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Digitale Workflow: Teil I – Diagnostik

Zur bildgebenden Diagnostik in der Implantologie und der Implantatprothetik zählen in erster Linie dreidimensionale bildgebende Verfahren wie die Digitale Volumentomografie (DVT), Computertomografien (CT), sowie verschiedene optische Scansysteme, wie sie u. a. zur intraoralen Abformung verwendet werden. Bei der Evaluation von bildgebenden Systemen spielt naturgemäß die Genauigkeit eine große Rolle, mit welcher die klinische Situation digitalisiert wird. Hierbei ist es wichtig, Begrifflichkeiten wie die „Wirklichkeitstreue“ (Trueness) und die „Präzision“ (Precision) eines Verfahrens zu bestimmen und voneinander abzugrenzen. Wirklichkeitstreue beschreibt die Genauigkeit der digitalen Wiedergabe der klinischen Situation.

Die Präzision steht für die Konsistenz des Scanverfahrens, d. h. für die Übereinstimmung der einzelnen Scanvorgänge. Wichtig ist bei der vorliegenden Literatur die Feststellung, dass es sich in der großen Mehrheit der Studien um Wirksamkeitsstudien handelt, die die Aufgabe haben, eine bestimmte Technologie zu beschreiben und ihre Wirksamkeit in einem technischen Zusammenhang zu identifizieren. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass mehrheitlich In vitro-Studien zur Verfügung gestanden haben.

Genauigkeitsunterschiede zwischen konventionellen und digitalen Abformungen werden in der Literatur unterschiedlich beschrieben. Bei offener konventioneller Implantatabformung mittels Polyether konnten höhere dreidimensionale Abweichungen ermittelt werden als mittels Intraoralscan [Amin, et al., 2016]. Wurden für Vollkronen präparierte Zähne abgeformt, hatte der Präparationswinkel einen signifikanten Einfluss auf die Genauigkeit konventioneller Abformungen bzw. extraoraler Modellscans. Bei Verwendung eines Intraoralscanners konnten verlässlichere Ergebnisse erzielt werden, die durch die Neigung der Präparationswinkel nicht beeinflusst wurden [Carbajal Mejia, et al., 2017]. In einer anderen In vitro-Untersuchung wurden ebenfalls präparierte Zähne mittels verschiedener Intra- und Extraoralscanner abgeformt, ohne dass signifikante Abweichungen in der Präzision oder Größenunterschiede festgestellt werden konnten [Bohner, et al., 2017a, Lee, et al., 2017].

Im Gegensatz dazu führten Intraoralscans zu weniger genauen Ergebnissen als konventionelle Abformungen mittels Polyvinylsiloxan [Basaki, et al., 2017]. Auch bei Messungen der interimplantären Distanz von Implantaten in zwei verschiedenen Quadranten eines Kiefers waren Intraoralscanner ungenauer als Extraoralscanner [Flügge, et al., 2016a]. Andererseits ergaben andere In vitro- Studien, dass die direkte Digitalisierung des gesamten Kiefers zu genaueren Ergebnissen führt als die indirekte Digitalisierung mittels Extraoralscannern [Muallah, et al., 2017, Vecsei, et al., 2017]. Auch die Ergebnisse eines RCT ergaben bei Int- raoralscans eine bessere Passgenauigkeit und einen genaueren Kronenrandschluss [Ahrberg, et al., 2016]. Im Gegensatz dazu konnte in einer systematischen Literaturrecherche kein Unterschied in der Randschlussgenauigkeit nach konventioneller oder digitaler Abformung ermittelt werden [Tsirogiannis, et al., 2016]. Die wirklichkeitstreue Wiedergabe der intraoralen Situation ist bei Zahnlosen – unabhängig von der Art des Scanners – offensichtlich weniger gut ausgeprägt als im teilbezahnten Kiefer [Imburgia, et al., 2017].Grundsätzlich scheinen Intraoralscanner anderen Abformmethoden gegenüber ebenbürtig bzw. überlegen zu sein, wenn nicht der gesamte Kiefer, sondern lediglich ein Sextant abgeformt wird [Güth, et al., 2016, Rehmann, et al., 2017]. In einer systematischen Übersichtsarbeit wird auf Grundlage der verfügbaren Evidenz sogar empfohlen, den gesamten Kiefer konventionell statt digital abzuformen [Ahlholm, et al., 2016]. Das digitale Matching einer 3D-Bildgebung und Intraoralscans ist ein wichtiger Schritt des digitalen Workflows bei der Herstellung von Bohrschablonen für eine navigierte Implantatinsertion. Allerdings kommt es in Abhängigkeit von der Anzahl bereits vorhandener Restaurationen zu Artefakten, die zu signifikanten Abweichungen zwischen DVT- und Scandaten führen [Flügge, et al., 2016b]. Aber auch ohne Artefaktbildung scheint es zu Abweichungen zwischen der tatsächlichen Situation am Patienten und der digitalen Darstellung zu kommen, was zu Ungenauigkeiten bei der Herstellung der Bohrschablonen führt [Stimmelmayr, et al., 2017].

