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Blutkonzentrate zur Regeneration

Blutkonzentrate: „Aufgrund der derzeit eingeschränkten Evidenz sind weitere Studien mit größeren Stichproben und längerem Follow up notwendig.“ So endet sinngemäß eine ganze Reihe systematischer Übersichtsarbeiten zur klinischen Wirksamkeit von Plättchen- und Leukozytenkonzentraten sowie Wachstumsfaktoren, die aus der Zentrifugation von Eigenblut gewonnen werden, obwohl Blutplasmakonzentrate bereits seit 50 Jahren zur Wundversorgung ihren Einsatz finden.

Mögliche Gründe für die noch ungesicherte Evidenzlage könnten in den unterschiedlichen Techniken zur Gewinnung der Konzentrate und den teils komplexen Wirkungsweisen der einzelnen Blutplasma-Bestandteile liegen. In der vorliegenden Literaturauswahl werden Publikationen vorgestellt, die sich mit dem Einsatz von Blutkonzentraten hauptsächlich im Bereich der Ridge Preservation, Sinusbodenelevation, Augmentation des Alveolarkamms und ihren Auswirkungen insbesondere auf den Heilungsverlauf, die Dimensionsstabilität der Weich- und Hartgewebe und die Osseointegration von Implantaten beschäftigt. Während nach Sofortimplantation nach PRF-Applikation kein Zusatznutzen auf die Implantatstabilität nach einem Jahr Beobachtungszeit festzustellen war [Diana, et al., 2018], führte eine beidseitige Sinusbodenaugmentation mit bovinem Knochen (DBBM) und L-PRF in einer Split Mouth-Studie zu einer signikant höheren Implantatstabilität als mit DBBM als alleinigem Augmentationsmaterial [Pichotano, et al., 2019].

Ergebnisse zweier systematischer Übersichtsarbeiten bestätigen den positiven Einfluss von PRF/L- PRF auf die Osseointegration von Implantaten während der initialen Einheilphase [Canellas, et al., 2019, Castro, et al., 2017]. Eine ganze Reihe von Publikationen beschäftigen sich mit dem Einfluss von PRF und Wachstumsfaktoren bei der Ridge Preservation (RP). So scheint sich die Applikation einer Membran aus L-PRF signifikant positiv auf den Heilungsverlauf und die postoperative Schmerzintensität auszuwirken [de Almeida Barros Mourão, et al., 2020, Dragonas, et al., 2019a]. Die Entnahme histomorphometrischer Proben zwei Monate nach Zahnextraktion und RP mit PRF ergab einen höheren Anteil neugebildeten Knochens als in der Gruppe mit Spontanheilung, allerdings ohne erkennbare statistische Signifikanz [Areewong, et al., 2019]. Zum gleichen Ergebnis kommt eine weitere RCT. In dieser wurde zwar eine röntgenologisch nachweisbare höhere Knochenneubildungsrate nach Gabe von PRF beobachtet, die jedoch ebenfalls keine statistische Signifikanz erreichte [Sharma, et al., 2020]. In weiteren RCT war im Gegensatz dazu nach RP eine signifikant größere Neubildungsrate in der PRF-Gruppe [Canellas, et al., 2020] bzw. in der A-PRF- Gruppe [Clark, et al., 2018] im Vergleich zur Kontrollgruppe mit physiologischer Einheilung zu beobachten. Zwei systematische Reviews bestätigen die signifikant bessere Knochenneubildung bei PRF-Applikation [Ghanaati, et al., 2018, Pan, et al., 2019]. Eine weitere Übersichtsarbeit bescheinigt PRGF eine beschleunigte Reepithelisierung, einen besseren Erhalt keratinisierten Gewebes und eine bessere Weichgewebsheilung [Del Fabbro, et al., 2019].

