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Sofortimplantation und -belastung in extrem kompromittierter Ausgangssituation

Eine Fallstudie von Dr. med. dent. Thomas Stumpf, Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Markus Schlee und Dr. Florian Rathe M.Sc.

Weltweit ist eine steigende Nachfrage an Sofortbelastungskonzepten in der Implantologie zu beobachten. Gestützt wird diese Entwicklung durch aktuelle Literatur, in der Überlebensraten von über 95 % beschrieben sind [1].

Esposito et al. zeigten beim Vergleich von Sofortimplantation, verzögerter Sofortimplantation sowie Spätimplantation, dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied in Bezug auf Misserfolg, Komplikationen und Patientenzufriedenheit gibt. Jedoch konnte ein besseres ästhetisches Ergebnis erzielt werden, je früher die Implantation erfolgte [2].

Darüber hinaus ist dieses Behandlungskonzept für den Patienten wirtschaftlicher. Um dieser Entwicklung des Marktes genüge zu tragen, stellte die Firma Camlog im März 2019 ein neues Implantatsystem mit dem Namen Camlog Progressive Line vor. Unter Verwendung der Camlog typischen Promote Plus Oberfläche sowie der Camlog bzw. Conelog Innenverbindung wurde der Fokus bei der Neuentwicklung auf die neue Außengeometrie gelegt. Durch die Kombination einer konischen Geometrie und einem aggressiven Gewindedesign kann in fast allen Knochenqualitäten sowie im kompromittierten Knochenlager eine hohe Primärstabilität erzielt werden. Das Mikrogewinde kann die Krafteinleitung in den krestalen Knochen verbessern und in Kombination mit einem Platformswitch das krestale Remodelling reduzieren [3-5]. Das Mikrogewinde begünstigt bei externer Sinusbodenelevation mit reduzierter Knochenhöhe die Primärstabilität und hilft den ein oder anderen zweizeitigen Sinuslift zu vermeiden – eine echte Erweiterung des bisherigen Camlog Portfolios.

Abb 1:​ DVT-Aufnahme des querfrakturierten Zahnes 23 aus …

Abb. 2:​ … unterschiedlichen Perspektiven.

Abb 3: Klinische Situation nach Entfernen …

Abb. 4:​ … des koronalen Fragmentes.

Abb 5: Röntgenkontrolle nach der nach mesial angulierten Pilotbohrung.

Abb. 6:​ Palatinale Orientierung des aufb ereiteten Implantatstollens.

Abb 7: Implantatinsertion eines Camlog Progressive Line L 13 mm D 4,3 mm.

Abb. 8:​ Röntgenkontrolle nach Implantatinsertion.

Abb 9: Ausreichend palatinal …

Platformswitch ist auch bei diesem Camlog System aufgrund der Innenverbindung leider nur reduziert umsetzbar (bei Durchmesser 3,3 nicht verfügbar). Verfügbar sind die Progressive-Line Implantate in den Camlog-typischen Durchmessern (3,3 bis 5,0 mm) und Längen von 7 bis 16 mm, wobei auch hier die 3,3er-Serie erst ab einer Länge von 9 mm verfügbar ist. In unserer Praxis kam es zu Beginn hauptsächlich in der ästhetischen Zone sowohl mit Sofortbelastungskonzept als auch im kompromittierten Knochenlager mit simultaner Augmentation zur Anwendung. Mittlerweile hat es sich als Standardimplantat der Firma Camlog etabliert. Beispielhaft wird dies am Falle einer Sofortimplantation regio 23 mit anschließendem Sofortbelastungskonzept gezeigt.

Ausgangssituation

Der Patient wurde mit einer Querfraktur im oberen Drittel des Zahnes 23 bei Fehlen des oberen Drittels der bukkalen knöchernen Alveole mit Bitte um Sofortimplantation überwiesen. Trotz der vorgeschlagenen Möglichkeit einer Extrusion mit anschließender Überkronung entschied der Patient sich für die Implantation. Geplant wurde eine Sofortimplantation, intraoperative Abformung und die taggleiche Versorgung mit einem laborgefertigten Schalenprovisorium.

