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CAMLOG: Im Unruhestand

Nicht zuletzt die Tatsache, dass auch die Übergabe des Staffelstabs nach mehr als 20 Jahren der Gründungs-, Auf- und Ausbauarbeit an die heutigen CAMLOG-Geschäftsführer Martin Lugert und Markus Stammen ruckelfrei und geschmeidig erfolgte, zeichnet Michael Ludwig aus. Bereits beim Abschied aus dem operativen Geschäft war klar, dass man ihn künftig nicht nur auf dem Tennisplatz antreffen würde. Heute ist er beratend für die Henry-Schein-Gruppe und CAMLOG tätig, unterstützt Start Up-Unternehmen als Business Angel und arbeitet in verschiedenen Kommissionen im Senat der Wirtschaft mit, in den er berufen wurde.

Interview mit Michael Ludwig

pip: Sie beobachten es ja nun mehr vom Spielfeldrand – wie sehen Sie die Entwicklung der Dental- und insbesondere der Implantat-Industrie im Zeichen der Digitalisierung?

Michael Ludwig: Ich sehe, dass unsere Branche gerade einen gewaltigen Wandel durchmacht. Firmenfusionen, Konzentrationsprozesse, das Verschwinden von etablierten Dentalunternehmen, Wettbewerbsintensität, Preisdruck und Personalmangel sind Zeichen von Veränderung. Wer jetzt keine Performance bietet, wird sich in Zukunft nicht behaupten können.

Zum Verständnis hilft ein Blick auf die Evolutionstheorie. Schon Darwin wusste, dass nicht der Stärkste oder der Schnellste überlebt, sondern derjenige, der bereit ist zum Wandel.

Alle Branchen sind weltweit in einem rasanten Veränderungsprozess begriffen. Autohersteller werden zu Mobilitäts-Dienstleistern, Maschinenbauer werden zu Anlagenbetreibern, Banken verändern sich durch Apps und Green Finance. Da ist es doch klar, dass die Dental- und Implantat-Industrie davon nicht unberührt bleibt.

Die bisherigen Geschäftsmodelle vieler Hersteller sind bereits unter Druck, neue Geschäftsmodelle entwickeln sich. Unsere Kunden verlangen zunehmend komplette Lösungen statt einzelner Produkte. Ziel muss es sein dem Kunden Komplexität abzunehmen und ihm Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette anzubieten. Das sind im Einzelfall nicht nur verschiedene Produkte, sondern vor allem auch Serviceleistungen und Mehrwerte.

Der Kunde wird dadurch entlastet, kann sich voll darauf konzentrieren Patienten zu behandeln und gewinnt damit an Wettbewerbsfähigkeit.

Meiner Meinung nach sind es vor allem zwei Bereiche, die in Zukunft Wachstum generieren. Zum einen steigt mit zunehmendem Patientenbewusstsein die Nachfrage nach kosmetischen/ ästhetischen Behandlungen und Implantaten weiter an. Zum anderen sind es die kontinuierlichen Innovationen auf Herstellerseite, die den Umsatz vorantreiben – vor allem in den von der Digitalisierung beeinflussten Bereichen wie Prothetik, Diagnose oder IT. Aber auch Beratungsdienstleistungen und Schulungsmaßnahmen werden noch stärker zunehmen.

Digitalisierung bleibt also die größte Herausforderung. Ich bin überzeugt unsere Branche hat eine große Zukunft – wenngleich diese anders aussieht als die Vergangenheit.

pip: Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen in Bereichen wie einer erfolgreichen Unternehmenskultur, Mitarbeiterbindung und -führung?

Michael Ludwig: Heute muss ich in meinem Bereich zu den Besten gehören – vorzugsweise der Beste sein. Dies muss uns in der Mehrzahl unserer Aktivitäten gelingen, wobei Fehler kein Tabu sind, sondern Chancen, schnell zu lernen. Und wenn ich Erfolg habe, kann und muss ich den Mitarbeitenden und der Gesellschaft etwas zurückgeben.

Für viele UnternehmerInnen sind ihre Mitarbeitenden aber unbekannte Wesen. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass eine gute Unternehmenskultur der größte Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen ist. Unternehmenskultur muss aber von oben vorgelebt werden, damit sie im konstruktiven Miteinander verstanden wird.

Heute ist es elementar, Mitarbeitende in die Prozesse der Wertentwicklung, Neuausrichtung und Nachhaltigkeit einzubinden. Um zu erkennen, dass Handlungsidentifikationen eine Rolle spielen, dass Sinn auch in dem kleinsten Arbeitsschritt liegt und Leitbilder gelebt werden.

Unternehmen brauchen eine Haltung und einen Daseinszweck. Früher waren Umsatz und Gewinn in der Regel die wichtigsten Gradmesser für den Erfolg eines Unternehmens. Heute reicht das bei weitem nicht mehr. Purpose ist ein relevanter Faktor in der Unternehmensführung.

