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Straumann: Implantologie und der Raum für Innovationen

Seit 20 Jahren prägt Andreas Utz die Straumann Group maßgeblich – mit nur einer kurzen Unterbrechung. Ob im Hauptsitz in Basel oder der deutschen Niederlassung in Freiburg, Utz kennt beide Standorte bestens. Als einer der beiden Geschäftsführer hat er die Straumann GmbH in Deutschland durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie geführt. Nun steht ein neuer Schritt bevor: Andreas Utz wird bald im Headquarter in Basel eine neue Rolle übernehmen. Anlass genug, ihn im Frühjahr in Freiburg zu besuchen. Im Interview spricht der scheidende Geschäftsführer über Implantatsysteme, Workflows, Digitalisierung, Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit.
 
Im Gespäch mit Andreas Utz (Bild: Straumann GmbH)

Andreas Utz übernimmt in Basel die Leitung des Implantatbereichs der Straumann Group – eine Position, die bisher von Holger Haderer, seinem Vorgänger als Geschäftsführer Deutschland, besetzt war. Haderer wiederum tritt in die Fußstapfen von Wolfgang Becker, einem langjährigen Mitglied der Straumann-Familie. Becker, der bisher Manager für Europa, den Nahen Osten und Afrika (EMEA) war, verabschiedet sich in den Ruhestand – ein Abschied, der in der Straumann-Familie, insbesondere auch in Freiburg, bedauert wird.

Wo liegt Potenzial für Innovationen?

Mit der Implantologie und vielen Innovationen ist Straumann groß geworden – aber wie viel Innovation ist hier perspektivisch noch drin? „Im Implantatbereich gibt es immer noch viel Raum für Innovationen“, so Andreas Utz. Gerade bei den Keramikimplantaten stehe man bei vielen Aspekten im Vergleich zu den bewährten Titan- oder Roxolidimplantaten noch am Anfang. Das betreffe vor allem die prothetische Versorgung und die zweiteiligen Systeme, erklärt er. Ein Ziel sei es zum Beispiel, für Keramikimplantate und die metallbasierten Implantatsysteme ein einheitliches Instrumentarium anzubieten.

Aber auch bei den klassischen Implantaten gebe es Entwicklungsbedarf. „Die Systeme können und müssen noch einfacher in der Anwendung und prothetischen Versorgung werden. Und es gibt immer noch Indikationen, die mit den herkömmlichen Systemen nicht optimal oder nur mit großem Aufwand versorgt werden können. Wir verfügen inzwischen über jahrzehntelang wissenschaftlich dokumentierte Ergebnisse zu unseren Implantatsystemen. Das ist eine wertvolle Grundlage, auf der wir gerade für diese speziellen Indikationen Lösungen für die Praxis entwickeln können. Denken Sie nur an die Implantatdurchmesser und Implantatlängen – wir können heute viel kürzere und im Durchmesser deutlich reduzierte Implantate anbieten, die klinisch erfolgreich eingesetzt werden können“, so Utz. Implantatmaterial, Design, Oberflächen, Durchmesser, Längen – all diese Aspekte sind Gegenstand der Forschung und Entwicklung.

Anwenderbezogene Perspektive

Viel Antrieb für Verbesserungen und Neuerungen kommt nach wie vor von den Kunden, berichtet Utz. „Die Kundinnen und Kunden kommen mit konkreten Wünschen und Forderungen, aber auch mit eigenen Ideen auf uns zu. Für ihre Probleme in der Praxis Lösungen anzubieten, ist unser Ziel. Wir wollen ein möglichst breites Spektrum an Indikationen abdecken, mit wissenschaftlich basierten, verlässlichen Produkten. Und das nicht nur im Premium-Segment, sondern auch im Value-Bereich.“ Aktuell seien vor allem die Implantatdurchmesser ein Thema bei den Kundinnen und Kunden, vertieft er das Thema weiter. Dank der bewährten Produkte sei es heute sicher möglich, Implantate mit deutlich geringeren Durchmessern und Längen einzusetzen und prothetisch zu versorgen.

