hero-ribbon

Neuigkeiten zur IDS hier auf www.frag-pip.de

Digitaler Workflow: Teil III – Prothetik

Die dritte Reihe unserer Übersichtsserie zum digitalen Workflow widmet sich der computerunterstützten Herstellung prothetischer Suprakonstruktionen. Diese ist das letzte Glied der digitalen Prozesskette der CAD/CAM-Technologie. Das Ziel CAD/CAM- gestützter Herstellungsverfahren ist die passgenaue Fertigung von Einzelkronen sowie ein- oder mehrgliedriger Brückengerüste bis hin zu Vollversorgungen des zahnlosen Kiefers. Bevorzugte Materialien zur CAD/CAM-Gerüstherstellung sind Titanlegierungen und Zirkonoxid, welche mittels Schleifeinheiten aus Blöcken gefräst oder im Druckverfahren hergestellt werden.

Zahlreiche Studien – die meisten davon sind In vitro-Untersuchungen – be- schäftigen sich mit der Passgenauigkeit und der Belastbarkeit von prothetischen Gerüsten in Abhängigkeit von ihrem Herstellungsverfahren, der Präparationsform und/oder des verwendeten Materials. Die Passgenauigkeit äußert sich im Rand- und Innenbereich (Intaglio) der Kronen als vertikale bzw. horizontale Abweichung sowie am spannungsfreien Sitz (Passive Fit) der Restaurationen. Bei großen Brückenrekonstruktionen und Ganzkieferversorgungen kann es bei konventionellen Gussverfahren zu Spannungen im Brückengerüst kommen, die mittels CAD/CAM- Verfahren umgangen werden sollen. Der so genannte Sheffield- bzw. Einschrauben-Test gibt Auskunft über den spannungsfreien Sitz der bedingt abnehmbaren auf Implantaten verschraubten prothetischen Vollversorgung im zahnlosen Kiefer. Dabei wird zur Befestigung der Suprakonstruktion nur eine Schraube im am weitesten distal liegenden Implantat angezogen, während die prothetische Rekonstruktion auf den restlichen Implantaten passiv aufliegt.

Der Test gibt somit auch Informationen über die vertikale Distanz im Spaltbereich der nicht befestigten Implantate. Aussagen zum Einfluss des jeweiligen Materials auf die Passgenauigkeit sind widersprüchlich. Bei der computernumerisch gesteuerter Fertigung (CNC) konnten bei Gerüsten aus Zirkonoxid in einer In vitro-Studie geringere mittlere Spannungswerte und ein besserer Passive Fit gemessen werden als bei Titangerüsten [Abduo, et al., 2012]. Umgekehrt konnte in einer weiteren In vitro-Studie ein signifikant besserer Sitz bei Titangerüsten im Vergleich zu Gerüsten aus Zirkonoxid oder verlöteten Gerüsten aus einer Goldlegierung beobachtet werden [Katsoulis, et al., 2013].

In einem systematischen Review kommen die Autoren zum Schluss, dass das Material auf die Passform der Gerüste nur einen minimalen Einfluss hatte [Abduo, 2014]. Ein anderer systematischer Review zeigte hingegen, dass die zervikale Diskrepanz, d. h. die Randspaltbildung am Kronenrand, von der Art des Restaurationsmaterials signifikant beeinflusst wird. So wurde bei Verwendung von Kobalt-Chrom und Titan zur CAD/CAM- Fertigung von Brückengerüsten eine geringere mittlere zervikale Diskrepanz beobachtet als beim Einsatz von Zirkonoxid [Papadio- chou und Pissiotis, 2017]. Bei CAD/CAM-gefertigten Kronenkäppchen aus leuzitverstärkten Glaskeramiken und aus Lithiumdislikat hatte das Material wiederum keinen Einfluss auf die Passform des Kronenrandes. Allerdings führte der nachfolgende Kristallisationsbrand der Keramikverblendung zu einer signifikant größeren aber dennoch klinisch akzeptablen Randspaltbildung bei den Kronen mit einem Gerüst aus Lithiumdisilikatkeramik [Gold, et al., 2017].CAD/CAM-gefertigte Kronen aus Hybridkeramikblö- cken scheinen im Randbereich ebenfalls zu besseren Ergebnissen zu führen als Kronen, die aus Lithiumdisilikatblöcken gefräst und anschließend einem Sinterungsbrand unterzogen wurden [Azarbal, et al., 2017]. Interessanterweise ergab eine systematische Literaturrecherche, dass bei mittels Presstechnik hergestellten Kronen aus Lithiumdisilikatkeramik eine geringere mittlere Randspaltbildung beobachtet werden kann als bei CAD-gefertigten Kronen, die ebenfalls aus Lithiumdisilikat hergestellt wurden [Mounajjed, et al., 2016]. Allerdings gaben die Autoren dieser Übersichtsarbeit zu bedenken, dass dies lediglich Ergebnisse aus In vitro-Studien waren, die keine Aussagen zur klinischen Relevanz zuließen.

