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Periimplantitis Teil 1: Ätiologie, Diagnostik und Prävalenz

In der ersten Ausgabe pip 2015 konnten weder eine allgemein konsentierte Krankheitsdefinition noch einheitliche Diagnosekriterien zur Bestimmung periimplantärer Erkrankungen ermittelt werden. Einheitliche Standards zur Erfassung eines Krankheitsgeschehens sind jedoch für die valide Bestimmung der Krankheitslast in der Bevölkerung und für die Einschätzung der epidemiologischen Relevanz der Krankheit bzw. der Erkrankungshäufigkeit von grundlegender Bedeutung. Im vorliegenden ersten Teil der Literaturübersicht zu periimplantären Erkrankungen war daher von hohem Interesse, inwieweit zwischenzeitlich neue Erkenntnisse zur Ätiologie und Epidemiologie sowie konsentierte Diagnosestandards zum periimplantären Krankheitsgeschehen vorliegen. Aus Gründen der besseren Übersicht wurden die Bereiche Ätiologie, Diagnostik und Epidemiologie je nach Fragestellung der jeweiligen Publikation gesondert voneinander dargestellt, auch wenn dies nicht in jedem Fall trennscharf möglich war.

Ätiologie: Lokale Faktoren wie die Rauigkeit der Implantatoberfläche scheinen einen Einfluss auf den krestalen Knochenverlust zu haben. Demnach konnten bei Implantaten mit geringer Oberflächenrauigkeit signifikant geringere Verlustraten im Vergleich zu rauen bzw. moderat rauen Oberflächen ermittelt werden [Doornewaard, et al., 2017], während in einer anderen Publikation ein signifikanter Zusammenhang zwischen moderat rauen Oberflächen und einer geringeren Periimplantitis-Prävalenzrate beobachtet wurde [Rakic, et al., 2018]. Im Gegensatz dazu konnte in einer weiteren Publikation kein bzw. ein nur geringer Einfluss der Oberflächeneigenschaften von Implantaten ermittelt werden [Dreyer, et al., 2018]. Die Oberflächenbeschaffenheit und das Design der Abutments hatten keinen Einfluss auf die periimplantäre Gesundheit [Sanz-Martin, et al., 2018]. Auch das Abutmentmaterial hatte keinen Einfluss auf die Entstehung einer Periimplantitis [Sanz-Martin, et al., 2018] bzw. auf periimplantäre Knochenverluste [Sanz-Sanchez, et al., 2018]. Allerdings konnte bei Abutments aus Zirkonoxid eine geringere Blutungsneigung beobachtet werden als bei Titanabutments [Sanz-Martin, et al., 2018]. Der potenziell zytotoxische Einfluss freiwerdender Titanpartikel aus Dentalimplantaten auf die Schädigung der periimplantären Gewebe wurde in einer weiteren Übersichtsarbeit [Noronha Oliveira, et al., 2018] und einer Lang- zeitanalyse [Safioti, et al., 2017] diskutiert. Eine Verstärkung der Entzündungssymptomatik durch Titanpartikel wurde in einer Fallkontrollstudie angenommen [Pettersson, et al., 2019]. Die Art der Befestigung war ebenfalls Studiengegenstand bei mehreren Publikationen.

In einem systematischen Review wurden bei zementierten Suprastrukturen geringere periimplantäre Knochenverluste und höhere Implantatüberlebensraten als bei verschraubtem Zahnersatz ermittelt [Lemos, et al., 2016]. Zwei weitere Reviews gingen von erhöhten Risiken für die Entstehung einer Periimplantitis infolge von Zementüberschüssen im periimplantären Sulkus aus [Pesce, et al., 2015, Staubli, et al., 2017]. Das Zementmaterial hatte offensichtlich keinen Einfluss auf erhöhte Risiken für die Entstehung periimplantärer Erkrankungen [Garzon, et al., 2018, Staubli, et al., 2017]. Systemische Einflussfaktoren wurden in einem Großteil der Studien untersucht. Rauchen gilt in vielen Publikationen als begünstigender Einflussfaktor für die Entstehung periimplantärer Erkrankungen [Doornewaard, et al., 2017, French, et al., 2019, Schwarz, et al., 2017, Wada, et al., 2019]. Als zuverlässiger Vorhersageparameter für die langfristige Entstehung einer Mukositis oder Periimplantitis scheint sich Rauchen jedoch nicht zu eignen [Mazel, et al., 2019]. In einer Metaanalyse konnte zudem keine hinreichende Evidenz zum Faktor Rauchen als Risikofaktor ermittelt werden [Stacchi, et al., 2016]. In zwei Übersichtsarbeiten war die Evidenz für Rauchen als Risikofaktor limitiert [Stacchi, et al., 2016, Turri, et al., 2016].

