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Chairside mit Plasma zur besseren Osseointegration

Frisch aus der Produktion besitzen Implantate die erwünschte hohe Hydrophilität, bereits nach kürzerer Zeit lässt diese Eigenschaft jedoch messbar nach. Eine gute Benetzbarkeit des Implantats ist jedoch erwiesenermaßen wesentlich für eine gute Osseointegration – welche Wirkung hat eine Vorbehandlung mit kaltem Plasma?

Interview mit Dr. med. dent. Claudio Cacaci, Fachzahnarzt für Oralchirurgie & Implantologie

Eine besonders hohe Hydrophilität von Implantaten wird gern beworben – wie verhält es sich in der Praxis?

Claudio Cacaci: Die Vorzüge einer hohen Benetzbarkeit von Implantatoberflächen sind unbestritten und evident, tatsächlich lagern sich binnen weniger Tage Kohlenstoff-Adsorbate auf der Oberfläche an, die die Oberflächenenergie und damit zwangsläufig auch die Hydrophilität drastisch herabsetzen. Im Grunde ein ganz normaler Alterungsprozess des Produkts. Die Konsequenz ist eine Implantat-Konchenkontaktrate – BIC – von 45-65 %. Die Fragen, die ich mir hierbei stelle: Warum sind wir damit zufrieden? Warum streben wir keine Werte von 85-95 % BIC an? Mit der Plasma-Aktivierung haben wir seit 2009 einen Weg gefunden, diese nachteilige Entwicklung ganz einfach wieder umzukehren – dies umso mehr, als von Seiten der Patienten und Behandler immer stärker Sofortimplantationen und Sofortversorgungen verlangt werden, für die wir auf eine rasche und ungestörte Osseointegration angewiesen sind.

Wie funktioniert die Aktivierung mit Plasma, und wie einfach oder aufwendig ist dieser zusätzliche Schritt?

Claudio Cacaci: Plasmaaktivierung ist in der Industrie schon seit längerem ein etabliertes Verfahren, um Materialien durch die Erhöhung der Benetzbarkeit besser miteinander zu verbinden. Für die dentale Implantologie war es wesentlich, eine Technologie zu schaffen, die sich auch innerhalb eines sterilen Umfelds im OP ohne Aufwand, also chairside, in den Behandlungsablauf integrieren lässt. Der Aktivierungsprozess mit dem nun bei myplant erhältlichen Yocto-Geräts von Diener Electronics dauert zirka zwei Minuten und das Implantat kann sofort verwendet werden. Das alles passiert chairside und stört den operativen Ablauf überhaupt nicht.

Was ist die genaue biologische Wirkung der Plasma-Aktivierung?

Claudio Cacaci: In verschiedenen wissenschaftlichen Studien, bei denen ich z.T. auch meinen Beitrag leisten durfte, konnte belegt werden, dass nach einer Vorbehandlung mit Kaltplasma die Menge und auch die Anhaftung von Osteoblasten an der Oberfläche der Implantate signifikant verbessert wurde. In der Photoelektronen-Spektroskopie zeigt sich ein deutlicher Anstieg von Sauerstoffmolekülen bei gleichzeitiger Abnahme der Kohlenstoffe. Übrigens gilt dieser positive Effekt gleichermaßen für Titan- wie auch Zirkonoxid-Oberflächen. Ganz wesentlich ist, dass die Oberfläche des Implantats an sich durch den Prozess nicht verändert wird. Im Gegenteil, die Aktivierung versetzt das Implantat wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Das Ergebnis ist die Schaffung einer superhydrophilen Implantatoberfläche mit all den biologischen Eigenschaften, die die Knochenanlagerung an der Oberfläche benötigt, um das Implantat schnell und sicher zu integrieren. Die BIC-Raten werden nahezu verdoppelt, die Festigkeitswerte Implantat-Knochenverbund steigen signifikant in jeder Heilungsphase an.

Wichtig ist auch, dass der Anwender durch die Plasma-Aktivierung keineswegs zum Hersteller im Sinne des Medizinproduktegesetzes wird und die Garantie des jeweiligen Herstellers durch diese zusätzliche Behandlung des Produkts natürlich ebenso nicht erlischt.

Gibt es verschiedene Verfahren und welchem geben Sie persönlich den Vorzug – und warum?

Claudio Cacaci: Für die Oberflächenaktivierung kommen grundsätzlich zwei Verfahren infrage, die wir in unseren Studien an der Universität Hamburg gegeneinander zum ersten Mal auf ihre Wirksamkeit getestet haben: die Aktivierung mit UV-C-Strahlung und die Plasmaaktivierung. Beide Verfahren funktionieren ähnlich gut, mit leichten Vorteilen auf Seiten der Plasmaaktivierung. Gerätetechnisch hat sich die Plasmaaktivierung durchgesetzt und mit Diener Electronics haben wir einen deutschen Hersteller gefunden, der auch den Dentalmarkt bedienen kann. Es geht ja nicht nur um die Performance eines solchen Geräts, sondern auch um die nahtlose Einbindung in den klinischen Behandlungsprozess. Insofern freue ich mich sehr, dass Diener Electronics mit Myplant eine Kooperation eingegangen ist, die innerhalb ihres Teams über jahrzehntelange Erfahrung in der dentalen Chirurgie und Implantologie verfügt.

Wie haben Sie dieses Verfahren (Plasma) in ihren klinischen Alltag integriert und welche Ergebnisse haben sie damit?

Claudio Cacaci: Ich benutze dieses Verfahren klinisch seit 2014. Schnell haben wir gesehen, dass die Osstell-Werte, die die Osseointegration quantitativ messen können, um vieles höher sind als ohne Aktivierungsprozess. Es gibt naturgemäß nur wenige klinische Studien, die dies auch am Patienten bewiesen haben. Aber wir sehen seitdem z.B. im augmentierten Oberkiefer Festigkeitswerte, die wir sonst nur im Unterkiefer bei hauptsächlich kortikaler Knochenstruktur sehen. Das ist das Ergebnis der wesentlich höheren BIC-Werte durch die superhydrophile Oberfläche. Die Frage, ob das relevant ist, stellt sich natürlich. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass dies bei kompromittierten Situationen – sei es lokal durch zu wenig Knochen, der aufgebaut werden muss, oder bedingt durch Erkrankungen des Patienten – einen entscheidenden Faktor spielen kann, ob die Behandlung dauerhaft funktioniert oder nicht. Unsere Patienten werden ja immer älter und in vielen Fällen auch morbider, wir sind also auf eine sichere und verbesserte Osseointegration unserer Implantate angewiesen. Eine klinische Konsequenz aus dieser Fotofunktionalisierung ist die sichere Verwendung von kürzeren Implantaten. Die Implantat-Längen haben sich in unserem klinischen Alltag deutlich reduziert, ohne dass wir schlechtere Ergebnisse erzielen würden. Und eines ist auf jeden Fall evident: Wenn wir sehen, mit welch enormem technologischen Aufwand die Implantatoberflächen im Laufe der Zeit immer wieder verändert wurden, mit dem Ziel die Knochenanhaftung zu verbessern oder zu beschleunigen, so muss es uns wie Schuppen von den Augen fallen, wie einfach es chairside ist, mit dem geeigneten Gerät die Verbesserung der Osseointegration voranzutreiben! Deshalb bin ich froh, dass die Kooperation zwischen Diener und Myplant ins Leben gerufen wurde, damit diese so einfache und wirkungsvolle Technologie uns Klinikern nun breit an die Hand gegeben wird.

Herzliches Danke für das Gespräch.

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