ stabil zu sein, wenngleich die Vitalität des Gewebes diskutabel war. Wie vor dem Eingriff vermutet und weswegen die Größe des Zugangslappens angepasst worden war, lässt die Morphologie des Defekts, der im Bereich des Eigenknochens eben nur in der Höhe der zervikalen Ebene des Implantates liegt, die Möglichkeit der kompletten knöchernen Regeneration eher unwahrscheinlich erscheinen.
Daher entschlossen wir uns ein dazu, ein Bindegewebstransplantat (BGT) aus dem Tuber maxillae zu entnehmen und nach vorsichtiger Anfrischung des Fistelausgangs unter den mobilisierten Lappen zu nähen (Abb. 5).
Danach erfolgte der primäre Wundverschluss mit 5/0 monophilem Nahtmaterial. Die Fäden wurden am 07.09.2018 entfernt (Abb. 6), das OP-Gebiet erschien reizlos, der Fistelgang war weg. Am 22.02.2019 erfolgte im Rahmen der professionellen Zahnreinigung, die unser Patient je nach Befund schon seit Jahren alle vier bis sechs Monate in Anspruch nimmt, die Nachkontrolle mit Fotodokumentation (Abb. 7).
Das Gewebe war straff und es war keine Tasche von marginal tastbar. Ästhetisch hatte sich ebenfalls nichts verändert, es kam zu keiner Rezession mit ggf. freiliegenden Metallanteilen. Ein Kontroll-OPG wurde im Mai 2020 gefertigt (Abb. 8).
Bis heute hat sich dies bei jedem Kontroll- oder Behandlungstermin exakt genau so dargestellt (Abb. 9) und wir hoffen auf weitere erfolgreiche Jahre.
Zusammenfassung
Auch wenn wir primär danach streben, verlorenen Knochen an Implantaten wieder zu regenerieren, stellen mukogingivale Eingriffe wie etwa mittels Bindegewebstransplantaten oder freie Schleimhauttransplantaten (Teil 2) ebenfalls eine sehr gute Möglichkeit dar, kompromittierte Implantate zu stabilisieren.
Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hoffmann
- Studium der Zahnmedizin an der Universität Hamburg
- 1988 Staatsexamen und Approbation, Assistenzzahnarzt in der Praxis Dr. Milde, Hamburg
- 1989 Promotion
- 1991 Gründung der zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr. Karl-Hans Milde
- 1997 Zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr. Karl-Hans Milde und Dr. Matthias Jahn
- 2019 Zahnärztliche Partnerschaft Dr. Frank Hoffmann, Dr. Matthias Jahn, Dr. Henning
- Brameyer, Dr. Kristian Jährig
- Curriculum Implantologie der DGI, Curriculum Umwelt-ZahnMedizin, DEGUZ
- Referententätigkeit: Vorträge und Leitung von praktischen Studiengruppen seit 2013