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Kosten & Nutzen der Implantattherapie I: Fachliche Aspekte

In der aktuellen Ausgabe der Rubrik kurz & schmerzlos wird der Fokus auf der Analyse der Behandlungskosten, der damit verbundenen finanziellen Belastung sowie auf die Bewertung verschiedener Therapiemaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrer Kosten-Nutzen-Effekte gelegt. Das zeigt u. a. die neue Studienrubrik „Gesundheitsökonomische Evaluationen“, welche die kostenbezogene Seite zahnärztlicher/implantatprothetischer Therapiemaßnahmen vorstellt. Nicht nur unter dieser Rubrik, sondern auch in den Zusammenfassungen der anderen Studientypen finden sich daher zahlreiche Begriffe aus dem Bereich der Ökonomie. Beim Kostenbegriff geht es insbesondere um den Gewinn oder Verlust von Ressourcen und die ökonomischen Konsequenzen der Krankheit.

Der Verlust von Ressourcen infolge einer geringen Wertschöpfung bzw. Erkrankung wird überwiegend nach dem Humankapitalansatz ermittelt. Dabei wird die gesamte Produktivität des Individuums ab dem Ereigniszeitpunkt (zahnärztliche Therapie) berücksichtigt, die die Person ohne dieses Ereignis statistisch noch hätte erbringen können. Durch die ökonomische Modellierung werden die indirekten Kosten einer Behandlungsmaßnahme ermittelt. Die direkten Kosten werden anhand der Ausgaben für präventive Maßnahmen, für (zahn-)ärztliche Therapien sowie Rehabilitation und Pflege bestimmt. Eine typische Form der Modellierung stellt die Methode nach Markov dar. Das Markov-Modell orientiert sich stärker als andere gesundheitsökonomische Modelle am klinischen Denken. Ein Patient befindet sich in diesem Modell je untersuchtem Zeitintervall stets in genau einem bestimmten Zustand von Gesundheit oder Krankheit.

Mit jedem neuen Zeitzyklus kann sich der Krankheitszustand ändern. Mithilfe des Modells lassen sich insbesondere chronische Erkrankungen gut abbilden. Markov-Modelle wurden in der vorliegenden Literaturauswahl insbesondere in Wirtschaftlichkeits-Analysen verschiedener Behandlungsalternativen eingesetzt. So wurde die Versorgung einer Einzelzahnlücke mittels Implantat langfristig als wirtschaftlicher gegenüber einer konventionellen dreigliedrigen Brücke eingestuft [Chun, et al., 2016, Korenori, et al., 2018, Teranishi, et al., 2019]. In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit konservierender endodontischer Maßnahmen zum Zahnerhalt im Vergleich zu einer Implantattherapie sind die Erkenntnisse uneinheitlich. Während die Implantatbehandlung in einer gesundheitsökonomischen Evaluation als die wirtschaftlichere Lösung eingestuft wurde [Pennington, et al., 2009], ergab ein Review, dass ein Zahnerhalt gegenüber einer Behandlung mit einem Implantat und auch gegenüber einer Brücke die wirtschaftlichere Variante ist [Kim und Solomon, 2011].

Auch im Falle von Molaren mit Furkationsbeteiligung scheint der Zahnerhalt kostengünstiger zu sein als ein Implantat [Schwendicke, et al., 2014]. Bei der Periimplantitisbehandlung hingegen scheint die kostenintensivste Therapiemaßnahme mit Laser, gesteuerter Knochenregeneration und Knochentransplantaten auch die wirksamste Therapiealternative zu sein [Schwendicke, et al., 2015].

An diesem Beispiel wird deutlich, dass in gesundheitsökonomischen Entscheidungsanalysen für eine bestimmte Behandlungsmethode neben kostenorientierten Überlegungen auch der Behandlungs-Outcome (Nutzen) berücksichtigt werden muss. Um sowohl die Kosten als auch den Nutzen zweier Behandlungsalternativen miteinander vergleichen zu können, wird die inkrementelle Kosten-Nutzen- Relation (IKNR) zur Berechnung eingesetzt. Die IKNR wird wie folgt berechnet: I K N R = (KostenA – KostenB) [Wessels, 2019].