„Die schmale Einzelzahnlücke, ein schmaler Kieferkamm oder auch eine geringe Restknochenhöhe sind heute häufige Indikationen. Die Patientinnen und Patienten wünschen sich dafür Implantate, aber sie möchten keine große Chirurgie. Das ist eine der Herausforderungen, die wir mit unseren Implantatsystemen immer besser lösen können.“

Weitere aktuelle Themen sind Sofortimplantation und Sofortversorgung – hier bieten die TLX- und BLX-Implantatsysteme mit neuen Produkterweiterungen praxistaugliche Lösungen sowohl für die Tissue-Level- als auch für die Bone-Level-Variante.

Digitalisierung in der Implantologie

„Hinzu kommt ein zweiter, sehr wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Implantologie: Die Vereinfachung der Workflows. Die Workflow-Effizienz, die vereinfachten Abläufe für Praxis und Labor bei gleichzeitig hoher Sicherheit in der Anwendung sind die Themen, die uns in der Implantologie aktuell beschäftigen.“

Beim Thema Workflow ist die Digitalisierung der wichtigste Treiber. Mit dem von Florin Cofar begründeten Smile Cloud-Konzept, das von Straumann exklusiv angeboten wird, lassen sich auch komplexe Fälle von der Ausgangssituation über den Vorschlag der Versorgung bis zum finalen Zahnersatz voraussagbar planen und managen. „Aber Smile Cloud braucht auch eine Lernkurve, das ist ein anspruchsvolles Konzept, in dessen Philosophie und Abläufe man sich einarbeiten muss. Florin Cofar steht unseren Kundinnen und Kunden dabei gerne zur Seite, und es lohnt sich unbedingt, seine Vorträge anzuhören und sich mit dem Konzept zu befassen“, berichtet Utz von den Erfahrungen aus den vergangenen zwei Jahren. Ähnliches gelte für digitale Anwendungen wie die in Echtzeit navigierte Implantologie mit dem 2023 auf der IDS vorgestellten Falcon-System.

Beim digitalen Workflow und Smile Cloud ist dann auch schnell das aktuelle Trendthema Clear Aligner auf der Agenda. „Hier sind wir in den vergangenen Jahren stark gewachsen, auch weil wir dieses Konzept integrativ verstehen, in der Kombination mit Prothetik und implantatgetragener Prothetik, für komplexe Rehabilitationen etc. Aber wir sind im Aligner-Markt immer noch am Anfang, was die Marktanteile angeht“, berichtet Utz. Die Nachfrage aus den Zahnarztpraxen nach den Alignern von Straumann sei jedenfalls hoch und wachse weiter.

Unternehmenskultur und Mitarbeitende

Nicht nur während der Corona-Pandemie hat sich Straumann in Freiburg bei den Kundinnen und Kunden auch als Unternehmen mit Kompetenz zum Thema Mitarbeiter, Fachkräfte und Unternehmenskultur Aufmerksamkeit erworben. „Unternehmens- und Mitarbeiterkultur sind bei uns hier in Freiburg kein neues Thema. Wir machen das schon lange. Als ich vor 20 Jahren ins Unternehmen kam, war das schon praktizierte Kultur. Und das ist ja auch nichts, was man einmal macht, und dann bleibt das. Unternehmens- und Mitarbeiterkultur sind ständig auf der Agenda, das ist ein ständiger Prozess, der vom Mitmachen lebt. Für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das mitunter überraschend, wie offen das hier gelebt wird und wie oft zum Beispiel Mitarbeiterbefragungen durchgeführt werden – übrigens mit großer Beteiligung“, berichtet Utz. Er selbst hat bei den Esthetic Days 2022 gemeinsam mit der Personalchefin dazu eine viel beachtete Session gehalten und war und ist aktiver Teil der Prozesse.

„Das macht ja auch Spaß, wir bekommen direktes Feedback zu Plänen und Ideen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aktiv und kommen in allen Bereichen mit eigenen Ideen und Verbesserungsvorschlägen, die uns alle voranbringen“.