Implantation

Die Extraktion der Wurzel erfolgte möglichst schonend unter Verwendung des Benex Systems (Helmut Zepf Medizintechnik u. Fa. Hager & Meisinger). Ein Sofortimplantat sollte in mesiodistaler Richtung zentral in der Lücke und ca. 2 mm lingual des Envelopes platziert werden. Dies sowie die einzuhaltenden Abstände zu benachbarten Zähnen oder Implantaten limitierte die Dicke des Implantates [6]. Ein Eindrehtorque größer 35 Ncm hat sich für eine Sofortbelastung als vorteilhaft erwiesen. Monje konnte im Tiermodell zeigen, dass bei Unterschreitung der 1,5 mm bukkaler Knochendicke mit einem größeren Ausmaß an Knochenverlust zu rechnen ist [7]. Die Wurzelangulation war nach distobukkal gerichtet. Das Aufbereiten eines Implantatbettes mit Bohrern steigenden Durchmessers birgt in einer solchen Situation das Risiko, mit der Achse und Position zur Extraktionsalveole hin abzugleiten. Daher wurde die Primärbohrung tendenziell zu weit mesial positioniert, um schlussendlich mit der finalen Bohrung in der korrekten zentralen Position zu enden (Abb. 1). In bukkolingualer Richtung wurde das Implantat (Länge 13 mm, Durchmesser 4,3 mm, Camlog) achsengerecht mit einem Eindrehtorque von 80 Ncm 2 mm lingual des Envelopes inseriert. Bemerkenswert ist, dass neben den verfügbaren nur etwa 30 % der Implantatoberfläche vor allem der hohe Insertionstorque zum Halt beitrug. Mit einem zylindrischen Implantatkörper wäre dies wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Abb 10:​ … sowie achsengerecht positioniertes Implantat.

Abb. 11: Intraoperative Abformung mittels Abformpfosten und schrump-fungsarmen Kunststoff (Visioform, 3M ESPE).

Abb 12: Weichgewebsaugmentation mittels …

Abb. 13: … freiem Bindegewebstransplantat.

Abb 14: Abschlussröntgenbild mit 4 mm hohem Gingivaformer.

Abb. 15: Zustand nach Eingliederung des außer Funktion stehenden Langzeitprovisoriums.

Abb 16: Röntgenkontrolle nach LZP-Eingliederung.

Abb. 17: Klinische Situation des alio loco versorgten Implantates elf Monate
postoperativ (Foto: Dr. Alexander Schinzel).

Abb 18: Röntgenologische Situation des Implantates elf Monate postoperativ
(Dr. Alexander Schinzel).

Das Bohrprotokoll und der Aufbau der Chirurgiekassette hat sich nur wenig geändert, sodass sich der erfahrene Camlognutzer nicht umgewöhnen muss. Der gewohnte Gewindeschneider wurde durch einen Dens Bone Drill ersetzt. Für den positionsgenauen Transfer der Implantatposition wurde intraoperativ ein Abformpfosten mit lichthärtendem, schrumpfungsarmem Kunststoff (Visioform, 3M ESPE) überzogen und mit den Nachbarzähnen verbunden. Dieser Übertragungsschlüssel wurde in ein vorbereiteres Modell eingebracht und im Labor ein vorbereitetes Schalenprovisorium angepasst. Die restliche Alveole wurde mit einem Gemisch aus zerkleinerter autologer PRFMembran und partikuliertem allogenen Knochenersatzmaterial (Maxgraft, CTBA) locker aufgefüllt. Da das obere Drittel der bukkalen Alveole fehlte, wurde hier bis zur Implantatschulter augmentiert. Mit einem koronal verschobenen Tunnel und einem Bindegewebstransplantat wurde der dünne Morphotyp verdickt und die Rezession therapiert. Lappen und Bindegewebstransplantat wurden mit 6/0 Polypropylen Nahtmaterial (Medipac, Kilkis) fixiert.