Gute und effiziente Unternehmensführung verlangen nicht nur eine Partnerschaft „auf Augenhöhe“, sondern in gewissem Maße zunehmend auch eine Anpassung „auf Altershöhe“. Denn die Rezepte von gestern und vorgestern taugen samt ihrer Promotoren und Gralshüter in einer dynamischen Wirtschaft nur sehr bedingt für morgen.

In einer Zeit, in der Geschwindigkeit und die Fähigkeit, sich verändern zu können, zu einem existenziellen Erfolgsfaktor werden, müssen UnternehmerInnen dringend ihre Hausaufgaben machen und erkennen: „Die Menschen machen das Geschäft.“

pip: Wie sehen Sie analog die Entwicklung der ´Zahnarztpraxis 4.0´– welche Rolle wird der Zahnarzt zukünftig vornehmlich einnehmen?

Michael Ludwig: Das Berufsbild „Zahnarzt“ unterliegt ­einem starken Wandel durch die Digita­lisierung und die Demografie. Wir erleben derzeit einen disruptiven Strukturwandel, der dem bisherigen Goldstandard der Einzelpraxis andere Berufsausübungsformen zur Seite stellt. Neben dem Generationenwechsel wird die Zahnmedizin zukünftig zu 70 Prozent von Frauen getragen. Und die jüngere Generation hat auch ganz andere Vorstellungen, wie sie ihr Leben und ihr Berufsleben gestalten will. Jobsharing- und Teilzeitmodelle werden wesentlich stärker in den Vordergrund treten.

Veraltete Technologien und mangelnde digitale Kompetenz hemmen in vielen Praxen das Patientenerlebnis. Mit der Zahnarztpraxis 4.0 stehen wir aber mitten in einer sich wandelnden Welt. Vorangetrieben von Vernetzung, Mobilität, Big Data, Cloud Computing, Smart Industry, Robotik und künstlicher Intelligenz. Praxen, die ihre Digitalisierung, sowohl nach extern wie auch intern, nicht im Griff haben, werden bald ins Hintertreffen geraten.

Wenn neue Technologien Aufgaben übernehmen und Prozesse erleichtern, wird automatisch eine Effizienzsteigerung in den Praxen zu verzeichnen sein.

Zahnärzte und Zahnärztinnen sollten den Fokus auf die Patienten als Menschen, die Mitarbeitenden als wertvolle Assets und das digitale Patientenerlebnis als Treiber für Wachstum und Strategie richten.

Der Zahnarzt rückt also immer mehr Bereichen in den Mittelpunkt des Geschehens und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen.

pip: Welche Herausforderungen muss die Praxis im Zuge von eHealth bewältigen?

Michael Ludwig: Der E-Health-Markt verzeichnet ein Marktvolumen, das auf weltweit 200 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Nach dem Arzneimittelmarkt und der Medizintechnik ist der E-Health-Markt in Europa der drittgrößte Wachstumsmarkt. Ärztlicher Rat im Netz, Videosprechstunden, Online-Terminvergabe und Roboter, die als Arzt eingesetzt werden: Das ist keine Zukunftsvision mehr. Vieles davon hat man in den letzten 12 Monaten schon gesehen und erlebt.

Die personalisierte Medizin, verstanden als das umfassende Streben nach den besten persönlichen Chancen auf Vermeidung und Heilung von Krankheit und auf Verbesserung der Gesundheit, wird die Zahnarztpraxen und unsere Branche in den kommenden Jahren nachhaltig prägen und verändern.

Websites, Mobile Apps und Wearables verzeichnen neue Kunden in nie dagewesener Anzahl. Der Patient hat deutlich mehr Daten zu seinem Gesundheitszustand; die Daten sind umfassender und von besserer Qualität. Darüber hinaus verfügen Patienten über vielfältige Möglichkeiten, diese Daten zu analysieren und interpretieren zu können. Der Patient entwickelt sich immer mehr zum Einkäufer von Gesundheitsdienstleistungen.

Für den gesamten Gesundheitsmarkt und damit auch für die Zahnmedizin hat eHealth also eine gravierende Bedeutung und wird sich mit rasantem Tempo weiterentwickeln.

pip: Wie tickt die ´Generation Z´ in der Zahnmedizin?

Michael Ludwig: Die Gen Z tickt in der Zahnmedizin auch nicht anders als sonst. Durch meinen Sohn Tim bekomme ich immer wieder spannende Einblicke in die Welt der jungen Leute, ihre Gedanken bei alltäglichen Kaufentscheidungen oder auch wichtigen Themen wie Ausbildung und Arbeitgeberwahl. Die Gen Z ist die am besten ausgebildete Generation, mit der wir es je zu tun hatten. Entgegen aller Klischees ist sie keine digital verseuchte Generation. Das Zentrale ist viel eher, wie sie ihre digitalen Kommunikationskanäle nutzt.