Auch in Bezug auf den Einfluss einer parodontalen Vorerkrankung als begünstigendem Faktor für die Entstehung einer Periimplantitis liegen kontroverse Erkenntnisse vor. Einerseits konnten signifikante Zusammenhänge zwischen einer parodontalen Vorerkrankung beobachtet werden [Doornewaard, et al., 2017, Ferreira, et al., 2018, Sgolastra, et al., 2015, Sousa, et al., 2016]. Andererseits war in anderen Untersuchungen kein erhöhter Risikozusammenhang erkennbar [Stacchi, et al., 2016]. Zusammenhänge zwischen systemischen Erkrankungen und der Entwicklung einer periimplantären Erkrankung wurden im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit ebenfalls nicht beobachtet [Guobis, et al., 2016]. Zusammenhänge zwischen einer Diabetes bzw. Hyperglykämie und einer Periimplantitis konnten hingegen bestätigt werden, während die Beurteilung einer Korrelation kardiovaskulärer Erkrankungen mit einer Periimplantitis aufgrund der eingeschränkten Studienlage nicht möglich war [Monje, et al., 2017, Papi, et al., 2018].

Diagnostik: Eine einheitliche Definition periimplantärer Erkrankungen bzw. eine konsentierte Diagnostik konnte anhand der aktuellen Studienauswahl nicht bestätigt werden [Natto, et al., 2018, Ramanauskaite und Juodzbalys, 2016]. Als Parameter wurden in der Literatur Schmerzen im Bereich des Implantats, Mobilität des Implantats, Blutung bei Sondierung, Sondierungstiefe, Austritt von Pus/Exsudat und radiologisch feststellbarer Knochenverlust sowie Biomarker im Sulkusfluid vorgeschlagen. Biomarker im Sulkusfluid wurden einerseits als valide Parameter für eine Periimplantitisdiagnostik bezeichnet [Faot, et al., 2015], während andere Autoren von einer derzeit noch nicht ausreichenden Evidenz für ihre Verlässlichkeit ausgehen [Gomes, et al., 2018].

Auch die Bestimmung des mikrobiellen Profils scheint für die Periimplantitis-Diagnostik nicht auszureichen, da keine Unterschiede des Mikrobioms zwischen erkrankten und gesunden periimplantären Geweben zu bestehen scheinen [Rakic, et al., 2016]. In anderen Untersuchungen war im Gegensatz dazu eine andere Zusammensetzung der bakteriellen Flora im erkrankten Gewebe erkennbar [Lafaurie, et al., 2017]. Blutung bei Sondierung wurde in einer Literaturübersicht aufgrund der breiten Streuung der Ergebnisse und einem nicht vernachlässigbaren Anteil falsch positiver Diagnosen ebenfalls als unsicherer Vorhersageparameter eingestuft [Hashim, et al., 2018]. Dem entsprechend schwanken die Angaben zur Epidemiologie periimplantärer Erkrankungen nach wie vor sehr stark.

Prävalenz: In der Literatur werden Periimplantitis-Prävalenz- raten genannt, die zwischen 1,1-85,0 % [Dreyer, et al., 2018] bzw. 1,0-47,0 % [Derks und Tomasi, 2015] liegen und die vom jeweils eingesetzten Diagnoseparameter und den jeweiligen Schwellenwerten (z. B. Sondierungstiefen und krestale Knochenverluste) abhängig sind. Zu hoffen bleibt, dass die konsentierten Ergebnisse der führenden parodontologischen Gesellschaften zur Definition und Diagnostik periimplantärer Erkrankungen aus 2017 als Grundlage für zukünftige Studiendesigns akzeptiert werden, um eine einheitliche Grundlage zur Beurteilung der Krankheitslast periimplantärer Erkrankungen zu schaffen [Berglundh, et al., 2018].

Die ausführliche Ausarbeitung des Themas in der Rubrik  „kurz & schmerzlos“ finden Sie im PDF