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Osteology Foundation: Was gibt’s Neues in der oralen Regeneration?

Wir konnten es uns nicht entgehen lassen, Prof. Dr. med. dent. Christer Dahlin, Präsident der Osteology Foundation und Professor an der Sahlgrenska Universität in Göteborg, als einen der Pioniere der GBR zum Interview zu bitten. Gibt es noch Verbesserungspotential bei den heute etablierten Techniken und Materialien? 

Wir versuchen immer mehr, die Materialien an die jeweilige Indikation anzupassen – brauchen wir eines Tages ein ganzes Arsenal an Materialien?

Christer Dahlin: Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass alles, was wir in den menschlichen Organismus einbringen, auch wenn es noch so ‚biologisch‘ ist, einen Fremdkörper und somit eine Herausforderung für den menschlichen Körper und sein Immunsystem darstellt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also darin, nicht eine grenzenlose Vielfalt von Stoffen und auch nicht zu viele Kombinationen einzuführen, denn die Immunreaktionen und die Fremdkörperreaktion summieren sich. Es ist wichtig, die Biologie zu respektieren! Neu ist, dass wir heute über viel ausgefeiltere Instrumente zur Analyse von Zellen verfügen. Früher mussten wir auf die Histologie zurückgreifen, heute haben wir die Möglichkeit, Gewebereaktionen im Voraus zu bestimmen.

Damit besitzen wir ein viel umfassenderes biologisches Verständnis der Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen Körper und verschiedenen Biomaterialien.

Das Kongressthema ‚Innovative Technologien für die Gewebeaugmentation‘ deckt alles ab, um den Hauptsponsor Geistlich Biomaterials arbeitslos zu machen – wie gefällt denen das?

Christer Dahlin: Die Idee von Dr. Peter Geistlich, der die Osteology Foundations im Jahr 2003 gründete, war schon immer sehr breit gefasst. Er hatte die klare Vision, Forschung und Entwicklung weit über bloße Produktergebnisse hinaus anzustoßen. Wir halten an diesem Erbe und dieser Verpflichtung fest, was sich auch in unseren heutigen Forschungszuschüssen widerspiegelt, die ein sehr breites Spektrum abdecken. Es gibt keinen dominanten Einfluss von Geistlich Biomaterials. Im Gegenteil, sie ermutigen uns, über den Tellerrand hinauszuschauen und laden ausdrücklich zu Kontroversen über etablierte Protokolle ein. 

Wo sehen Sie als einer der Pioniere des GBR-Konzepts die nächsten großen Verbesserungen?

Christer Dahlin: Auch auf dem Gebiet der heute erfolgreich verwendeten Materialien gibt es Entwicklungspotential. Alle, Forscher wie Industrie, sind auf der Suche nach dem heiligen Gral, was eine gute Triebkraft für weiteren Fortschritt ist. Im Bereich der Membranen haben wir mit ePTFE eine Historie ausgezeichneter Gewebereaktionen und Regenerationsergebnisse, die aber mit einer technischen Komplexität einhergehen. Bei den resorbierbaren Membranen gibt es neue Erkenntnisse über vernetzte kollagene Membranen im Vergleich zu nicht vernetzten Membranen. Ein sehr interessanter Bereich ist auch die Entwicklung von Kollagenmembranen für die Regeneration und Verbesserung des Weichgewebes – meiner Meinung nach der nächste große Entwicklungsbereich bei der Ästhetik und einer verbesserten Langzeitprognose für Zahnimplantate.

Was halten Sie von dem ganzheitlichen Ansatz, den Patienten vor einer oralen Operation mit zusätzlichen Nährstoffen, Vitaminen und Bewegung zu ‚pimpen‘?

Christer Dahlin: Wir werden hier mehr und sicher auch vielversprechende Ergebnisse sehen, aber ich möchte betonen, dass wir die jeweils korrekte Patientenauswahl treffen und die Ergebnisse vor allem wissenschaftlich fundiert sein müssen. Begrüßenswert sind die heute viel besseren Methoden zur Diagnostik des tatsächlichen Bedarfs des Patienten, sodass wir solche Ergänzungen mit Maß und Ziel vornehmen können. 

Die Vorbeugung und das Management von Komplikationen und Fehlern sind zwei große Themenblöcke beim Osteology Symposium – würden Sie wollen, dass ein Patient das mitkriegt?

Christer Dahlin: Das ist eine kesse Frage, aber ich bin mir sicher, dass auch der Patient, ob in seinem Beruf, im Sport oder bei anderen Tätigkeiten, weiß, dass er oder sie immer am besten aus Fehlern, Komplikationen und Irrtümern gelernt hat. Wenn man sich die Probleme anhört, die jemand anderer hatte, kann man verhindern, sie selbst zu machen. Diese beiden Sessions werden sicherlich vielen der Teilnehmer helfen, Fehler zu vermeiden und Komplikationen besser zu bewältigen.

Können wir uns vom autogenen Knochen als Goldstandard endgültig verabschieden?

Christer Dahlin: Wie Sie wissen, bilden Entwicklungen oft eine Sinuskurve. In der Tat kehren einige Meinungsbildner inzwischen zum autologen Knochen zurück – oder einer Kombination autologer Materialien mit Biomaterialien plus Membran. Wobei sie die Biologie vollendet respektieren und sogar eine längere Einheilungszeit von bis zu zwölf Monaten akzeptieren, bis der Knochen vollständig umgebaut und ausgereift ist. Es hängt ganz von der Indikation ab, und sicherlich muss man bei kleineren Defekten oder bei Sinuslifts, die immer noch zu den ‚großvolumigen‘ Indikationen zählen, nicht auf autologen Knochen zurückgreifen. Das Wichtigste ist, dass wir heute über ein sehr vielseitiges Instrumentarium für verschiedene und sehr individuelle Indikationen verfügen. Wir sollten uns daher Lagerstreitigkeiten verkneifen und immer die jeweils beste Lösung für die Indikation und den Patienten wählen.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Prof. Dahlin.