Insbesondere scheinen DVT signifikant erhöhte mesiodistale und vertikale, d. h. die Insertionstiefe von Implantaten betreffende Abweichungen der Planungsdaten zu beinhalten [Widmann, et al., 2016]. Bei MRT-Aufnahmen führt Zirkondioxid dabei zu weitaus größeren Artefaktbildungen als Titan, während im DVT die größten Artefakte bei Titan-Zirkondioxid-Legierungen entstehen [Smeets, et al., 2017]. Beim Einsatz einer Synchrotron Mikro-CT kann im Gegensatz zu den anderen bildgebenden Verfahren eine Artefaktbildung offensichtlich verhindert werden. Gleichzeitig werden sehr hohe Bildauflösungen erreicht [Neldam und Pinholt, 2014] und morphometrische Knochenindizes werden signifikant genauer dargestellt als mittels DVT und Mehrschicht Computertomogrammen [Van Dessel, et al., 2017]. Die Bildgebung mittels Synchrotron Mikro-CT bzw. Mikro-CT gilt aus diesem Grund als der Goldstandard zur Darstellung der Mikroarchitektur des Knochens [Neldam und Pinholt, 2014, Van Dessel, et al., 2017]. Mikro-CT liefert bei Ermittlung des BIC im Vergleich zu histologischen Untersuchungsergebnissen jedoch weniger genaue Ergebnisse als erwartet [Neldam, et al., 2017].

Die 3D-Bildgebung wird grundsätzlich empfohlen, wenn aufgrund der Schwierigkeit des jeweiligen Patientenfalls mit Komplikationen gerechnet werden kann [Shelley, et al., 2015] bzw. wenn Komplikationen bereits eingetreten sind [Bornstein, et al., 2017]. Einfache Panoramaschichtaufnahmen werden als Grundlage für die Implantatauswahl als völlig ausreichend eingeschätzt, sofern keine vulnerablen Strukturen in Implantatnähe sind und keine Notwendigkeit für die Durchführung augmentativer Maßnahmen besteht [Deeb, et al., 2017].

Zur Beurteilung periimplantärer Knochendefekte scheinen sich konventionelle Zahnfilme und DVT gleichermaßen gut zu eignen [Bohner, et al., 2017b]. Als problematisch wird von einigen Autoren noch immer die mit der 3D-Diagnostik verbundene Strahlendosis eingestuft [Bornstein, et al., 2014, Ludlow, et al., 2015]. Grundsätzlich ist festzustellen, dass im Bereich der digitalen Abformung und der 3D-Bildgebung gro- ße Fortschritte zu beobachten sind und große Verbesserungen bei der Praxistauglichkeit der Geräte zu verzeichnen sind. Den- noch gibt es offensichtlich praxisbezogene Situationen, in welchen konventionelle Methoden noch das Mittel der Wahl sind.

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