hero-ribbon

Neuigkeiten zur IDS hier auf www.frag-pip.de

Pflanzliches Knochenaufbaumaterial AlgOss 100 bei Sinuslift und Implantation 

Langzeitbeobachtung über 15,7 Jahre

Die Implantologie gewinnt stetig an Bedeutung in der modernen Zahnmedizin. Voraussetzung für eine prognostisch günstige Insertion von Implantaten ist
ein ausreichendes Knochenvolumen mit entsprechender Knochenqualität zur sicheren Verankerung und Ableitung der angreifenden Kräfte. Ist nicht genügend Knochensubstanz (horizontal und vertikal) vorhanden, um ein enossales Implantat zu inserieren, muss dies durch augmentative Verfahren kompensiert werden.

Idealerweise soll der Aufbau fehlender Knochensubstanz gewährleisten, dass nicht nur das verlorene Volumen wieder aufgefüllt (Knochenersatz), sondern auch die, mit dem Knochenverlust verlorene Stützfunktion wiederhergestellt wird. Hierbei sollte es sich um eine Regeneration und nicht um eine Reparatur handeln, die die Rekonstruktion von Substanz, Form und Funktion ermöglicht [1]. Der Knochenaufbau mit xenogenen bzw. alloplastischen Materialien ist heute internationaler klinischer Standard. Die am häufigsten zum Einsatz kommenden Kalziumphosphat-Biokeramiken bestehen aus Hydroxylapatit (HA) und/ oder Trikalziumphosphat (TCP). Diese Materialien füllen den Defekt auf und bieten dem sich neu zu bildenden Knochen eine Leitstruktur. Ein ideales Knochenaufbaumaterial führt zur Knochenregeneration, indem es nach und nach abgebaut, gleichzeitig durch körpereigenen Knochen ersetzt wird und mit dem Lagergewebe eine funktionelle Einheit bildet [2-5].

Von Knochenersatz spricht man, wenn körpereigener Knochen durch Augmentationsmaterialien nur ersetzt bzw. das fehlende Volumen nur aufgefüllt wird. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass an dieser Stelle wieder vitaler Knochen entsteht – also eine Regeneration stattfindet [6,7].

Alle auf dem Markt befindlichen Materialien führen zum Knochenersatz, aber nur wenige zur Knochenregeneration, wobei das Knochenaufbaumaterial in funktionellen Knochen umgebaut wird und nicht dauerhaft als Fremdkörper im Organismus bleibt [8,9]. Die Resorption eines Knochenaufbaumaterials ist im Hinblick auf die sogenannte Osseointegration von Implantaten besonders wichtig. Die ist ein höchst dynamischer Prozess, der die Aufrechterhaltung des bestehenden Knochens (Remodelling) und die Knochenneubildung (Modelling) umfasst und somit ausschlaggebend für die optimale Einheilung und den langfristigen Erhalt des Implantates ist. Darüber hinaus kann es durch das nicht resorbierte Fremdmaterial auch noch nach Jahren zu Sekundärinfektionen kommen.

Im aktuellen klinischen Fall wurde ein alloplastisches resorbierbares Hydroxylapatitmaterial pflanzlichen Ursprungs zur Sinusbodenelevation verwendet. Das Knochenaufbaumaterial aus Rotalgen ist seit mehr als 35 Jahren klinisch etabliert und wissenschaftlich dokumentiert [10-13]. Jahrelang wurde es unter dem Namen Algipore von der Firma Dentsply Sirona vertrieben. Derzeit erfolgt die Vermarktung des Algenprodukts von der Firma myplant GmbH unter dem Namen AlgOss 100. AlgOss 100 weist chemisch und morphologisch eine hohe Ähnlichkeit zum menschlichen Knochen auf. Als Rohstoff dienen nachhaltig geerntete, natürlich wachsende marine Rotalgen, die ein mineralisches Hartskelett bilden. Durch den speziellen Herstellungsprozess bleibt die Struktur dieses Mineralgerüsts erhalten und bildet eine durchgehend (interkonnektierende) mikroporöse Wabenstruktur, die das Einwachsen von Knochenzellen fördert und eine osteokonduktive Leitstruktur bietet. Dieses Gerüst wird allmählich abgebaut und sukzessive durch neu gebildeten, vitalen Knochen ersetzt. Diese Remodellationsprozesse gewährleisten eine konstante Volumenstabilität des Augmentationsbereiches [2].

Klinischer Fall

Wir stellen einen männlichen Patienten (60 Jahre alt) vor, der wegen eines lockeren Blattimplantates im linken Oberkiefer bei uns erschien (Abb. 1). Nach Entfernung des Blattimplantates wollte der Patient erst einmal abwarten und es entstand eine einjährige Wartezeit (Abb. 2). Anschließend erfolgte eine Augmentationsoperation. 

