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Glaslot: Implantat-Hybrid-Technologie und Prothetik aus einem Guss

Fügung mittels Glaslot: Lange vorbei die Zeiten, in denen Implantat-Chirurgen in isolierten Zirkeln über Knochenklassen, Augmentationstechniken und Weichgewebsmanagement diskutierten. Hinter den erfolgreichsten implantologischen Behandlungen steht heute ein Team aus Ingenieuren, Material- und Technologieentwicklern, Biologen, Chirurgen, Prothetikern und Zahntechnikern auf Augenhöhe.

Interview mit Dr. med. Michael Hopp, Zahnarzt, Implantologe und Werkstoffkundler

pip: Wo sehen Sie in der innovativen Hybrid-Technologie des Tizio-Systems die chirurgischen und prothetischen Vorteile?

Michael Hopp: Die Vorteile liegen für den Praktiker eigentlich klar auf der Hand: Knochenseitig wird mit Zirkonoxid-Keramik gearbeitet. Wesentlich ist, dass wir mit entsprechenden Glasloten eine gut strukturierte Oberfläche auf den Zirkonoxid-Implantatkörpern herstellen können, die die einstigen Unsicherheiten beim Einheilen von Zirkonoxid entscheidend verbessert. Durch diese Veränderung der Implantataußenseite wird eine frühzeitig belastbare Knochenschicht mit strukturierter Einheilung begünstigt. Wahlweise kann ein- oder zweizeitig implantiert werden. Dank des eingelöteten Titaningots nutzen wir gleichzeitig den Vorteil geschraubter metallischer Verbindungen in ihrer Duktilität, Selbstretinierung und Minimierung der Konstruktionsdicke bei zusätzlicher Stabilitätsverbesserung.

pip: Welche Rolle spielt die Verbindung mittels Fügung mit Glaslot?

Michael Hopp: Hybridwerkstoffe und Materialhybride werden zunehmend mit großem Nutzen in der Industrie und Medizin eingesetzt und ihre Erforschung wird daher seit einiger Zeit auch staatlich gefördert. Hybridimplantate kombinieren die Vorteile moderner Implantatmaterialien mit fügebedingten Erhöhungen der Stabilität. Das Glaslot verbindet dabei die beiden Funktionsbereiche aus Zirkonoxid-Keramik im Knochen und Titan sowie Titanlegierungen im Prothetik-Interface. Mit dieser Verbindung entsteht eine über Jahre degradationstechnisch und immunologisch stabile und sichere Fügung. Die verbindende Glaslotschicht ist in der Implantologie bereits eingesetzt und in Studien mit einer prognostizierten Stabilität von 30 Jahren belegt worden. Es sind genau die Mikroverspannungen in der Verbundschicht, die letztlich zu einer höheren Stabilität des Produkts als die Summe der Einzelkompartimente führen.

pip: Wie stehen Sie mit Ihrem werkstoffwissenschaftlichen Hintergrund zu der Idee, zwei so unterschiedliche Materialien zu kombinieren?

Michael Hopp: Von den adhäsiven Verbindungen haben wir gelernt, dass fast alles möglich ist. Man muss nur herausfinden, wie! Das Einschmelzen und Verbinden von Metallen oder Legierungen in Gläser und Keramiken ist um die 100 Jahre alt. Limitierende Faktoren sind hauptsächlich Schmelzbereiche, Oxidbildungen, Lösungsvermögen der Gläser und der Wärmeausdehnungskoeffizient der Materialien. Im Bereich der Medizin ist die Biokompatibilität limitierend. Seit mehr als 15 Jahren ist die Effizienz von Glaslot bei zahntechnischen artreinen bis artfremden Fügungen nachgewiesen und in Anwendung. Die Herstellung von gelöteten Hybridimplantaten aus Zirkonoxid und Titan bzw. Titanlegierungen ist ein konsequentes Ergebnis aus den Anforderungen der Implantatmedizin und aktueller Forschung. In der Entwicklung von Hybridhüftimplantaten ist man bei dem Thema schon viel weiter.

pip: Bei herkömmlichen Keramikimplantaten wurden häufig die prothetischen Limitationen bemängelt – was ist hier anders?

Michael Hopp: Durch den Einsatz der üblichen Abutments, auch der Multi-Units, ist beim Tizio F3 das bekannt breite Spektrum der Anwendungen möglich. Akzeptiert werden muss von reinen Keramik-Liebhabern die Verwendung von Titanteilen in der Mundhöhle, jedoch nicht im direkten Kontakt zum Knochen. Beim H6-Implantat ist alles keramikgekapselt, der Körper ‚sieht‘ kein Titan mehr. Und Sie sind prothetisch in keiner Hinsicht mehr limitiert.

pip: Muss ich mich von meinen bestehenden und oft erfolgreichen prothetischen Konzepten verabschieden, um die neue Technologie nutzen zu können?

Michael Hopp: Genau das ist der Vorteil der neuen Technologie. Der Behandler muss sich weder von seinen prothetischen Konzepten noch vom klinischen Vorgehen trennen. Nur in der Anwendung der Unit-Abutments gibt es beim H6-Implantat kleine Einschränkungen. Das System ist noch nicht so weit, dass alle Teile vorhanden sind. Klinisch und labortechnisch sind die analoge oder digitale Planung, modernes prothetisches Vorgehen oder digitale Workbench auf CAD/CAM-Basis verfügbar – alles ist möglich.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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