Das Kieler Sushi machte gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts von sich reden. Das innovative Augmentationsverfahren von Dr. Oliver Zernial kombiniert etablierte Verfahren wie die GBR mit biologischen Ansätzen wie der Nutzung von Blutpräparaten. Inzwischen hat die Technik einen regelrechten Siegeszug hingelegt.
Interview mit Dr. med. dent. Oliver Zernial, MKG-Chirurgie und Implantologie
Kieler Sushi – bitte fassen Sie das Konzept und vor allem Ihre klinischen Beobachtungen doch noch einmal kurz zusammen.
Oliver Zernial: Kurz ist nicht so einfach, immerhin brauchen wir zwei ganze Tage, um unser Konzept in unseren ‚Kieler Sushi‘ Hands on-Kursen grundlegend zu erklären und praktisch einzuüben. Auch das Kieler Sushi hat daneben durch viele klinische Beobachtungen eine Lernkurve hingelegt. Die Version 3.0 könnte man knapp so zusammenfassen: Das eigentliche Sushi ist ein biologisches Knochen-Komposit aus antikoaguliertem PRP mit autologem Knochen und Kochenersatzmaterial – und als zusätzlicher Bone-Booster kommt koaguliertes PRF hinzu. Der Erfolg des Konzepts bezieht sich übrigens nicht nur auf das Augmentat, sondern auf die Performance in der gesamten Praxis: Weniger Chirurgie gleich weniger Komplikationen und dadurch mehr und bessere Vorhersagbarkeit. In dieser Kombination ist dann nicht nur die Patienten-Nachfrage am größten, sondern es spart auch immense Ressourcen in der Praxis. Also ein Win-Win-Konzept für alle!
Liegt das Geheimnis des Sushi-Erfolgs im verwendeten ‚Fisch‘ oder in Ihrer Rolltechnik, also in den dafür verwendeten Materialien, oder Ihrem Protokoll?
Oliver Zernial: Tatsächlich ist die richtige Handhabung des PRP und PRF entscheidend. Wir betreiben im Grunde Tissue-Engineering. Wir müssen akzeptieren, dass wir die Spielregeln nicht ändern, sondern nur die Zusammenhänge erkennen und gezielt einsetzen können. Thrombozyten z. B. lassen sich nur durch bestimmte Mechanismen aktivieren und Knochen wächst nur, wenn Osteoklasten und Osteoblasten die richtigen Rahmenbedingungen vorfinden. Und genau das machen wir mit unserem ‚Kieler Sushi‘-Konzept. Wir nutzen gezielt die körpereigene Gerinnung als biologischen Kleber und können deshalb in den meisten Fällen auf mechanische Stabilisierungsmaßnahmen verzichten. PRF besitzt im Gegensatz zu PRP einen zellulären Anteil mit u. a. immunologisch aktiven Zellen, die wiederum eine wichtige Rolle bei der Zellmigration ins Augmentat spielen.
Welche besonderen Anforderungen haben Sie an Augmentationsmaterialien, aber auch an die Blutpräparate?
Oliver Zernial: Das richtige Knochenersatzmaterial ist beim ‚Kieler Sushi‘ entscheidend. Offenbar spielt die Oberfläche des KEM bei der Thrombozytenadhäsion eine entscheidende Rolle. Diese Eigenschaften lassen sich In vitro leicht überprüfen, sodass wir schon vor etlichen Jahren porcines KEM für uns entdeckt haben. Auch hier konnte uns allerdings bislang nur das porcine The Graft von Purgo vollends überzeugen. Es lassen sich damit nicht nur zuverlässig stabile ‚Sushis‘ bauen, sondern es zeigt bei der Wiedereröffnung ein exzellentes Remodelling, wenige Restpartikel und in der Regel bereits nach etwa vier Monaten ein gut knöchern durchbautes Lager. Man sollte aufgrund der höheren Resorptionsrate allerdings deutlich überaugmentieren. Auch bei den Blutpräparaten haben wir sehr gezielte Ansprüche. Man kann das gesamte Potenzial der Blutgerinnung nur nutzen, wenn man antikoaguliert! Und das geht nur mit einem PRP. Unser PRF stellen wir nach der klassischen Choukroun-Methode her. Allerdings arbeiten wir mit einer wesentlich höheren Drehzahl, um eine festere PRF-Membran gewinnen zu können. Schließlich sagt uns die Evidenz, dass die eigentliche knöcherne Regeneration erst nach einigen Wochen einsetzt und eine Wachstumsstimulierung in oder unmittelbar nach der OP wenig Sinn ergibt.
Ganz wichtig: Wo können unsere Leser die Technik praktisch erlernen?
Oliver Zernial: Wir bieten vier ‚Kieler Sushi‘ Hands on-Kurse pro Jahr in Kiel an. Hier vermitteln wir nicht nur unsere Augmentationstechnik, sondern gehen detailliert auf Grundlagen ein, diskutieren klassische Augmentationsverfahren und zeigen wo, wann und wie man das ‚Kieler Sushi‘ in der eigenen Praxis anwenden kann. Abschließend baut jeder Teilnehmer mit seinem eigenen Blut sein erstes ‚Sushi‘. In den vergangenen Jahren haben wir bereits mehr als 500 Kollegen ausgebildet und sind stolz darauf, dass unser Konzept bereits in vielen Praxen erfolgreich angewendet und vielen Patienten damit geholfen wird.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das angenehme Gespräch.