Der in Intubationsnarkose durchgeführte Sinuslift samt Anhebung der Kieferhöhlen-Schleimhaut erfolgte beidseits jeweils mit einem sehr großen lateralen Zugang (Abb. 3a, b). Auf der rechten Seite entstand eine kleine Schleimhautperforation, die mit 7/0 Vicryl-Nähten verschlossen und zusätzlich mit einer mit Fibrinkleber befestigten Kollagenmembran stabilisiert wurde.

Auf Abbildung 3a und b erkennt man die bestehenden Perforationen des pergamentdünnen Alveolarknochens beidseits. Das entstandene große Cavum beidseits wurde jeweils mit 8 ml phycogenem Granulat AlgOss 100 in der Korngröße 0,1-1,0 mm, gesättigt mit venösem Blut und gemischt mit ca. 0,5 ml kollektierten, autogenen Knochenchips, aufgefüllt. Die Abdeckung des Augmentats erfolgte beidseits durch mit Titanpins fixierte Kollagenmembranen. Der primäre Wundverschluss heilte komplikationsfrei ab. Die unmittelbar postoperative Kontrolle mit der Panorama-Schichtaufnahme sowie dem seitlichen Fernröntgenbild zeigten ein sehr gutes Augmentationsergebnis. Beide Aufnahmen zeigen eine Aufbauhöhe von mindestens 13 mm zur späteren Insertion von langen Standardimplantaten (Abb. 4a, b). Nach einer siebenmonatigen Einheilzeit des Augmentationsmaterials wurden beidseits je drei Camlog-Implantate in der Länge zwischen 11 und 13 mm inseriert und fünf Monate später die Brückenkonstruktionen eingesetzt (Abb. 5). Mit der erreichten prothetischen Arbeit war der Patient sehr zufrieden und er fühlte sich wieder komplett kaufunktionell rehabilitiert (Abb. 6a, b).

Das Ergebnis der Augmention mithilfe der beiden lateralen Sinuslift-Operationen war sehr erfolgreich. Die in die augmentierten Bereiche inserierten Implantate sind bis dato stabil und (funktionell) belastbar. Dieser positive Befund wurde bei der kürzlich vorgenommenen Kontrolluntersuchung 15,7 Jahre nach Sinuslift mit Augmentation festgestellt (Abb. 7, 8a, 8b).

Diskussion und Zusammenfassung 

Anhand des vorgestellten Patienten können wir über einen erfolgreichen Knochenaufbau mit langjähriger Volumenstabilität im Kieferhöhlenbereich berichten. Im betreffenden Fall handelte es sich um eine extreme Knochenatrophie des Oberkieferalveolarkamms beidseits mit pergamentdünnem Restknochen und mehreren Perforationen. Eine weitere Erschwernis stellte die ausgedehnte Deperiostierung durch den lateralen Zugang mit Abpräparieren des Mukoperiostlappens vestibulär dar. Weiter wurde die Vaskularisation des Alveolarknochens noch zusätzlich durch das Abpräparieren der Kieferhöhlenschleimhaut gemindert. Nur durch die ausgeprägte Osteokonduktivität des resorbierbaren, veganen Knochenaufbaumaterials auf pflanzlicher Basis, AlgOss 100 (myplant dental), konnte bei dieser geminderten Vaskularisation neuer Knochen entstehen, in den nach einer siebenmonatigen Einheilzeit Implantate inseriert und später auch belastet werden konnten. Da das Material langsam über mehrere Jahre resorbiert und gleichzeitig durch neu gebildeten vitalen Knochen ersetzt wird, kommt es zu diesem langjährig stabilen funktionsbelastbaren Knochen. Durch die geminderte Vaskularisation des ortsständigen Knochens trat, wie erwartet, eine in der zuletzt durchgeführten Panoramaschichtaufnahme (Abb. 7) deutlich sichtbare Resorption im krestalen Bereich der Implantate auf. Am deutlichsten ist der krestale Knochenverlust um die Implantate regio 15 und 27 zu beobachten. 

Da in diesen Bereichen der ortsständige Knochen über die Jahre resorbiert ist, befinden sich die Implantate nur noch in dem neu gebildeten Knochen, der durch die Augmentation mit dem phycogenen Knochenaufbaumaterial entstanden ist. Somit kann man den regenerierten, neu entstandenen Knochen im augmentierten Bereich als „AlgOss-Knochen“ bezeichnen.

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Rolf Ewers

  • Ab 1965 Studium der Medizin und Zahnmedizin in Freiburg im Breisgau
  • 1973 Beginn der chirurgischen Ausbildung als First Year Surgery Resident an der Downstate University, Brooklyn, USA
  • 1972 Medizinalassistentenzeit in Münster
  • 1974-1979 Facharztausbildung in der MKG-Chirurgie und Plastische Chirurgie in Freiburg
  • 1980 Habilitation
  • Stellvertretender Klinikleiter der Universitätsklinik für MKG-Chirurgie und Plastische Operationen im Uniklinikum Kiel
  • 1989-2012 Vorstand der Universitätsklinik für MKG-Chirurgie in Wien, AU
  • Seit 1994 Leiter des CMF Institutes in Wien, AU 

Email: rolf@cmf-vienna.com

Website: www.cmf-vienna.com