So kann auf lange Sicht u. U. die teurere Behandlungsalternative, z. B. eine Implantatversorgung die wirtschaftlichere Lösung sein. Entscheidend jedoch für die Umsetzung der teureren Behandlungsalternative ist die jeweilige individuelle Zahlungsbereitschaft des Patienten. Die Messung der Zahlungsbereitschaft dient dazu, die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Humankapitalansatzes zu ersetzen. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Geldbetrag ermittelt wird, den ein Individuum etwa für eine Verlängerung der (Zahn-)Lebenszeit, eine Verringerung von Krankheitsrisiken und die Befreiung von Schmerzen zu zahlen bereit ist [Henke und Martin, 2006].

Die „Kaufentscheidung“ ist dabei das Resultat eines vorgeschalteten multifaktoriellen Prozesses, an welchem u. a. die psychische Komponente des Kunden (Patienten) und der Preis für die Therapie entscheidend beteiligt sind. Die Entscheidung, eine Einzelzahnlücke mittels Implantat statt mit einer konventionellen Brücke zu versorgen, hängt in hohem Maß von den Kosten der Implantatbehandlung ab, wie zwei koreanische Studien ergaben [Chun, et al., 2016, Kim, et al., 2014].

Eine andere Untersuchung an Probanden aus der Schweiz hingegen zeigte, dass die Kaufentscheidung von dem Zugewinn an Lebensqualität beeinflusst wird. So waren im ehemals zahnlose Patienten mehrheitlich nicht dazu bereit, ihren Zugewinn an Lebensqualität durch die implantatprothetische Unterkieferversorgung auf zwei interforaminalen Implantaten mit einer hohen Geldsumme zu finanzieren [Sendi, et al., 2017].

Dass dies sich nicht immer so verhält, zeigte eine aktuelle Kohortenstudie. Dort führte ein zusätzliches drittes Implantat im Unterkiefer zwar zu einer Verbesserung der Sprechfähigkeit und der Prothesenstabilität – und somit auch der Lebensqualität. Weniger als die Hälfte der Probanden war jedoch bereit, für die zusätzliche Versorgung mehr Geld auszugeben [Emami, et al., 2019].

In einer brasilianischen Studie ergab eine Kostenmodellierung über einen 20-jährigen Zeitraum bei der Versorgung mit Unterkieferzahnersatz auf zwei Implantaten eine IKNR, die noch unterhalb der berechneten Schwelle zur Zahlungsbereitschaft lag, und somit für Patienten die attraktive Therapieoption darstellen würde [Probst, et al., 2019]. Ein systematischer Review ergab, dass die Bereitschaft, eine Implantatbehandlung zu bezahlen, bei den Probanden der in die Analyse eingeschlossenen Studien grundsätzlich hoch zu sein scheint [Vogel, et al., 2013].

Die Patientenzufriedenheit stellt einen weiteren Faktor dar, der die Zahlungsbereitschaft und die Therapieentscheidung beeinflusst. So führt ein implantatgestützter Zahnersatz bei zahnlosen Patienten zu einer höheren Zufriedenheit. Hohe Kostenfaktoren und die Adaptationsfähigkeit der Patienten können jedoch die Entscheidung für konventionellen Zahnersatz fördern [Sharka, et al., 2019]. Andererseits kann die Patientenzufriedenheit die Wirtschaftlichkeitsschwelle in der Form beeinflussen, dass sie sich für die kostenintensivere Lösung entscheiden [Listl, et al., 2014]. Es zeigt sich dabei, dass die individuelle Bereitschaft des Patienten höhere Kosten zu tragen grundsätzlich da ist, dabei aber in hohem Maße von dem jeweiligen Kostenschwellenwert abhängt [Jensen, et al., 2017]. Patientenspezifische Parameter wie Alter, Geschlecht, sozio-ökonomischer Status und Sozialstatus haben einen signifikanten Einfluss auf die Therapiewahl. So wurden u. a. Patienten mit einem hohen sozioökonomischen Status viel häufiger mit Implantaten versorgt [Peacock und Ji, 2017, Reese, et al., 2015].

Die ausführliche Ausarbeitung des Themas in der Rubrik  „kurz & schmerzlos“ finden Sie im PDF.