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Extraktionsalveole und Kammerhalt: Teil I – Knochen und Knochenersatzmaterialien

Nach Zahnextraktion ist ein Verlust an Weich- und insbesondere Hartgewebe eine unvermeidbare Folge der Heilungsprozesse in der Extraktionsalveole. Der Volumenverlust im Bereich des Alveolarfortsatzes kann die Vorhersehbarkeit des funktionellen und ästhetischen Therapieergebnisses sowohl bei einer konventionellen als auch bei einer implantatgetragenen prothetischen Rehabilitation des Patienten erschweren. Primäres Ziel eines Kammerhalts (Ridge- oder Socket Preservation) ist es daher, ein ausreichend dimensioniertes Hart- und Weichgewebslager zu erhalten und Resorptionsvorgänge im Alveolarknochen weitestgehend zu verhindern. Für einen Alveolarkammerhalt stehen neben autologem Knochen eine große Auswahl Aufbaumaterialien in Granulat- oder Blockform zur Verfügung.

Membranen zur Gesteuerten Knochen- oder Geweberegeneration (GBR und GTR), Kollagenmatrix, Scaffolds sowie Wachstumsfaktoren bis hin zu bestimmten chirurgischen Techniken und Sofortimplantationen werden ebenfalls eingesetzt. Aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten wird der Beitrag in zwei Ausgaben der pip präsentiert. In Teil 1 werden hauptsächlich Studien vorgestellt, in welchen Knochen und verschiedene Knochenersatzmaterialien miteinander oder gegenüber einer physiologischen Heilung der Extraktionsalveole verglichen werden. Als Erfolgsparameter einer Socket Preservation wurden in den Publikationen hauptsächlich die mittlere Knochenneubildungsrate [Alkan, et al., 2013, Barone, et al., 2013a, Borg und Mealey, 2015, Brownfield und Weltman, 2012, Calasans- Maia, et al., 2014, Cardaropoli, et al., 2012, Cook und Mealey, 2013, El-Chaar, 2016, Eskow und Mealey, 2014, Mayer, et al., 2016, Schulz, et al., 2015, Takahashi, et al., 2013], der mittlere Anteil von Residualpartikeln des Aufbaumaterials [Borg und Mealey, 2015, Chan, et al., 2013, De Risi, et al., 2015, Eskow und Mealey, 2014, Nart, et al., 2016, Sadeghi, et al., 2016, Scheyer, et al., 2016, Whetman und Mealey, 2016, Wood und Mealey, 2012], die mittlere vertikale und/oder horizontale Veränderung [Barone, et al., 2013b, Brownfield und Weltman, 2012, Cardaropoli, et al., 2012, Pang, et al., 2014] und das Volumen des Alveolarfortsatzes [Araujo, et al., 2015, Pang, et al., 2014, Sbordone, et al., 2016] herangezogen.