Dies diente gleichzeitig zur Abdeckung des partikulierten Knochenersatzmaterials. In den vier Stunden bis zur Fertigstellung des laborgefertigten Sofortschalenprovisoriums wurde das Implantat mit einem 4 mm hohen, zylindrischen Gingivaformer versorgt. Abbildung 16 und 17 zeigen die alio loco prothetisch versorgte Situation elf Monate nach Implantation. Röntgenologisch ist ein geringes Remodelling zu erkennen. Da das Bindegewebstransplantat während der Einheilung zum Teil exponiert war kam es zu einer Epithelinvagination, welche in einem Folgeeingriff noch korrigiert werden kann.

Fazit

Das Camlog Progressiv-Line-Implantat stellt eine eindeutigeVerbesserung und sinnvolle Erweiterung der bisherigen Camlog Implantatfamilie dar. Auf lange Sicht gesehen könnte es zum neuen Standard Implantat der Firma Camlog avancieren. Für chirurgisch tätige Kollegen wird ohne große Umgewöhnung im Vorgehen das Indikationsspektrum durch die vorhersagbarere hohe Primärstabilität und das Mikrogewinde bis hoch zur Implantatschulter deutlich erweitert. Eher prothetisch tätige Kollegen finden mit den unveränderten Innenverbindungen gewohnte Plattformen vor, um direkt im vertrauten prothetischen Protokoll mit diesem System arbeiten zu können.

Autoren

Dr. med. dent. Thomas Stumpf

  • 2009-2014 Zahnmedizin Studium an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • 2015 Promotion
  • 2015-2019 Vorbereitungs- u. Entlastungsassistent in unterschiedlichen Zahnarztpraxen
  • 2017-2018 Curriculum Implantologie der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI)
  • Seit 2019 Weiterbildung zum DG PARO-Spezialisten, Praxis Priv.-Doz. Dr. Dr. Markus Schlee & Dr. Florian Rathe M.Sc., Forchheim

Kontaktthomas.stumpf@32schoenezaehne.de

Websitewww.32schoenezaehne.de

Dr. Florian Rathe M.Sc.

  • 01.2003-05.2003 Praxis Dr. Rathe, Dr. Rössler & Dr. Dr. Rettig-Gammler, Wetzlar
  • 05.2003-10.2003 Praktische Tätigkeit u. Forschungsaufenthalt, Semmelweis-Universität u. Privatzahn. Praxis Dr. Windisch, Budapest, Ungarn
  • 12.2003-07.2005 Sektion für PA und zahn. Implantologie, Albert-Ludwig Universität Freiburg
  • 09.2007-07.2008 Parodontologisch-implantologischen Überweiserpraxis van Drie, Maastricht, Niederlande
  • 2008 Ernennung zum M. Sc. u. Spezialisten der EFP
  • 09.2008-12.2011 Privatzahn. Klinik „C1 Centre médico dentaire“, Genf, Schweiz
  • 2009 Ernennung zum Spezialisten der DG PARO
  • Seit Dez. 2011 Praxis Drs. Schlee & Rathe (Arbeitsschwerpunkte: PA, Implantologie), Forchheim

Kontakt: f.rathe@32schoenezaehne.de

Websitewww.32schoenezaehne.de

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Markus Schlee

  • 1980-1985 Studium der Zahnmedizin, Würzburg
  • 1985 Approbation und Promotion Zahnmedizin
  • 1986-1987 Vorbereitungsassistent bei der Bundeswehr
  • 1987-1989 Angestellter Zahnarzt in der Praxis Dr. Christian Lex, Nürnberg
  • Seit 1990 Niederlassung in Zahnarztpraxis in Forchheim, Schwerpunkte: PA, Implantologie, Mikrozahnheilkunde, rest. Zahnheilkunde
  • Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie (DGI)
  • Spezialist für Parodontologie (DGparo)
  • 2016 Habilitation und Lehrbefähigung für das Fach ZMK
  • Akademische Lehr- und Forschungseinrichtung, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M
  • Lehraufträge der APW, der DGI und DG PARO
  • Hochschul- und Universitätsdozent für versch. Masterstudiengänge in PA und Implantologie (Steinbeis-Hochschule Berlin, Uni Frankfurt, Uni Greifswald, Dresden Intern. University)

Kontakt: markus.schlee@32schoenezaehne.de

Websitewww.32schoenezaehne.de

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