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Hype Hyaluronsäure

Hyaluronsäure gewinnt in der Zahnmedizin zunehmend an Bedeutung – sei es als Zusatz zu Knochenersatzmaterialien, als Gel für die Wundheilung oder als eigenständiges Biomaterial. Doch wann ist was indiziert? Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie der Universität Mainz, gibt darauf Antworten.

Hyaluronsäure wird in verschiedenen Formen angeboten. Welche Variante empfehlen Sie für den Einsatz in der Zahnmedizin?

Für die Anwendung auf der Mundschleimhaut bevorzuge ich nicht-vernetzte Gele mittlerer Konzentration. Sie lassen sich einfach applizieren und haben den Vorteil, dass sie frühe Weichgewebeparameter positiv beeinflussen und postoperative Beschwerden wie Schmerzen und Schwellungen lindern können. In der Knochenregeneration nutze ich Hyaluronsäure als funktionellen Zusatz zu Knochenersatzmaterialien, weil sie die Partikel kohäsiver macht und dadurch ein formstabiles, klebriges Transplantat entsteht, das sich besser an den Defekt anpassen lässt. Im ästhetischen perioralen Bereich greife ich auf quervernetzte Hyaluronsäure-Filler zurück, wenn eine längere Verweildauer und Formstabilität gewünscht sind. Die wissenschaftliche Evidenz ist derzeit am stärksten im Bereich der Wundheilung und der patientenbezogenen Ergebnisse. Für harte Gewebeparameter ist die Datenlage zunehmend besser, bleibt aber weiterhin heterogen.

Welche Vorteile bringen Kombinationen von Hyaluronsäure und Knochenersatzmaterialien?

Diese Kombination bietet sowohl praktische als auch biologische Vorteile. Durch die erhöhte Kohäsion der Partikel wird der Partikelverlust reduziert und das Material lässt sich leichter und präziser in kleine Defekte einbringen. Dadurch wird der chirurgische Ablauf oft schneller und reproduzierbarer. Hyaluronsäurehaltige Beschichtungen oder Beimischungen binden Flüssigkeit und ergeben nach dem Anfeuchten ein formbares, klebriges Material, das sich optimal modellieren lässt. Eine neuere Studie von Kloss et al. hat gezeigt, dass allogene Knochenersatzmaterialien mit Hyaluronsäure bei der Socket Preservation zu einem geringeren Verlust an krestalem Knochen und zu einer radiologisch verbesserten Knochenregeneration führen können. Klinisch gibt es zudem Hinweise darauf, dass sich durch Hyaluronsäure ein stabileres alveoläres Profil und eine geringere frühe Resorption erreichen lassen. Insgesamt ist die Studienlage positiv, auch wenn sie noch nicht durchgehend einheitlich ist. Langzeiteffekte über mehrere Monate hinaus müssen in weiteren Untersuchungen bestätigt werden.

Verbessert eine ‚Biologisierung‘ mit Hyaluronsäure die Wundheilung im gleichen Maße wie beispielsweise L-PRF?

Hyaluronsäure und L-PRF sind in ihrer biologischen Wirkung nicht miteinander gleichzusetzen. Hyaluronsäure ist ein zellfreies Biomaterial, das über die extrazelluläre Matrix, die Hydratation des Gewebes und eine Modulation der Entzündungsreaktion wirkt. L-PRF enthält hingegen Zellen, Fibrin und setzt kontinuierlich Wachstumsfaktoren frei. Klinisch führt die Anwendung von Hyaluronsäure in der Regel zu einer Reduktion von Schmerzen und Schwellungen sowie zu einer verbesserten frühen Schleimhautheilung. L-PRF kann darüber hinaus die Qualität des regenerierenden Gewebes positiv beeinflussen. Kombinationen beider Ansätze sind biologisch plausibel, doch belastbare Daten über mögliche additive Langzeitvorteile liegen derzeit noch nicht vor.

Bei welchen Indikationen setzen Sie Hyaluronsäure beziehungsweise hyaluronsäurehaltige Produkte ein?

Bei uns kommt Hyaluronsäure vor allem bei der postoperativen Schleimhautpflege nach chirurgischen Eingriffen zum Einsatz, um Schmerzen und Schwellungen zu reduzieren und die frühe Heilungsphase zu unterstützen. Darüber hinaus nutzen wir sie im Rahmen des Alveolenmanagements sowie bei kleineren horizontalen Kieferkammaugmentationen in Kombination mit partikelförmigen Knochenersatzmaterialien, da sie als Binder die Handhabung und Adaptation der Materialien verbessert. In ausgewählten Fällen wird Hyaluronsäure auch im ästhetischen perioralen Bereich eingesetzt, beispielsweise bei Volumenverlusten, Narben oder unzureichend ausgeprägten Papillen.

Dabei kommen quervernetzte Hyaluronsäure-Filler zur Anwendung, allerdings immer nach sorgfältiger Indikationsprüfung und in konservativer Dosierung.

Worauf sollte ein Behandler beim Einsatz von Hyaluronsäureprodukten achten?

Entscheidend ist, die Zulassung, Zusammensetzung und den Vernetzungsgrad des jeweiligen Produkts sorgfältig zu prüfen und die Auswahl stets an der Indikation auszurichten. Nicht vernetzte Gele sind für die Schleimhaut geeignet, Hyaluronsäure-funktionalisierte Knochenersatzmaterialien werden als Binder verwendet, und quervernetzte Filler kommen ausschließlich für ästhetische Indikationen im perioralen Bereich infrage. Wichtig ist zudem eine realistische Einschätzung der wissenschaftlichen Evidenz. Während die Datenlage für frühe Weichgewebeparameter sehr gut ist, bleibt sie für Hartgewebeendpunkte bisher uneinheitlich. Die chirurgischen Grundprinzipien wie atraumatisches Vorgehen, spannungsfreie Wunddeckung und sterile Bedingungen bleiben die entscheidenden Faktoren für den Behandlungserfolg. Bei der Anwendung von Fillern sollte stets eine konservative Dosierung gewählt werden, wobei das anatomisch korrekte Kompartiment und ein fundiertes Komplikationsmanagement unabdingbar sind. Darüber hinaus müssen die jeweils aktuellen Geräte- und Produktinformationen der Hersteller beachtet werden, um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.