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Sofortbelastung und -versorgung

Sofortbelastung und -versorgung: ​Die ehemals in der zahnärztlichen Implantologie angewandte Maxime, Implantate erst nach ihrer Einheilung zu belasten, hat sich in den letzten Jahrzehnten relativiert. In pip k&s 3/2015 wurden die in der Implantologie derzeit gängigen Definitionen der prothetischen Belastungs- und Versorgungszeitpunkte von Implantaten bereits beschrieben. Die in der wissenschaftlichen Literatur angegebenen Zeitintervalle sind dabei nicht einheitlich und unterliegen gewissen Schwankungen.

Im vorliegenden Fall erfolgt die Orientierung der Belastungsintervalle wie in pip 3/2015 anhand der ITI-Konsensuskonferenzen der Jahre 2003, 2009 und 2013 sowie dem Review der Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2013. So wird zwischen dem Sofortbelastungsprotokoll (< 1 Woche) und dem frühen bzw. konventionellen Belastungsprotokoll unterschieden (≥ 1 Woche ≤ 2 Monate bzw. > 2 Monate). In allen drei Belastungsprotokollen werden die Implantate durch die prothetische Versorgung okklusal und funktionell belastet. Wie die vorliegende Literaturauswahl zeigt, werden Sofortbelastungsprotokolle vorwiegend bei der implantatprothetischen Versorgung zahnloser Patienten als Behandlungsoption eingesetzt, sie wurden aber auch im Rahmen von Einzelzahn- bzw. Teilversorgungen als Therapieprotokoll gewählt [Cheng, et al., 2020, Chidagam, et al., 2017, Esposito, et al., 2018, Merli, et al., 2020, Stacchi, et al., 2018]. Dabei scheint auch die Sofortbelastung von sofort versorgten Implantaten bei Einzel-/Teilversorgung in Bezug auf die klinischen und ästhetischen Ergebnisse eine gangbare Behandlungsoption zu sein.

Auch zwischen einer Sofort- und einer Frühbelastung von Einzelimplantaten konnten in einer Metaanalyse keine Unterschiede in den klinischen Parametern (krestaler Knochenverlust, Über- lebensraten) ermittelt werden [Pigozzo, et al., 2018]. Im Rahmen einer Sofortversorgung werden Implantate innerhalb von 72 Stunden nach Insertion mit (provisorischem) Zahnersatz versorgt, der in der Regel ohne okklusale und funktionelle Kontaktbeziehungen gestaltet ist. Die Sofortversorgung kann sowohl im Zusammenhang mit einer Sofortimplantation oder einer konventionellen Implantation im ästhetisch sichtbaren Bereich durchgeführt werden. Daher steht in vielen klinischen Studien zur Sofortversorgung im Gegensatz zur Sofortbelastung das ästhetische Ergebnis im Fokus der Untersuchungen. Eine konventionelle implantatprothetische Versorgung erfolgt demgegenüber nach einer (unversorgten) Einheilphase, die in ihrer Zeitdauer ebenfalls variabel ist. Offensichtlich führt dabei eine Sofortversorgung nicht zu einer signifikant besseren Ästhetik gegenüber einer konventionellen implantatprothetischen Behandlung. Ergebnisse mehrerer RCT zeigten sowohl bei Sofortversorgung von Sofortimplantaten [Chan, et al., 2019] als auch bei Sofortversorgung konventionell inserierter Implantate im ausgeheilten Alveolarknochen [den Hartog, et al., 2016, Donos, et al., 2019, Esposito, et al., 2018] keine ästhetischen Unterschiede.

Gleich gute klinische Ergebnisse konnten auch bei einer Sofortimplantation mit Sofortversorgung der Implantate sowohl mit als auch ohne Augmentationsmaßnahmen mit kollagenhaltigem, deproteinisiertem bovinem Knochen ermittelt werden [Bittner, et al., 2020]. Allerdings konnten die Augmentationsmaßnahmen einen Volumenverlust des Alveolarfortsatzes nicht verhindern. In Bezug auf den Erfolgsparameter „krestaler Knochenverlust“ konnten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen einer konventionellen Versorgung und einer Sofortversorgung ermittelt werden [Chan, et al., 2019]. Wurden Implantate sofort versorgt und der festsitzende Zahnersatz nach dem Zufallsprinzip mit oder ohne okklusale Kontakte gestaltet, waren weder signifikante Unterschiede im krestalen Knochenverlust noch in den Implantatüberlebensraten und der Patientenzufriedenheit zu beobachten [Vogl, et al., 2019]. Auch in einem aktuellen systematischen Review, welches mit sieben RCT durchgeführt wurde, konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Implantatüberlebensraten, krestale Knochenverluste oder hinsichtlich der Höhenunterschiede im Weichgewebe (Papillen und Gingivarand) nach Sofortbelastung oder konventioneller Belastung und Sofortversorgung ermittelt werden [Cheng, et al., 2020]. Zwischen einem Sofort- und frühen Belastungsprotokoll wurden in einer weiteren Übersichtsarbeit ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Überlebensraten oder krestale Knochenverluste bei Einzelimplantaten beobachtet [Pigozzo, et al., 2018].

In Bezug auf die klinischen und röntgenologischen Ergebnisse bei Sofortbelastung bzw. konventioneller Belastung von implantatgetragenem Zahnersatz im zahnlosen Kiefer scheint es ebenfalls keine Unterschiede zu geben, wie der Großteil der RCT und systematischen Übersichtsarbeiten zeigt. Dabei wurden in den meisten Abstracts die Ergebnisse ohne Unterscheidung zwischen Ober- und Unterkiefer präsentiert. Dass die trennscharfe Unterscheidung von Relevanz ist, zeigt der Review von Del Fabbro et al., in welchem für den Unterkiefer signifikant höhere kumulative Implantatüberlebensraten ermittelt wurden als für den Oberkiefer [Del Fabbro, et al., 2019]. Es gibt aber auch aktuelle Metaanalysen, die aufgrund einer erhöhten Prävalenz der Implantatverlustraten bei Sofortbelastung dem konventionellen Belastungsprotokoll den Vorzug geben [Pardal-Peláez, et al., 2020, Zhang, et al., 2017]. Eine Sofortbelastung durchmesserreduzierter oder kurzer Implantate scheint ebenfalls zu vergleichbar guten Ergebnissen wie die von Standardimplantaten zu führen [Bielemann, et al., 2019, Cannizzaro, et al., 2018, Reis, et al., 2019, Zygogiannis, et al., 2018]. Auf die Patientenzufriedenheit hatte die Art des Belastungsprotokolls keinen langfristigen, signifikanten Einfluss [Abdunabi, et al., 2019, Al Jaghsi, et al., 2020, Huynh-Ba, et al., 2018, Kronstrom, et al., 2017, Merli, et al., 2020, Reis, et al., 2019, Vogl, et al., 2019]. Trotz der überwiegend positiven Studienlage in Bezug auf den klinischen Erfolg des Sofortbelastungsprotokolls sollten die derzeitigen Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden [Gallardo, et al., 2019, Helmy, et al., 2018].

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).