In Bezug auf die Reduktion postoperativer Beschwerden nach RP wirkt sich PRF ebenfalls günstig aus [Girish Kumar, et al., 2018]. Bei Betrachtung des Volumenverhaltens nach RP mittels PRF sind die Ergebnisse nicht konsistent. So war einerseits ein besserer klinischer Volumenerhalt nach PRF-Zusatz erkennbar [Girish Kumar, et al., 2018], wohingegen mittels DVT keine Volumenunterschiede sechs Monate nach PRF-Gabe fest- gestellt werden konnten [Hartlev, et al., 2020]. Während die Autoren einer systematischen Übersicht zum Schluss kommen, dass sich der Zusatz von PRF bei der RP nicht signifikant auf den vertikalen und horizontalen Erhalt des Alveolarkamms auswirkt [Lin, et al., 2019], beobachtete eine andere Autorengruppe eine bessere knöcherne Regeneration und einen besseren Erhalt des Alveolarkammvolumens [Pan, et al., 2019]. In einer weiteren Übersichtsarbeit wird die Evidenz für den signifikanten Einfluss auf postoperative Schmerzen, die Weichteilheilung sowie den klinischen Nutzen der PRF bei der RP und der frühen Osseointegration von Implantaten als mäßig bezeichnet [Strauss, et al., 2018].

Die Erkenntnisse nach Gabe von PRGF auf die Knochenneubildung bei RP und nach Sinusbodenelevation in Kombination mit Biomaterialien werden in einem systematischen Review als widersprüchlich bezeichnet. Allenfalls wird dabei ein gewisser Zusatznutzen auf die Weichgewebsheilung und die Reduktion postoperativer Schmerzen angenommen [Dragonas, et al., 2019b]. In einem weiteren Review wird der Einfl uss von rhPDGF-BB bei der Ridge Preservation als unklar bezeichnet [Yao, et al., 2018]. Beim Sinuslift scheint die Gabe von L-PRF [Dragonas, et al., 2019a] bzw. PRF in Verbindung mit Biomaterialien nicht zu einem Zusatznutzen zu führen [Ghanaati, et al., 2018, Liu, et al., 2019, Ortega-Mejia, et al., 2020]. Bei Zusatz von PRP im Zusammenhang mit Becken- kamm-Transplantaten zum Sinuslift wurden minderwertige Langzeitergebnisse im Vergleich zur alleinigen Beckenkamm-Transplantation ermittelt [Attia, et al., 2020]. Zwei weitere systematische Reviews ergaben keinen Zusatznutzen von PRP bei Sinuslift [Abdalla, et al., 2018, Stähli, et al., 2018]. Bei zusätzlicher Anwendung von Concentrated Growth-Faktoren waren fördernde Effekte auf die Osseointegration von Implantaten und die Knochenregeneration erkennbar [Lokwani, et al., 2020]. Der positive Einfluss von Plasmakonzentraten wird im postoperativen Management nach Entnahme von freien Schleimhaut- und Bindegewebstransplantaten genutzt.

So konnten bei Applikation von PRF, I-PRF, A-PRF und L-PRF als Wundverband postoperative Beschwerden signifikant reduziert und die Weichgewebsheilung signifikant verbessert werden [Bahammam, 2018, Kizıltoprak und Uslu, 2020, Lektemur Alpan und Torumtay Cin, 2020, Ozcan, et al., 2017, Sousa, et al., 2020, Temmerman, et al., 2018]. In nur einer RCT waren keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf postoperative Heilungsparameter bei Abdeckung mittels PRF-Membran im Vergleich zu einer Kollagenmembran feststellbar [Sharma, et al., 2019]. Trotz der derzeit noch unklaren Evidenz erlauben die aktuellen Erkenntnisse einen guten Einblick in das regenerative Potenzial und die vielfältigen klinischen Einsatzmöglichkeiten von Blutkonzentraten, die jedoch zukünftig durch entsprechende, hochwertige Studien validiert werden müssen.

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).