Aktuell sind im Freiburger Gebäude die Arbeitsplätze in einigen Bereichen um mehr als die Hälfte in Shared Workplaces umgestaltet und an die neuen Arbeitskonzepte angepasst worden. Auch nach der Corona-Zeit ermöglicht das Unternehmen das Arbeiten im Homeoffice, denn es reduziert den Pendelverkehr und soll die Work-Life-Balance verbessern.

Nachhaltigkeit, soziale regionale Initiativen

Ein weiteres Thema, dass die Straumann Group und natürlich auch die Freiburger auf die Agenda gesetzt haben, ist nämlich die Nachhaltigkeit. Und auch hier geht man das Thema unter vielen Aspekten an – von den in der Cafeteria angebotenen regionalen Produkten und wiederverwendbarem Geschirr bis zur Energie und zur sozialen Verantwortung. Bis 2024 will die Unternehmensgruppe zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen, wobei derzeit global bereits ein Anteil von 93 Prozent erreicht ist. Und die Unternehmensgruppe begreift das Thema umfassend, wie auch die Kapitel im aktuellen Geschäftsbericht 2023 zeigen. Nicht nur beim Strom, auch bei den Emissionen hat man sich hohe Ziele gesetzt.

„Zur Reduzierung unseres CO2-Fußabdrucks und zur Unterstützung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft streben wir bis 2040 an, in unserer gesamten Wertschöpfungskette keine Treibhausgasemissionen mehr zu verursachen.

Egal, ob Abfallmanagement, Müllvermeidung und reduzierte Verpackungen, in allen Bereichen ist man aktiv. In Freiburg hat sich dazu die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit gegründet, die sich vor allem auf lokal schnell umsetzbare Initiativen, Anregungen und Ideen der Mitarbeitenden konzentriert. Für einen emissionsarmen Weg zur Arbeit beteiligt sich Straumann für seine Beschäftigten zum Beispiel am Konzept von Dienstrad-/E-Bike-Leasing und übernimmt zusätzlich die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs. „Wir haben die Elektrifizierung unseres Fuhrparks gestartet und wollen perspektivisch komplett auf Elektromobilität umsteigen“, so Utz. Aktuell sehe man noch einige die Herausforderungen, zum Beispiel bei der noch nicht überall verfügbaren Infrastruktur für E-Fahrzeuge im ländlichen Raum und im Stadtgebiet. Am Standort Freiburg wurden mittlerweile sechs weitere Ladestationen für Dienstfahrzeuge und Mitarbeiterfahrzeuge in der Firmen-Tiefgarage installiert. Das Gebäude wird bereits zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt. Darüber hinaus wurde die Geschäftsreisepolitik angepasst; Flüge innerhalb Deutschlands werden durch Bahnfahrten ersetzt.

Auch das Thema Schutz der Bienen und Erhaltung der Biodiversität wurde angegangen. „Wir haben 2022 Bienenvölker auf dem Dach des Freiburger Firmengebäudes angesiedelt. Aktuell produzieren fünf Bienenvölker fleißig Honig, der bei unseren Mitarbeitern sehr beliebt ist,“ erklärt dazu Andreas Utz. Hinzu kommen soziale Projekte in aller Welt. „Wir unterstützen mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier in Freiburg zwei regionale Initiativen für junge Menschen, die an Krebs erkrankt sind, und junge Menschen mit Handicap. Das ist uns allen hier ein großes Anliegen“, berichtet Utz.

Neue Aufgaben in Basel

Jetzt steht für Andreas Utz der Wechsel nach Basel an – wieder einmal. Was erwartet er? „Ich freue mich auf diese herausfordernde Aufgabe. Da trete ich ja in nicht ganz kleine Fußstapfen“, meint er. Und auch wenn Basel ihm vertraut sei, werde Freiburg ihm schon fehlen, die gemeinsam geleistete Arbeit, die Kolleginnen und Kollegen, mit denen er auch schwierige Zeiten wie die Corona-Pandemie erfolgreich durchgestanden hat. Seinem Nachfolger Jörg Aumüller hinterlässt er ab 1. September 2024 ein gut bestelltes Haus mit einem engagierten Team und zukunftsorientierte Projekte.

Erstveröffentlichung: Quintessenz News