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Systemische Erkrankungen

Systemische Erkrankungen (SE) betreffen zwar meist nur ein bestimmtes Organsystem, sie werde aber als systemisch bezeichnet, da sie sich nicht nur auf dieses Organ, sondern auch auf den gesamten Körper und somit auch auf die oralen Hart- und Weichgewebe auswirken können. Insbesondere in der Implantologie ist dies von großer Bedeutung, da eine erfolgreiche Implantatbehandlung sowohl von der knöchernen als auch der weichgeweblichen Integration der Implantate abhängt. Nicht nur die systemische Erkrankung kann sich fatal auf den Implantaterfolg auswirken, sondern auch die Medikation, die mit der Behandlung der Grunderkrankung einhergeht.

In der vorliegenden Literaturübersicht liegt der Fokus u. a. auf Diabetes, Autoimmun- und kardiovaskulären Erkrankungen. Auch die Therapien der SE und ihr Einfluss auf die Gesundheit oraler Gewebe durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Immunsuppression bei Organtransplantation, Protonenpumpen-Inhibitoren, Antihypertensiva, Statinen sowie Strahlentherapien aufgrund maligner Neoplasien sind Bestandteil der Literaturrecherche. Die Osteoporose und ihre Therapien werden mit aufgeführt, aber mit Hinweis auf die ausführliche Abhandlung zum Einfluss von Antiresorptiva in der Ausgabe pip 5/2018 knapp abgehandelt. 

In systemisch bedingten Fällen ist eine Gingivitis bzw. periimplantäre Mukositis nicht Plaque-induziert, sondern in erster Linie auf die systemische Ursache zurückzuführen, wobei auch hier Mischformen aus einer zusätzlich plaquebedingten Weichgewebsentzündung vorliegen können. Auf den periimplantären Knochen direkt wirken sich Bestrahlungen, eine Osteoporose unter bestimmten medikamentösen Behandlungsprotokollen sowie maligne Knochentumore aus [Aghaloo, et al., 2019, Chen, et al., 2013]. Bei letzterer Entität ist es wichtig, eine maligne Neoplasie im Implantatbereich von einer herkömmlichen Periimplantitis differentialdiagnostisch abzugrenzen, da sich das klinische Erscheinungsbild ähneln kann [Pinchasov, et al., 2017].

SE haben laut einer groß angelegten Querschnittsuntersuchung mit 22.009 Probanden eher einen Einfluss auf die Entstehung von Karies und Parodontitis, wohingegen in Bezug auf Periimplantitiden keine Angaben gemacht werden. Die gleiche Studie ergab, dass Rauchen eher einen Risikofaktor für die Entstehung einer periimplantären Erkrankung darstellt, als eine SE. Alleine der Verzicht auf Rauchen würde demnach das Risiko für eine periimplantäre Erkrankung um 39,0 % senken [de Araújo Nobre und Maló, 2017]. Der Diabetes Typ 2 und seine Auswirkungen auf das periimplantäre Hart- und Weichgewebe, die Implantatüberlebensraten und die Periimplantitis-Entstehung ist der am häufigsten untersuchte Einflussparameter in der aktuellen Literatur.

Die Aussagen zum Einfluss eines Diabetes sind dabei nicht einheitlich. Nach der Definition der American Diabetes Association (2012) liegt ein schlecht eingestellter Diabetes dann vor, wenn der HbA1c-Wert >8,0 % ist. In einer Fall-Kontroll-Studie konnte jedoch bereits ab einem mittleren HbA1c-Wert >6,1 % ein signifikanter Zusammenhang zu erhöhten Sondierungstiefen und periimplantärem Knochenverlust im Vergleich zu Probanden mit einem HbA1c-Normwert beobachtet werden [Abduljabbar, et al., 2017]. In zwei Reviews konnte kein Zusammenhang zwischen einer Blutzuckerkontrolle und Implantatverlust nachgewiesen werden [Oa- tes, et al., 2013, Shi, et al., 2016]. Drei Übersichtsarbeiten hingegen zeigten, dass ein gut eingestellter Diabetes von entscheidender Bedeutung für den Implantaterfolg [Nau- jokat, et al., 2016], die Überlebensraten [Kotsakis, et al., 2015] und die Prävention einer Periimplantitis war [Ting, et al., 2018]. Eine weitere Studie konnte keine Unterschiede in den klinischen und röntgenologischen Parametern zwischen Patienten mit oder ohne Diabetes identifizieren [Alasqah, et al., 2018].

In einem systematischen Review konnten höhere Implantatverlustraten während der Osseointegration und während des ersten Jahres unter Belastung bei Diabetikern beobachtet werden [Annibali, et al., 2016]. Allerdings wurden in der Übersicht nur Probanden mit gut eingestelltem Diabetes in die Analyse einbezogen. Diabetes stellte in anderen Übersichten keinen Risikofaktor für Implantatverluste dar [Chen, et al., 2013, Gomez-de Diego, et al., 2014, Guobis, et al., 2016]. Allerdings gaben die Autoren einer der Arbeiten an, dass die in die Analyse einbezogenen Studien nicht zwischen gut oder schlecht eingestelltem Diabetes unterschieden [Chen, et al., 2013]. Auch in einer Metaanalyse [de Oliveira-Neto, et al., 2019] und einem Review [Chrcanovic, et al., 2014] konnten keine erhöhten Implantatverlustraten bei Patienten mit Diabetes ermittelt werden. Allerdings bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen Diabetes und einem erhöhten periimplantären Knochenverlust [Chrcanovic, et al., 2014, de Oliveira-Neto, et al., 2019, Meza Mauricio, et al., 2019, Monje, et al., 2017, Moraschini, et al., 2016], unabhängig von der Qualität der glykämischen Kontrolle [Lagunov, et al., 2019]. Bei Augmentationen werden bei Patienten mit Diabetes eine gesteuerte Knochenregeneration statt der Einsatz von Blockaugmentaten empfohlen. Sinusbodenelevationen sollten nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen [Ladha, et al., 2017].

Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie ließen den Schluss zu, dass das Ausmaß einer Periimplantitis offensichtlich eher durch den Blutzuckerspiegel als durch nachweisbare Entzündungsparameter (IL-1beta, IL-6) beeinflusst wird [Al-Askar, et al., 2018]. Eine immunsuppressive Therapie stellt offensichtlich keinen erhöhten Risikofaktor für eine Osseointegration [Radzewski und Osmola, 2016], Periimplantitis [Hernandez, et al., 2019] oder Implantatverluste dar [Paredes, et al., 2018]. Auch Patienten mit Autoimmunerkrankungen (Morbus Crohn, Sjögren Syndrom, Lupus Erythematodes) zeigten keine signifikant erhöhten Implantatverlustraten [Duttenhoefer, et al., 2019, Guobis, et al., 2016, Strietzel, et al., 2019]. Abschließend ist festzustellen, dass es nur wenige absolute medizinische Kontraindikationen für eine Implantatbehandlung gibt. Bestimmte Erkrankungen können jedoch ein erhöhtes Risiko darstellen und die Verlust- und Komplikationsraten bei Implantatbehandlungen erhöhen. Das Ausmaß der Erkrankung stellt eher einen Risikofaktor dar als die Erkrankung an sich [Diz, et al., 2013].

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF.