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Academy of Osseointegration (AO): Große Ehre und Verpflichtung

Nicht nur war er nach Michael Norton der erst zweite Europäer, der eine Mitgliedschaft im Vorstand der renommierten AO – Academy of Osseointegration erringen konnte, nun freut sich Prof. Dr. Jörg Neugebauer als President Elect auf die allererste deutsche Präsidentschaft in dieser international führenden Gesellschaft.

Welches sind die Ziele der Academy of Osseointegration (AO) und wie unterscheidet sie sich von europäischen Fachgesellschaften?

Jörg Neugebauer: Mit über 4000 Mitgliedern in mehr als 70 Ländern gilt die Academy of Osseointegration als die führende internationale Vereinigung auf dem Gebiet der dentalen Implantologie, und seit Anbeginn im Jahr 1982 zeichnet sie ein sehr hoher Praxisbezug aus. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die an Universitäten tätigen Fachleute in den USA durchweg auch eine private Praxis unterhalten und damit nie den Bezug zu den täglichen An- und Herausforderungen verlieren. So war beispielsweise auch die Bedeutung von Patienten- und Mitarbeiterführung, die bei anderen Fachorganisationen erst langsam ins Bewusstsein dringt, schon seit jeher thematischer Bestandteil bei der Academy of Osseointegration. Die Gesellschaft vereinigt in sich daneben ganz gezielt Fachleute mit sehr unterschiedlichen Interessen und Hintergründen, um sowohl die Wissenschaft als auch die beste klinische Praxis in der Implantologie voranzutreiben. Hier kommen Spezialisten ebenso wie Allgemeinzahnärzte zusammen, um die optimale Patientenversorgung auf Grundlage aktueller evidenzbasierter Wissenschaft und Materialien zu gewährleisten. Mir ist das Credo der AO dabei sehr sympathisch: Wir haben die Spezialisten, aber die Arbeit wird in der täglichen Praxis gemacht, also muss diese bestmöglich unterstützt werden. 

Haben Sie einen amerikanischen Hintergrund, oder wie wird ein Deutscher President Elect der AO?

Jörg Neugebauer: Nein, ich bin ein badisches Reingewächs, war aber, weil mich eben der praxisorientierte Zugang so begeisterte, seit 1995 durchgängig an allen Tagungen der AO und wurde dann auch eines der nur 100 Fellow Members – nach mir sind das aus Deutschland nur noch Prof. Dr. Fouad Khoury und Prof. Dr. Christian Mertens. 

Ich habe immer wieder meine wissenschaftlichen Ergebnisse präsentiert, darüber im Jahr 2002 sogar einmal den Preis für die beste Posterpräsentation gewonnen, und habe noch während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der Universität Köln in vielen Committees der AO mitarbeiten dürfen. So war ich zunächst Mitglied, dann aber auch Leiter des Clinical Innovations Committees und konnte in dieser Zeit bei den Jahrestagungen auf über 200 Teilnehmer in meiner Session zurückblicken. 

Die AO ist nicht nur praxis-, sondern auch leistungsorientiert: Man kann nicht Präsident werden, nur weil man irgendwann einmal lange genug in der Gesellschaft die Zeit abgesessen hat, sondern muss sich zuvor durch erfolgreiche Arbeiten in den unterschiedlichen Committees beweisen. Auch einen der alle vier Jahre zu einem spezifischen Thema stattfindenden internationalen AO Summit konnte ich aktiv mitgestalten. So habe ich nun die besondere und große Freude, 2024 in Charlotte als Nachfolger des von mir hochverehrten Prof. Dr. Hom-Lay Wang Präsident der AO werden zu dürfen und damit auch die Jahrestagung 2025 in Seattle maßgeblich mitzugestalten.

Was sind für Sie die aktuellen Themen und Trends in der dentalen Implantologie?

Jörg Neugebauer: Man sollte meinen, es läge auf der Hand, aber tatsächlich rücken nun erst die Patient Oriented Results, also der Patientennutzen der Behandlung, viel mehr in den Vordergrund. Industrie und Lehre werden sich des Weiteren darauf einstellen müssen, dass die Behandler zunehmend vereinfachte Behandlungsabläufe einfordern. Unsere Generation ist noch mit dem Märklin- oder Fischer-Metallbaukasten groß geworden, nachrückende Generationen haben solche grundlegenden Formen mechanischer Arbeiten gar nicht mehr einüben können. Verkünstelte Mechaniken und Techniken kann und wird es daher nicht mehr geben.

Die einst notorische Diskussion ‚Wo sind die Daten?‘ ist bei der jungen Generation ebenfalls viel weniger ausgeprägt. Bisweilen haben es damit heute Methoden oder Techniken leichter, die nicht den Ballast einer langen Historie mit sich schleppen und direkt im digitalen Modus einsteigen. Das stellt solide Wissenschaft und evidenzbasierte Konzepte nicht in Abrede, aber sie werden sich immer der Frage stellen müssen, wie rasch und einfach sie praktisch umsetzbar sind. Statt uns in entlegene Sphären zu verkünsteln, wird viel mehr betont werden, was ‚auf der Straße‘ passieren muss. Das ist tatsächlich etwas, was mir beim amerikanischen Zugang äußerst sympathisch ist und wovon wir in Deutschland und Europa sicherlich lernen können: Du musst Leistung bringen und überzeugen, aber dann werden die Dinge auch sehr schnell umgesetzt. 

Welche Ziele setzen Sie sich als President Elect und später Präsident der AO, was sind Ihre Visionen?

Jörg Neugebauer: Natürlich kann ich den Umstand nutzen, ganz persönlich eine Brücke zwischen Deutschland, Europa und den USA zu bilden, um den gegenseitigen Austausch und die Befruchtung zu fördern und auszubauen, beispielsweise allein durch meine leitende Tätigkeit beim BDIZ EDI und meine Mitgliedschaft in weiteren Fachgesellschaften wie der EDA, der EAO und vielen mehr. Daneben wird unter meiner Präsidentschaft die Jahrestagung ein gänzlich neues Format erhalten, eine noch internationalere Ausrichtung erfahren, gezielt die junge Generation einbinden und die digitale Wissensvermittlung deutlich mehr in den Mittelpunkt stellen. Nicht zuletzt liegt mir als Associate Editor im renommierten JOMI sehr daran, auch in diesem international hoch angesehenen Journal Wissenschaft und Praxisnutzen deutlich mehr zu verbinden.

Herzliches Dankeschön, Herr Prof. Neugebauer, und unsere herzlichen Glückwünsche.