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Extraktionsalveole und Kammerhalt: Teil II – Sofortimplantation, Socket Shield, Scaffolds, Extrusion

Die Vielfalt an Techniken zur Ridge Preservation machte es, entgegen der Ankündigung in der letzten Ausgabe von pip k&s 4/2016 notwendig, den Beitrag „Extraktionsalveole und Kammerhalt“ nicht in zwei, sondern in drei Ausgaben abzuhandeln. Im nun vorliegenden zweiten Teil werden vornehmlich Methoden zur Ridge Preservation vorgestellt, die im weitesten Sinne innerhalb der Extraktionsalveole eingesetzt werden und die zu einer Stabilisierung des Alveolarfortsatzvolumens führen sollen. In Teil 3 werden u. a. chirurgische Maßnahmen zur Weichgewebsaugmentation und der Einsatz von Wachstumsfaktoren vorgestellt. Eine Sofortimplantation (Typ 1) scheint im ästhetisch sichtbaren Bereich zu einem ausreichenden Kammerhalt und zu einem ästhetischen Weichgewebsprofil zu führen, wie zwei systematische Reviews zeigten [Chen und Buser, 2014, Khzam, et al., 2015]. Allerdings zeigten die beiden Übersichtsarbeiten auch, dass Typ 1-Implantationen ein höheres Rezessionsrisiko beinhalten können als verzögerte Implantatinsertionen (siehe auch pip k&s 3/2015, Sofortbelastung und Sofortversorgung).

Andere Untersuchungen zeigten hingegen, dass bei einer zusätzlichen Sofortversorgung gute ästhetische Ergebnisse und geringere Weichgewebsverluste zu erwarten sind [Slagter, et al., 2014, Weigl und Strangio, 2016]. Ein Zugewinn keratinisierter Gingiva, der Erhalt des marginalen Gingivalevels und der Papillenhöhe sowie eine signifikante Volumenzunahme des Alveolarfortsatzes nach Sofortimplantation wurden neuerdings durch die Ergebnisse einer weiteren systematischen Übersichtsarbeit bestätigt [Lee, et al., 2016]. Die Kombination einer Sofortimplantation mit einer Weichgewebsaugmentation hatte im Tierexperiment zwar nur einen geringen Einfluss auf den Erhalt der Hartgewebe, führte aber zu einem signifikant höheren Weichgewebsvolumen [Caneva, et al., 2013]. In einer anderen Übersichtsarbeit war hingegen kein eindeutiger positiver Einfluss durch zusätzliche Weichgewebsaugmentationen erkennbar [Lin, et al., 2014].

Auch ein Platform Switching, der Verzicht auf die Bildung eines Mukoperiostlappens sowie eine provisorische Sofortversorgung ergaben keine eindeutigen Vorteile für eine Ridge Preservation. Die Füllung des Spalts zwischen Implantat und bukkaler Alveolenwand mit Knochen oder Knochenersatz konnte das Rezessionsrisiko ebenfalls nicht reduzieren. Ergebnissen einer Fallserie [Covani, et al., 2014] und einer randomisiert kontrollierten klinischen Studie (RCT) [Sanz, et al., 2016] zufolge war im Gegensatz zu den Ergebnissen des systematischen Reviews von Lin et al., nach Sofortimplantation und Spaltauffüllung mittels Knochenersatz jedoch ein signifikanter Erhalt der Alveolarfortsatzbreite erkennbar. Eine zusätzliche Platzierung von bovinem Knochenersatz auf die bukkale Knochenlamelle (Konturaugmentation) führte bei Sofortimplantation und Auffüllung des Spaltes zwischen Implantat und bukkaler Alveolenwand im Tierversuch nicht zu einem zusätzlichen positiven Effekt auf den Alveolarkammerhalt [Favero, et al., 2015]. Auch in einem RCT konnte kein zusätzlicher positiver Einfluss einer additiven Konturaugmentation auf die Ästhetik sowie zusätzlich auf die Erfolgs- und Überlebensraten von Implantaten ermittelt werden [Zuffetti, et al., 2013].In einer Kohortenstudie führte eine zusätzliche vestibuläre Augmentation mit xenogenem Knochen im Gegensatz dazu zu einem Zuwachs des Alveolarkammvolumens im Vergleich zu einer alleinigen Spaltauffüllung [Capelli, et al., 2013]. Eine kontrollierte klinische Studie ergab bei Sofortimplantation/Sofortversorgung plus Spaltauf- füllung mittels autologem Knochen einen besseren Volumenerhalt des Alveolarkamms, als ohne Defektauffüllung [Tarnow, et al., 2014]. Der in der vorgenannten Studie vermutete zusätzliche positive Einfluss der Formgebung durch den provisorischen Ersatz auf den Erhalt der Weichgewebe und des Alveolarfortsatzvolumens wurde durch die Ergebnisse mehrerer Fallserien bestätigt [Bruno, et al., 2014, Kolerman, et al., 2016, Saito, et al., 2016].