Bei implantatbezogenen Parametern war die Implantaterfolgsrate [Apostolopoulos und Darby, 2016, Barone, et al., 2012, Chan, et al., 2013, Cosyn, et al., 2015, Mardas, et al., 2015] der bevorzugte Parameter, gefolgt vom Implantat-Stabilitäts-Quotienten (ISQ) [Alkan, et al., 2013, Pang, et al., 2016] und der Osseointegration [Pang, et al., 2014]. Weichgewebsparameter wie die Breite keratinisierter Gingiva [Barone, et al., 2013b, MacBeth, et al., 2016], Gingivarezessionen [Cardaropoli, et al., 2012, Cosyn, et al., 2015] und der klinische Attachmentlevel [Cardaropoli, et al., 2012], wurden seltener als Erfolgsparameter verwendet. Offensichtlich sind Resorptionsvorgänge nach Zahnextraktion trotz Ridge Preservation nicht aufzuhalten. Inwieweit kammerhaltende Maßnahmen die Resorptionsvorgänge zu einem gewissen Grad aufhalten können, ist derzeit unklar. Im Vergleich zur physiologischen Einheilung unbehandelter Alveolen konnte in einigen Untersuchungen die Resorption mittels Socket Preservation reduziert werden [Arau- jo, et al., 2015, Avila-Ortiz, et al., 2014, Willenbacher, et al., 2015].In einer randomisiert kontrollierten klinischen Studie (RCT) konnte im Gegensatz zu den Ergebnissen der vorhergehenden Untersuchungen eine Socket Preservation nicht zu einem signifikant besseren Kammerhalt beitragen [Brownfield und Weltman, 2012]. Insbesondere die Stärke und der Zustand der vestibulären Knochenlamelle können das klinische und ästhetische Ergebnis nach Socket Preservation beeinflussen. Eine kompromittierte bukkale Alveolenwand stellt dabei, ähnlich wie ein dünner Biotyp, einen signifikanten Vorhersageparameter für ein erhöhtes ästhetisches Risiko dar [Cosyn, et al., 2016]. Eine Korrelation zwischen der initialen Stärke der bukkalen Alveolenwand und dem Ausmaß an Knochenresorption konnte in einer weiteren RCT in der Testgruppe nicht beobachtet werden. In der Kontrollgruppe hingegen machte sich der Einfluss der bukkalen Wandstärke auf das Ausmaß der Resorptionsvorgänge noch deutlich bemerkbar [Cardaropoli, et al., 2014]. Bei der Untersuchung der Parameter Knochenneubildung, Residualpartikel in der augmentierten Alveole, horizontale und vertikale Dimensionsstabilität und Alveolarkammvolumen lag das Augenmerk insbesondere auf dem Einfluss des jeweiligen Augmentationsmaterials.

Zwischen Schmelzmatrixproteinen und xenogenem Knochen konnten bezüglich der Knochenneubildungsrate keine signifikanten Unterschiede gemessen werden [Alkan, et al., 2013]. Auch der ISQ unterschied sich in beiden Gruppen nicht [Alkan, et al., 2016]. Ein Unterschied im ISQ war aber auch nach Implantatinsertion in augmentierten oder unbehandelten Alveolen nicht messbar [Pang, et al., 2016]. Zwischen autologem und xenogenem Knochen [Schulz, et al., 2015] oder der Qualität des autologen Knochenaugmentats waren ebenfalls keine Unterschiede in den Knochenneubildungsraten zu ermitteln [Eskow und Mealey, 2014]. Auch in Abhängigkeit davon, ob Extraktionsalveolen unbehandelt belassen oder augmentiert wurden, konnten – unabhängig vom jeweiligen Aug- mentationsmaterial – keine unterschiedlichen Neubildungsraten im Knochen beobachtet werden [Barallat, et al., 2014, Brown- field und Weltman, 2012, Cardaropoli, et al., 2012, Mayer, et al., 2016]. Allerdings sprechen Ergebnisse anderer Untersuchungen dagegen.

Eine RCT ergab eine höhere Knochenneubildungsrate in unbehandelten im Vergleich zu mit bovinem Knochen augmentierten Alveolen [Heberer, et al., 2011]. Ein systematischer Review ergab im Gegensatz dazu eine höhere Knochenneubildung nach Augmentation mit xenogenem Knochen im Vergleich zur physiologischen Heilung nach Zahnextraktion [Chan, et al., 2013]. Wenn xenogener oder synthetischer Knochenersatz verwendet wurden, konnten sechs Monate nach Socket Preservation noch große Anteile von Residualpartikeln in der Extraktionsalveole festgestellt werden [Chan, et al., 2013]. Xenogener Knochen führt offensichtlich zu einem besseren Volumenerhalt [Araujo, et al., 2015, Schneider, et al., 2014] und zu einer geringeren vertikalen und/oder horizontalen Resorption des Alveolarkamms als andere Materialien [Barone, et al., 2013b, Cardaropoli, et al., 2012, Jambhekar, et al., 2015, Jung, et al., 2013]. Allerdings ist die derzeitige Evidenz zum Zusatznutzen von Maßnahmen zum Kammerhalt noch immer sehr limitiert.

Ebenso liegen keine schlüssigen Erkenntnisse vor, welches der verschiedenen Aufbaumaterialien zu einem signifikant verbesserten Behandlungsoutcome führt und wie sie sich langfristig auf die nachfolgende Implantattherapie auswirken [Atieh, et al., 2015, De Risi, et al., 2015, Kassim, et al., 2014, Willenbacher, et al., 2015].

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