Für die Firma BTI gibt es dieses Jahr ein Jubiläum zu feiern. Vor 25 Jahren wurde das Unternehmen in Spanien gegründet. Höchste Zeit für ein Interview mit Prof. Dr. Eduardo Anitua, Gründer und Wissenschaftlicher Leiter des BTI Biotechnology Institute.
Herr Prof. Dr. Anitua, wie entstand vor 25 Jahren im baskischen Vitoria die Idee, das Biotechnology Institute (BTI) zu gründen?
Eduardo Anitua: Zunächst einmal habe ich nach meinem Studium eine lange Zeit in der MKG-Chirurgie gearbeitet, bevor ich meinen Fokus auf die Oralchirurgie und die orale Rehabilitation legte. Vor mehr als 35 Jahren gehörte ich in Spanien zu den Pionieren in der Implantologie und brachte diese Therapie zu meinen Patienten. Zur Gründung von BTI kam es, weil mich eines in der Medizin störte: Dass es so viele Regeln und Dogmen gab, die nicht hinterfragt wurden. Und immer wieder wurden diese Dogmen aufgeweicht. Warum? Weil wir durch wissenschaftliche Untersuchungen mehr Informationen hatten, als die, die diese Regeln vorher aufgestellt hatten. Deshalb habe ich mit BTI mein eigenes Forschungsinstitut aufgestellt, um die bestehenden Regeln der Medizin und Zahnmedizin immer wieder überprüfen zu können.
Hat sich dieser Weg denn gelohnt?
Absolut. Heute arbeiten etwa 50 Wissenschaftler in Vollzeit in der Forschung bei BTI. Was uns ausmacht ist die interdisziplinäre Arbeit. Bei uns arbeiten Informatiker und Experten für künstliche Intelligenz gemeinsam mit Materialingenieuren, Oberflächeningenieuren, Biologen, Chemikern sowie natürlich Zahnärzten und Ärzten. Gemeinsam diskutieren wir alles. Wir lesen viel, nicht nur über die Zahnmedizin und Oralchirurgie, sondern wir haben auch ein hervorragendes Labor für das Tissue Engineering aufgebaut.
Ist das Tissue Engineering der Schlüssel zum Erfolg für BTI?
Das zeigt zumindest meine Erfahrung aus 30 Jahren, die ich parallel zur Implantologie am Tissue Engineering gearbeitet habe. Wir haben die Plasmatechnologie PRGF nicht nur entwickeln und patentieren lassen, sondern verwenden diese in allen Bereichen der regenerativen Medizin. Ich nutze es sowohl bei den implantologischen OPs wie auch anderen chirurgischen Eingriffen, etwa bei Extraktionsdefekten, um den Knochen in den bestmöglichen Zustand zu regenerieren und so die besten biologischen Voraussetzungen für den Patienten vor der Implantation zu schaffen. Unsere Daten bestätigen die Erfolgsquoten durch dieses Vorgehen.
Aber BTI beschränkt sich ja nicht nur auf die Implantologie oder die Zahnmedizin, oder?
Das stimmt. Durch die guten Erfahrungen in der Regeneration, die wir bei BTI über die Jahre gemacht haben, entstand die Idee, PRGF auch in andere medizinische Bereiche zu übertragen. Dadurch entwickelten sich erste Kontakte mit anderen Fachbereichen. Heute arbeiten wir intensiv mit Dermatologen, in der Orthopädie, in der Chirurgie und in der Sportmedizin, um beispielsweise Bänder, Sehnen oder Muskeln zu regenerieren.
Ist das typisch für Ihr Unternehmen, dieser Blick über den Tellerrand hinaus?
Wir haben bei BTI drei Forschungsschwerpunkte. Ein Schwerpunkt ist natürlich die regenerative Medizin. Diese wird nicht nur in der oralen oder maxillofazialen Chirurgie angewendet, sondern auch, wie bereits erklärt, in anderen medizinischen Fachbereichen. Unser zweiter Schwerpunkt ist die orale Implantologie, wobei wir unseren Fokus dabei auf den minimal-invasiven Ansätzen mit vorhersagbaren Behandlungserfolgen legen. Unser drittes Standbein ist die die Prävention und Behandlung von Schlafstörungen sowie die Verbindung zwischen Schlafapnoe, Bruxismus und oralen Erkrankungen.