Ergebnisse einer RCT zeigten, dass Kronen aus monolithischem Zirkonoxid im Vergleich zu Kronen aus Metallkeramik oder Lithiumdisilikat sowohl einen besseren Randschluss zeigten, als auch geringere okklusale Einschleifmaßnahmen notwendig machten [Batson, et al., 2014]. In einer weiteren RCT konnten zwischen konventionell abgeformten und im Labor gefertigten Keramikkronen und vier digitalen Workflow-Systemen keine signifikanten Unterschiede im Bereich der Kronenränder ermittelt werden. Die interne Passgenauigkeit der konventionellen Kronen war sogar besser, als die der digital gefertigten Kronen [Zeltner, et al., 2017].

Insgesamt jedoch scheint CAD/CAM-gefertigter Zahnersatz mittels subtraktiver (Fräsen) oder additiver Verfahren (3D-Druck) zu genaueren Ergebnissen und weniger Spannungen im Gerüst zu führen, als der konventionelle Guss von Werkstücken [de Franca, et al., 2015, de Franca, et al., 2017]. Allerdings hat die Präparationsform bzw. das Randdesign, unabhängig von der Herstellungsart des Zahnersatzes, scheinbar einen signifikanten Einfluss auf die zervikale Diskrepanz. So konnten in verschiedenen In vitro-Tests bei konventionell gegossenen Goldkäppchen auf Stümpfen mit einer Hohlkehlpräparation bessere Randschlussergebnisse er- zielt werden als bei CAD/CAM-gefrästen Goldkäppchen [Johnson, et al., 2017]. Demgegenüber war bei einer Randpräparation mit Abschrägung das CAD/CAM-Verfahren genauer. Die Pass- genauigkeit der Kronen konnte bei beiden Verfahren durch den zusätzlichen Einsatz eines Zahntechnikers entscheidend verbessert werden. Der positive Einfluss auf die Passgenauigkeit durch die manuelle Anpassung wird durch eine weitere In vitro- Studie bestätigt. So konnten nach Fertigung von viergliedrigen Brücken mittels verschiedener CAD/CAM-Systeme signifikante systemabhängige Unterschiede der Passform durch einen erfahrenen Zahntechniker ausgeglichen werden [Buchi, et al., 2014].

Der digitale Workflow scheint zu einer Effizienzsteigerung bei der Fertigung prothetischer Suprakonstruktionen beizutragen. Diese wird in mehreren klinischen Untersuchungen bestätigt [Bidra, et al., 2016, Joda und Bragger, 2015a, Joda und Bragger, 2015b]. Die meisten Autoren stellen fest, dass trotz der teilweise sehr unterschiedlichen Passgenauigkeitswerte, die mittels CAD/CAM-Verfahren erzielte Randpassung meist im noch klinisch akzeptablen Rahmen liegt. Trotz der vielversprechenden Resultate und der Erleichterungen im Fertigungsprozess der prothetischen Restaurationen ist die derzeitige Studienlage zu CAD/CAM-gefertigten implantatgestützten prothetischen Suprakonstruktionen jedoch limitiert. Es mangelt insbesondere an Langzeitergebnissen, die eine umfassende wissenschaftliche Beurteilung der digitalen Workflows ermöglicht [Patzelt, et al., 2015]. Auch können aufgrund des Mangels an hochwertigen RCT derzeit keine evidenzbasierten Aussagen zur Verlässlichkeit digitaler Workflows sowie keine sicheren Empfehlungen für ihren klinischen Einsatz gemacht werden [Joda, et al., 2017].

Mehr Informationen aus der Rubrik  „kurz & schmerzlos“ finden Sie im PDF