Sie ist auslandserfahren, fast immer online, fordernd, gesundheits- und umweltbewusst und hat neue Ansprüche an Arbeitszeitmodelle. Mitten in einer digitalen Welt aufgewachsen sind sie gewohnt, eine Flut digitaler Informationen zu verarbeiten und zu nutzen. Das prägt ihr Verhalten, ihre Kommunikation, ihren Konsum und ihre Erwartung an den Arbeitsalltag.

Heute bereits stellt sie 30 % der Weltbevölkerung, wird 2025 ca. 30 % des Bruttoeinkommens in Deutschland erwirtschaften und in einigen Jahren ein Drittel aller Verbraucher weltweit ausmachen. Somit ist sie die größte Käufer- und Patientenschicht und bietet Industrie und Praxen enorme Zukunftschancen.

Das Gute für unsere Branche ist dabei: Fast die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen hat eine App auf ihrem Smartphone, um ihre Gesundheit oder Fitness zu tracken. Studien zeigen, dass sie bereit sind für ihre Gesundheit mehr Geld auszugeben. Als Digital Natives sind sie es aber gewohnt, dass Dinge schnell gehen, über das Smartphone zu erledigen sind und man dementsprechend schnelles Feedback bekommt.  Zahnarztpraxen, welche diese Gen als Patienten ansprechen wollen, müssen sich schnellstens vom Fax verabschieden und eine auf neue Medien ausgerichtete Digital-Strategie verfolgen.

Unterhält man sich mit ihnen mit Blick auf ihre künftigen Arbeitgeber, so ist für sie bei der Wahl des Jobs entscheidend, ob Firmen transparent sind, Visionen und Werte kommunizieren, fair sind gegenüber Mitarbeitenden sowie soziale Ziele verfolgen. Zudem suchen sie einen für sie perfekten Mix aus Arbeit und Freizeit. Das bedeutet aber nicht, dass sie deshalb weniger leistungswillig und leistungsfähig sind als vorherige Generationen.

Viele Forderungen der Jugend sind nicht utopisch, sondern zeigen auf, wohin sich unsere Welt bewegt. In meinen Augen ist es wichtig, dass man sich gegenseitig zuhört und sich ernst nimmt. Denn wer die Gen Z nicht kapiert – verliert. Sie steht in den Startlöchern und es wird auf jeden Fall spannend sein zu sehen in welche Richtung die Dinge sich entwickeln.

pip: Was treiben Sie derzeit so, und was steckt hinter dem neuen CAMLOG Business Club?

Michael Ludwig: Mit ein paar guten Freunden zusammen, welche alle auch in gehobenen Managementpositionen waren, unterstützen wir ein paar Start-ups und junge Unternehmen mit unserem Know-how und Kontakten aufgrund unserer langen Berufstätigkeit und Management-Erfahrung bis hin zur Beteiligung.

Mir macht es riesig Spaß dabei auch in einigen Projekten mit meinem Sohn Tim zusammenzuarbeiten. Die jungen Leute gehen an vieles anders heran und ich lerne als „alter Hase“ von ihrer Offenheit gegenüber Neuem, ihrer Neugier und ihrem Mindset.

Beim CAMLOG Business Club handelt es sich um eine Veranstaltungsreihe, welche sich Markus Stammen, Martin Lugert und das Team ausgedacht haben. Sie startet am 25. Juni 2021 im Literaturhaus in Frankfurt und findet über das Jahr verteilt in 8 Städten in Deutschland statt.

Viele Zahnarztpraxen in Deutschland werden den nächsten Jahren aus Altersgründen übergeben. Dr. Frank Halter von der Universität St. Gallen, eine der renommiertesten European Business Schools, analysiert in seinem Vortrag die aktuelle Nachfolgesituation und zeigt anhand des St. Galler Nachfolge-Modells, wie Praxisübergabe und -übernahme gelingen.

Ich werde beim CAMLOG BUSINESS CLUB kurz die CAMLOG Erfolgsstory reflektieren sowie Impulse zu den Themen Unternehmensführung, strategischer Weitblick, Mut zur Veränderung, die Gen Z und Unternehmensnachfolge geben.

Im Anschluss an die Vorträge bleibt für alle Teilnehmenden beim gemeinsamen Abendessen ausreichend Zeit für vertiefende Gespräche mit Dr. Frank Halter, Martin Lugert und Markus Stammen den Geschäftsführern der CAMLOG Vertriebs GmbH und mir. Wir teilen gerne unsere persönlichen Erfahrungen. Ich denke, das wird eine großartige Sache und freue mich sehr viele langjährige Kunden, Freunde und Mitarbeitende einmal wiederzusehen.

Herzliches Danke für dieses Gespräch

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