Ein Konzept, auf das Sie auch viel Wert legen, ist die Desintegration. Was hat es damit auf sich?
Als wir vor über 35 Jahren mit Implantaten angefangen haben, dachte jeder, dass diese ein Leben lang halten würden. Tatsächlich wissen wir heute, dass einige Patienten Probleme nach der Implantation haben. Leider gehört es zu meiner Arbeit, Fälle zu behandeln, die in anderen Praxen durchgeführt wurden und bei denen Periimplantitis oder andere Probleme aufgetreten sind, oder bei denen das ästhetische Ergebnis nicht zufriedenstellend ist und die Patienten nach Alternativen suchen. Deshalb ist es wichtig, das Konzept der Desintegration zu entwickeln, bei dem man ein Implantat in einer falschen Position oder mit Periimplantitis entfernen und neu anfangen kann. Das ist oft die vorhersagbarste Option.
Ist es denn immer besser, alles zu entfernen und neu zu planen?
Wenn ein Implantat nicht mehr zu retten ist, ist es am besten, es so schnell wie möglich zu entfernen. Das Problem ist, dass bei einem großen Defekt mit kontaminierter Oberfläche und schlecht erhaltenem Weichgewebe es vorhersehbarer ist, den Knochendefekt zu regenerieren, als den Knochen um ein kontaminiertes Implantat herum. Aus diesem Grund verfolge ich diesen Ansatz, der durch unsere positiven klinischen Erfahrungen bestätigt wird. Natürlich beobachte ich auch andere Ansätze, und es gibt Fälle, in denen es vorhersagbar ist, eine kleine Periimplantitis zu behandeln. Aber bei großen Defekten ist es sehr schwierig, ein gutes ästhetisches und funktionelles Ergebnis zu erzielen.
Die Digitalisierung in der Implantologie ist für BTI kein neues Thema. Wie ist hier der Stand?
Das Thema der geführten Chirurgie ist ein heißes Thema, da es für uns wichtig ist, ein Werkzeug zu haben, das uns hilft, die richtige Richtung einzuhalten. Aus diesem Grund haben wir vor vielen Jahren eine digitale Software, BTI-Scan, entwickelt. In 100 Prozent unserer Fälle arbeiten wir mit einer digitaler Planung. Tatsächlich nutzen wir diese Software auch zur Planung und kombinieren dabei die Informationen, die wir aus dem DVT und einem Intraoralscan erhalten, um unsere EIngriffe präzise zu planen und durchzuführen. Doch dies funktioniert nur, wenn man mit Präzision und nach strengen Protokollen arbeitet. Das Design und die Produkte, die wir entwickeln, sind einzigartig und unsere Patente. Ich hoffe, dass es ein gutes Instrument für alle Chirurgen wird, die mit dieser Technik arbeiten möchten.
Vielleicht noch ein paar Sätze zu der Bedeutung von Fortbildung für BTI.
Fortbildung ist ein großes Thema für BTI. Der wichtigste Punkt für uns ist nicht, dass BTI viele Implantate verkauft. In unserer Philosophie ist es wichtig, dass die Zahnärzte sehr gute Ergebnisse erzielen. Deshalb ist das Continuing Education Program essenziell für uns. Jedes Jahr kommen mehr als 1.500 Zahnärzte und Zahnärztinnen aus aller Welt zu uns nach Vitoria, um von uns zu lernen, Meinungen auszutauschen und Konzepte zu teilen. Wir legen großen Wert auf Offenheit und freuen uns, neue Technologien, Informationen und künstliche Intelligenz in unsere Arbeit zu integrieren, um die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern. Für alle, die uns besuchen möchten, bietet BTI nicht nur ein tolles Lernerlebnis, sondern auch eine besondere Kulinarik, denn die baskische Küche gehört zu den besten der Welt.