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Nobel Biocare: Grundlagenforschung und solide klinischer Dokumentation

Als einen besonderen Leckerbissen für Anwender und Interessenten an den Implantatsystemen der Nobel Biocare bietet der Hersteller regelmäßig Reisen in die beeindruckende Fertigung im pittoresken schwedischen Karlskoga an. Kein geringerer als Prof. Dr. Tomas Albrektsson als Zeitzeuge und langjähriger Wegbegleiter Prof. Dr. Per-Ingvar Branemarks krönt diese Veranstaltung mit einem Vortrag und steht den Teilnehmern auch für den direkten Austausch zur Verfügung.

Bisherige Teilnehmer sind sichtlich beeindruckt, nicht nur von der Produktionsstätte, sondern auch Ihrem Vortrag.

Prof. Dr. Tomas Albrektsson: Danke für die Blumen, aber manchmal ist es auch einfach der simple Vorteil, eine Entwicklung so lange begleitet zu haben. Beide, Per-Ingvar Branemark und ich, sind ja ursächlich Ärzte, keine Zahnärzte. Vielleicht sind wir auch deshalb mit einer besonderen Neugierde und auch Beherztheit an die Dinge herangegangen, und konnten so die richtigen Fragen stellen, und damit auch einige maßgebliche Entwicklungen beeinflussen. Mir macht es heute viel Spaß, wenn ich meine Erlebnisse und Erfahrungen an einer solchen Veranstaltung mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt teilen kann.

Sie sind seit Ihren Anfängen fest in der Wissenschaft verwurzelt, blicken auf über 1000 Vorträge und unzählige wissenschaftliche Publikationen zurück. Wie wichtig ist bei so etwas ein Partner wie Nobel Biocare?

Prof. Dr. Tomas Albrektsson: Tatsächlich habe ich inzwischen fast 1400 Vorträge an wissenschaftlichen Kongressen gehalten, und erst vor zwei Tagen eine weitere wissenschaftliche Arbeit bei einem Peer-reviewed-Journal  eingereicht. Operativ-klinisch habe ich im Alter von 75 Jahren mit meiner Arbeit aufgehört, und betreue medizinisch quasi als Hobby nur noch eine B-Fußballmannschaft in meiner Heimat. Ungebrochen gilt meine Leidenschaft aber der wissenschaftlichen und klinischen Forschung.  Ich bin sehr dankbar, dass wir mit Nobel Biocare und wenigen anderen großen Unternehmen noch Hersteller haben, die sich dieser Aufgabe verpflichtet fühlen. Ryo Jimbo und ich haben uns 2015 einmal die Mühe gemacht, alle in englischer Sprache bisher veröffentlichten 5-Jahres-Studien zu untersuchen, und 75% von ihnen berichteten über Ergebnisse mit maschinierten Nobel-Implantaten, und weitere 10% über TiUnite, einem weiteren Implantat von Nobel Biocare. 

Nun mag die pure Menge an sich vorderhand nichts aussagen, aber hier darf ich aus der von Ann Wennerberg im EJOI 2018 veröffentlichten Arbeit zitieren, nach der wir über einen 10-Jahres-Zeitraum und fast 1000 Implantaten bei TiUnite nur eine Versagensquote von 1,4% hatten. Wir als Kliniker müssen aktiv nicht nur Grundlagenforschung, sondern vor allem auch diese kontinuierliche und solide klinische Dokumentation der von uns eingesetzten Implantate in seriösen wissenschaftlichen Publikationen einfordern!

Es mag vordergründig verlockend sein, wenn ein Hersteller mit einem wenig dokumentierten Implantat zu einem Spottpreis aufwartet – aber dann sollten Sie als Zahnarzt Ihrem Patienten offen sagen, dass Sie zugunsten des günstigen Preises auf eine gute klinische Dokumentation verzichten wollen. Ich bin sicher, selbst preissensitiven Patienten würde das zu denken geben. Und letztlich bleiben ohnehin Sie als Behandler in der Verantwortung!

Was ist in Ihren Augen einer der absoluten, wie man heute sagt, game changer in der Geschichte der dentalen Implantologie seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts?

Prof. Dr. Tomas Albrektsson: Sie müssen bis zu den 60er Jahren zurückgehen, denn 1962 wurde erstmals im Tiermodell am Kaninchen die knöcherne Verankerung metallener Implantate beschrieben. Seit 1965 durfte ich die weiteren Forschungen mit begleiten und anstoßen, wobei mein hochgeschätzter Freund Prof. Karl Donath aus Hamburg-Eppendorf als Oralpathologe und Biomaterialforscher bereits damals die immunologische Antwort bzw. Fremdkörperreaktion beschrieb, nach der Titan vom Knochen umschlossen wird. Übrigens hatte Donath diese Reaktion zuerst bei Schrapnell-Einschlüssen von Kriegsopfern beobachtet, die über die Jahre fest im Knochen eingewachsen waren. Anfangs war noch der Fehler, dass wir zu sehr in Werkstoffen an sich dachten statt auch an die Oberflächenstruktur. Wir brauchen aber die Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche, damit der Knochen eine, im positiven Sinne, Angriffsfläche findet. Glatte Implantate konnten, ungeachtet des Materials, so nicht funktionieren. Erst mit den heutigen histologischen Prüfmethoden werden viele von Karl Donaths damals noch empirische Beobachtungen und Theorien nun bewiesen und wissenschaftlich bestätigt. Diese direkte Verankerung des Knochens am Implantat war das, was wir heute ganz selbstverständlich als Osseointegration und als ganz wesentliches Merkmal für jedes heute erfolgreiche dentale Implantat bezeichnen. Hier liegt sicherlich die bedeutendste Pionierleistung, und Nobel Biocare ist natürlich damit direkt verknüpft.

Und worin wird in Ihren Augen der nächste bahnbrechende Schritt bestehen?

Prof. Dr. Tomas Albrektsson: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft feststellen werden, wie sehr die heute publizierten Zahlen periimplantärer Erkrankungen uns irreführen. Wir gingen bisher davon aus, dass marginale Knochenverluste auf bakteriell bedingte Erkrankungen zurückzuführen sind. Vieles weist jedoch darauf hin, dass die Hauptursache für periimplantären Knochenverlust aseptischer Natur ist, und davon abhängt, wie gut das Immunsystem Osteoblasten und Osteoklasten in der Balance halten kann. Wenn letztere Zellen dominieren, verlieren wir mehr Knochen als neu gebildet wird. Bakterielle Angriffe treten dann erst auf, wenn das Immunsystem zur Aufgabe gezwungen wurde – erst dann befallen Bakterien das so bereits kompromittierte Implantat. In einer erst kürzlich, 2024 im JOMI von Bruno Chrcanovic, Per-Olov Östman und mir veröffentlichten Studie konnten wir übrigens Rauchen und Bruxen als viel bestimmendere Faktoren bei der Mehrheit von Implantat-Spätverlusten benennen.

Herzliches Danke dass Sie sich Zeit für uns genommen haben!