Es gibt – auch im Recht – Prozesse, die man nur glaubt, weil die Urteilsquelle über jeden Zweifel erhaben ist. Über einen solchen, vom Anwaltsgerichtshof (AnwGH) Hamm am 07.08.2024 (AZ: 1 AGH 40/23) entschiedenen Fall, will ich hier berichten.
Kläger ist ein Anwalt, der eine Patientin beim Landgericht (LG) Köln in einem Honorar- und Schadensersatzprozess gegen einen Zahnarzt vertreten hatte. In zweiter Instanz ließ sie sich nicht mehr von ihm vertreten. Er rechnete vergeblich sein Resthonorar ab, seine Zahlungsklage wies das Arbeitsgericht (AG) Köln als unzureichend begründet ab. Über die Berufung gegen dieses Urteil entschied dieselbe Kammer des LG Köln, die auch über den Zahnarzthonorarstreit entschieden hatte. Ein Befangenheitsantrag wegen Vorbefassung blieb erfolglos. Gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrag legte der Anwalt sofortige Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:
„Als ich den Beschluss vom 16.2.2022 bekommen habe, wollte ich es zunächst nicht glauben: Ich versuche gesetzliche Gebührenansprüche durchzusetzen, gegen eine vormalige Mandantin, vertreten durch eine Anwältin, worüber in erster Instanz entschieden wurde durch eine Amtsrichterin. Dazu lehnte ich in der Berufungsinstanz die vormalige Vorsitzende Richterin am Landgericht ab und die Vertreterkammer entscheidet in der Besetzung durch drei Richterinnen. (Falls die Sache zum OLG vorgelegt werden sollte, kommen nun noch drei Richterinnen?) Was ist mit der Justiz passiert? – Female Law. Als Mann hat man es wirklich nicht leicht; die Luft ist in diesem Verfahren auffällig „östrogenhaltig“. (Ich habe Zweifel, ob das so prozessordnungsvorschriftsmäßig ist: Würden ausschließlich Männer in erster und zweiter Instanz über Ansprüche von Frauen entscheiden, riefe dies unter „Gendergesichtspunkten“ heutzutage wohl Protest hervor.)
In einem weiteren Schriftsatz führte der Anwalt u.a. aus, „Sachlich – von einem rechtsstaatlichen Standpunkt aus – finde ich mein Anliegen auch nicht völlig unbegründet. In welch unmögliche Situation bringt mich das denn nun, wenn ich mir gestatten darf, diese mit einem in der Justiz ansonsten unerlaubten Humor zu persiflieren: (Um mehr als Taschengeld geht es mit Blick auf die Akte hier schließlich nicht.): „Der Senat ist meine letzte Hoffnung.“ In einem weiteren Schriftsatz heißt es dann: „Richter entwickeln im Laufe der Berufsjahre einen Blick für den eigenen Nabel bzw. richten den Fokus stark auf ihre eigenen Bedürfnisse; dass es uns noch erheblich schlechter geht, sehen sie nicht (sie waren in aller Regel noch nie Anwälte, oder falls doch, dann nur in „Großkanzleien“). Früher gab es das böse Wort vom „Finanzjudentum“, welches insinuierte, dass alle Judenreich wären; in Justizkreisen treffe ich häufig auf das Vorurteil des „Finanzanwalttums“. Haftungsstreitigkeiten über Gesundheitsschäden mit Streitwerten bis 20.000 € zu führen, ist für einen Anwalt unter dem RVG „Liebhaberei“; ich nehme daher keine Zahnarzthaftungssachen mehr an, weil diese Mandate undankbar und schlecht bezahlt sind [die einzigen, die daran verdienen, sind die Sachverständigen]… und die arroganten Arschlöcher, die wir – pardon [damit sind nicht notgedrungen jene des LG Köln gemeint] – in den Reihen der Justiz in allen Gerichtszweigen leider haben, sich darin gefallen und ihr Amt dazu missbrauchen, Anwälte herumzuschubsen … um sich darüber eine Katharsis zu verschaffen und sich selber aufzuwerten. „Sie wissen gar nicht, wie vergleichsweise gut sie es unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit Corona haben. [Ich lasse mich durchaus auch „schubsen“; das gehört zum Beruf dazu; aber dann soll es zumindest bitte auskömmlich bezahlt sein. Ich könnte mich zwar auch vornehmer ausdrücken; aber warum soll man die Dinge nicht ruhig mal beim Namen nennen.]“
Nachdem das LG Köln die Anwaltskammer eingeschaltet hatte, wollte der Anwalt proaktiv festgestellt wissen, dass seine schriftsätzlichen Äußerungen nicht rechtswidrig gewesen seien, er insbesondere nicht gegen das anwaltliche Sachlichkeitsgebot verstoßen habe. Der AnwGH entschied, die Klage sei unzulässig. Nur die Anwaltskammer könne diesbezüglich Maßnahmen ergreifen, was sie aber nicht getan habe. Das Gericht befand den Fall aber offenbar für so kurios, dass es den wenigen Zeilen der Urteilsgründe den ausführlichen Sachverhalt voranstellte.

Prof. Dr. Thomas Ratajczak
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI
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