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PRP, PRGF und PRF in der Implantologie

Seit seiner Einführung in den späten achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wird autolog gewonnenes Plättchenreiches Plasma in vielen Bereichen der Medizin eingesetzt. Durch die im Blutplasma enthaltenen Gerinnungs- und Wachstumsfaktoren (z.B. PDGF, VEGF und TGF-Beta 1) sollen u.a. physiologische Heilungsprozesse beschleunigt sowie die Gefäß- und Geweberegeneration verbessert werden [Martinez, et al., 2015]. Auch für den Einsatz in der regenerativen Zahnmedizin und der Implantologie gewinnen Plasmapräparate zunehmend an Bedeutung. Derzeit sind verschiedene Präparate auf dem Markt erhältlich, die sich nach der Herstellungsmethode sowie der zellulären Zusammensetzung der Plasmafraktion unterscheiden [Davis, et al., 2014, Dohan Ehrenfest, et al., 2009].

In pip k&s 1/2012 wurde der standardmäßige Einsatz der Plättchenkonzentrate in der zahnärztlichen Chirurgie durch die Aussagen der meisten hochwertigen, randomisiert kontrollierten klinischen Studien sowie systematischen Reviews und Meta-Analysen nicht gestützt. Bevor auf die Frage eingegangen wird, inwieweit die aktuelle Literaturauswahl zu neuen Erkenntnissen führt, werden für einen besseren Überblick die verschiedenen Präparate kurz vorgestellt. Pure platelet-rich plasma (P-PRP)/Plasma rich in growth factors (PRGF): Für die Gewinnung von P-PRP und PRGF stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Bei der klassischen Methode nach Anitua werden nach zweifacher Zentrifugierung und unter Einsatz sowohl von Antikoagulantien als auch Gerinnungsbildnern Plasma und Plättchen vom restlichen Blut getrennt. Man erhält drei typische Schichten, die aus leukozytenarmem Blutplasma als obere Schicht (platelet- poor plasma, PPP), dem eigentlichem P-PRP als mittlere Schicht (dem späteren so genannten „Buffy Coat“) und roten Blutkörperchen als untere Schicht bestehen.

Die Präparation an sich ist einfach, die vollständige Extraktion der PRP/PRGF-Schicht hingegen ist schwierig, da sie nach Augenmaß mittels Pipetten erfolgt. Inkonsistente Plättchenzahlen können die Folge sein und eine potenzielle Fehlerquelle darstellen. Mittels der BC-Methode nach Rutkowski kann das Fehlerpotenzial durch eine Erhöhung der Umdrehungszahl bei der Zentrifugierung reduziert werden. Bei der Zentrifugierung entsteht eine eigene plättchen- und leukozytenangereicherte Schicht, die sich mittels entsprechender Laborstandards einfacher extrahieren lässt. Leucocyte- and platelet-rich plasma (L-PRP): Der hauptsächliche Unterschied zwischen L-PRP und P-PRP liegt im unterschiedlich hohen Leukozytenanteil. Die Herstellung von L-PRP erfolgt durch eine initiale Zentrifugierung, mittels welcher zunächst – wie bei der Herstellung von P-PRP/PRGF – die oben beschriebenen drei Schichten entstehen.

Die PPP- und die P-PRP-Schichten (Buffy Coat) werden mit Pipetten oder dem Zusatz spezieller Gele extrahiert, um mittels letzterer die Trennung der einzelnen Fraktionen zu er- leichtern und den Ertrag an Blutplättchen und Leukozyten zu erhöhen. Nach erneuter Entfernung des restlichen PPP enthält das nun gewonnene L-PRP eine große Anzahl Blutplättchen, Leukozyten und Fibrinogen. Leucocyte-poor, bzw. Pure platelet-rich fibrin (P-PRF): In dieser Kategorie ist nur ein Präparat auf dem Markt erhältlich. PRFM wird unter Zusatz von Natriumzitrat als Gerinnungshemmer zentrifugiert, PPP und der Buffy Coat werden extrahiert und in ein zweites Reagenzglas mit Kalziumchlorid als Gerinnungsinitiator überführt. In einem zweiten Zentrifugierungsprozess bildet sich ein Pfropfen, der nur geringe Anteile an Leukozyten enthalten soll. Leucocyte and plateletrich fibrin (L-PRF): Die Gewinnung von PRF nach Choukroun ist eine einfache Methode, die ohne Zusatz von Antikoagulantien oder Gerinnungsbildnern auskommt. Die Koagulation der Thrombozyten ist beabsichtigt und erfolgt bei Kontakt des Blutes mit der Wand des Reagenzglases.Durch die Zentrifugation und den Einfluss des freiwerdenden Thrombins entsteht aus Fibrinogen eine Fibrinfraktion, die sich zwischen dem Blutserum und den roten Blutkörperchen einlagert. Nach ihrer Extraktion wird sie durch manuelles Pressen zwischen zwei sterilen Gazepads in einen Gel-Pfropf aus PRF umgewandelt. Im Pfropfen sind die meisten zellulären Bestandteile (Blutplättchen und Leukozyten) und Wachstumsfaktoren enthalten. Da nur ein bestimmtes Zeitfenster zwischen Blutentnahme und Herstellung des PRF zur Verfügung steht und beim Pressvorgang der Gehalt an Wachstumsfaktoren reduziert werden kann, sind auch bei diesem Verfahren Fehlerquellen vorhanden. In aktuellen In vitro-Untersuchungen wird der Zusatz von Leukozyten zudem kontrovers diskutiert, da er zusätzlich zu einer signifikanten Erhöhung von Entzündungsmolekülen und einer Reduktion in der Freisetzung von Wachstumsfaktoren führen soll [Anitua, et al., 2015].

