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Impfpflicht: Impfschutz und Beschäftigungsverbot nach der Hygienerechtsprechung

Prof. Dr. jur. Thomas Ratajczak

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachan- walt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI

Kanzlei RATAJCZAK & PARTNER Rechtsanwälte mbB Berlin · Duisburg · Essen · Freiburg i.Br. · Köln · Meißen · München · Sindelfingen

Posener Str. 1, 71065 Sindelfingen
Tel.: 07031-9505-27 (Frau Sybill Ratajczak)
Fax: 07031-9505-99

In Deutschland führen wir eine seltsame Diskussion um die Frage, ob allgemein oder doch einrichtungsspezifisch eine Impfpflicht eingeführt werden müsse. Der Gesetzgeber hat sich in dem ab 16.03.2022 gelten sollenden (bei Redaktion dieses Beitrags war unklar, ob dies auch so bleibt) für die Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht entschieden. Welche Konsequenzen der fehlende Impfstatus hat, hat der Gesetzgeber nicht entschieden.

Wie sieht die aktuelle Rechtslage aus, wenn ein Patient behauptet, er habe sich in der Zahnarztpraxis infiziert? Muss der Patient darüber aufgeklärt werden, dass nicht alle Mitarbeiter geimpft sind? Hat er Anspruch darauf, nur von Geimpften behandelt zu werden? Der einfachste Fall dürfte derjenige sein, dass sich ein Patient in der Behandlung bei infizierten Mitarbeitern ansteckt, die in Kenntnis der Infektion dennoch in die Behandlung eingebunden wurden. Das führt unweigerlich zur Haftung des Praxisinhabers, der dann allerdings wegen § 103 VVG um seinen Versicherungsschutz fürchten muss. Nicht viel komplizierter ist der Fall, dass ein Praxismitarbeiter infiziert ist, das für sich behält und einen Patienten ansteckt. Dann haftet der Mitarbeiter dem Patienten persönlich nach § 823 BGB.

Dass in der aktuellen Diskussion die Pflichten um die Infektionsvermeidung, welche die Rechtsprechung herausgearbeitet hat, so überhaupt keine Rolle spielen, ist schon sehr verwunderlich (s. mein Beitrag zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Hygienemängeln).

Ein Mitarbeiter muss sich nicht impfen lassen, wenn er nicht will. Aber er darf auch nicht andere bei der Arbeit mit einer potenziell schwerwiegenden Krankheit anstecken.

Schwieriger wird es, wenn der Praxisinhaber den Impfstatus seiner Mitarbeiter nicht kennt. In Deutschland ist die Diskussion um die Frage, ob der Mitarbeiter den Impfstatus mitteilen oder nur in die regelmäßige Testung einwilligen muss, nicht abgeschlossen. Wenn man COVID-19 als Bedrohung ansieht und es mit dem Patientenschutz ernst nimmt, muss der Praxisinhaber den Impfstatus seiner Mitarbeiter kennen dürfen; denn wenn es zu einer Infektion durch den Mitarbeiter kommt, haftet in jedem Fall nicht nur der Mitarbeiter dem Patienten nach § 823 BGB direkt, sondern auch der Praxisinhaber nach § 278 BGB – und zwar, ohne dass es auf ein Verschulden des Praxisinhabers ankommt. Der Blindflug, den Deutschland seinen Praxen und Kliniken mit dem Datenschutzargument in diesen Bereichen aufzwingt, ist infektionsprophylaktischer Unverstand. Leider kann man die Haftungsfälle, die sich daraus generieren, nicht an die Bundesregierung oder den Bundestag weiterreichen.

Muss der Patient wissen, dass die Mitarbeiter einer Praxis ganz (das gibt es tatsächlich auch aktuell noch) oder jedenfalls teilweise ungeimpft oder nicht ausreichend geimpft sind oder der Praxisinhaber es einfach nicht weiß? Der BGH hat bereits am 10.11.1970 – VI ZR 83/69 – entschieden, dass ein Krankenhausträger, der aus Gründen seiner sachlichen und personellen Mittel dem erforderlichen Stand der Hygiene nicht zu genügen vermag, verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass in Geburtsfällen vor Vertragsabschluss unmissverständlich auf die beschränkten Hygiene-Verhältnisse des Krankenhauses hingewiesen wird. Das wird man angesichts der Schäden, die eine COVID-19-Infektion verursachen kann, auf Praxen in gleicher Weise anwenden müssen. Der Patient ist also nach den Anforderungen der Rechtsprechung aufzuklären, wenn es Hygienedefizite in der Praxis gibt. Dazu gehört im Zweifel wohl auch der Hinweis, dass die Mitarbeiter nicht alle geimpft oder die Details nicht bekannt sind. Dann kann er sich dennoch für die Behandlung in der Praxis entscheiden, woanders sein Glück versuchen oder sich nicht behandeln lassen. Man tut gut daran, diese Hinweise zu dokumentieren.