Trotz der guten Ergebnisse hinsichtlich Ästhetik, Volumenerhalt und Implantatüberleben ist derzeit aufgrund der Heterogenität der Designs und der Ergebnisse der vorliegenden Studien dennoch keine ausreichende Evidenz zum grundsätzlichen Zusatznutzen einer Sofortimplantation zur Ridge Preservation erkennbar. Es besteht die Forderung nach Einbeziehung von weiteren unabhängigen Variablen, wie dem Biotyp und dem Zustand der bukkalen Knochenwand in das Studiendesign kontrollierter Studien [Lee, et al., 2014, Lin, et al., 2014]. Eine Ridge Preservation mittels physiologisch geformter und an die Konturen der Extraktionsalveole angepassten Scaffolds (Gerüste, Gitter) ist ebenfalls Gegenstand mehrerer Untersuchungen [Asa’ad, et al., 2016].

Die Scaffolds können nach der Zahnextraktion mit oder ohne Aufbaumaterialien in die Alveole eingebracht werden. Sie bestehen entweder aus nicht resorbierbaren Materialien wie Titan [Lim, et al., 2015] oder Polypropylen (SocketKAP/ SocketKAGE), die in verschiedenen tierexperimentellen Studien untersucht wurden [Jiang, et al., 2016, Min, et al., 2016, Omran, et al., 2016, Ryu, et al., 2016, Zadeh, et al., 2016]. Auch resorbierbare Substanzen wie beispielsweise eine Kombination aus Polylaktid und Kalziumphosphat (OsteoScaf) [Araujo-Pires, et al., 2016] oder Polykaprolakton [Goh, et al., 2015] kommen zum Einsatz und wurden in klinischen Humanstudien untersucht.

Mehrheitlich waren die Ergebnisse nach Einsatz der Scaffolds vielversprechend, da sie zu einer Reduktion der Alveolarfortsatzresorption sowohl in intakten als auch kompromittierten Alveolen beitragen konnten [Min, et al., 2016, Omran, et al., 2016]. Die Socket Shield-Technik arbeitet nach dem Prinzip, dass nicht mehr erhaltungswürdige Zähne vor einer Sofortimplantation nicht mehr in toto extrahiert werden, sondern dass in der Regel das bukkale Wurzelsegment in der Alveole belassen wird. Zwischen Implantat und Zahnhartsubstanz bildet sich neu- er Knochen aus, der zu einer Osseointegration des Implantats führt [Bäumer, et al., 2015, Glocker, et al., 2014, Gluckman, et al., 2016a, Gluckman, et al., 2016b]. Trotz der guten klinischen Ergebnisse in Bezug auf die Ästhetik sollte aufgrund der fehlenden Langzeiterfahrungen die Socket Shield-Technik jedoch mit Bedacht eingesetzt werden [Gharpure und Bhatavadekar, 2016]. Die orthodontische Extrusion nicht mehr erhaltungswürdiger Zähne ist eine weitere Option für den Gewebserhalt und für die Schaffung eines ausreichend dimensionierten Implantatlagers [Alsahhaf und Att, 2016, Amato, et al., 2012]. Allerdings ist derzeit nicht bekannt, inwieweit eine Extrusion zu vergleichbaren Ergebnissen wie eine Alveolarfortsatzaugmentation führt, da die beiden Methoden bislang nie direkt miteinander verglichen worden sind [Magkavali-Trikka, et al., 2015].

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