In anderen Untersuchungen konnte das nicht bestätigt werden, da dort ein signifikanter Einfluss der Leukozyten auf eine erhöhte Abgabe von Wachstumsfaktoren aus L-PRF-Membranen messbar war [Dohan Eh- renfest, et al., 2012]. In tierexperimentellen Studien konnte keine verbesserte Knochenheilung nach Zugabe von PRP beobachtet werden [Hatakeyama, et al., 2008], während eine Kombination aus PRF und bovinem Knochenersatz zu erhöhten Knochenneubildungsraten führte [Wang, et al., 2015, Xuan, et al., 2014]. In klinischen Humanstudien waren ebenfalls unterschiedliche Effekte auf die Knochenheilung bei Verwendung von Plättchenpräparaten zu beobachten. So konnte bei Zugabe von P-PRP oder Choukroun’s PRF zu bovinem Knochenersatz oder autologem Knochen aus dem Beckenkamm bei Augmentation des Sinus maxillaris gleichermaßen keine signifikant erhöhte Knochenneubildung innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Eingriff beobachtet werden [Schaaf, et al., 2008, Taschieri, et al., 2015, Zhang, et al., 2012].

Auch auf die Implantatstabilität/die Implantat-Überlebensrate hatte PRP keinen signifikanten Zusatzeffekt in Verbindung mit autologen Beckenkammtransplantaten [Badr, et al., 2010] oder bovinem Knochenersatz [Torres, et al., 2009]. In einer klinischen Vergleichsstudie waren bei Gabe von PRF zwar eine Beschleunigung der Heilungsphase und der Knochenregeneration, aber ebenfalls keine signifikant verbesserte Primärstabilität bei Implantaten zu beobachten [Tatullo, et al., 2012]. In anderen Untersuchungen waren nach Sinusbodenelevation mit autologem Knochen signifikante Unterschiede sechs Monate post-OP messbar, die nach Ablauf dieses Zeitraums jedoch nicht mehr beobachtet werden konnten [Consolo, et al., 2007, Kumar, et al., 2015]. Auch in systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen konnte bei Eingriffen im Sinus maxillaris kein zusätzlicher Effekt auf die Knochenheilung [Arora, et al., 2010, Del Fabbro, et al., 2013, Plachokova, et al., 2008, Rickert, et al., 2012, Schliephake, 2015] oder die Implantat-Überlebensrate [Bae, et al., 2011, Esposito, et al., 2014] ermittelt werden.

Bei Gabe von PRP oder PRGF nach Zahnextraktion, bzw. Entfernung dritter Molaren waren entweder erhöhte Knochenneubildungsraten im Defektbereich [Antonello Gde, et al., 2013, Celio- Mariano, et al., 2012, Ntounis, et al., 2015, Ogundipe, et al., 2011, Rutkowski, et al., 2010] oder keine Effekte auf die Knochenbildung zu beobachten [Barona-Dorado, et al., 2014]. Obwohl aus dem klinischen Einsatz positive Erfahrungen berichtet werden, wird der standardmäßige Einsatz von Plättchenkonzentraten auf Grundlage der derzeitig verfügbaren Evidenz noch nicht ausreichend unterstützt. Die Aussagen in der Literatur lassen den Schluss zu, dass neben der Durchführung weiterer, hochwertiger Studien künftig ein noch größeres Augenmerk auf die Standardisierung der Herstellungsabläufe, die Reduktion möglicher Fehlerquellen und die richtige Auswahl des jeweiligen Präparats für den klinischen Einsatz gelegt werden sollte.

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