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Jameda hat gewonnen

Prof. Dr. jur. Thomas Ratajczak

Email.: dr.randelzhofer@icc-m.de

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachan- walt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI

Kanzlei RATAJCZAK & PARTNER Rechtsanwälte mbB Berlin · Duisburg · Essen · Freiburg i.Br. · Köln · Meißen · München · Sindelfingen

Posener Str. 1, 71065 Sindelfingen
Tel.: 07031-9505-27 (Frau Sybill Ratajczak)
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Der Bundesgerichtshof hat sich in zwei Entscheidungen vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19 – und – VI ZR 489/19 – erneut mit Klagen gegen das Arztbewertungsportal Jameda befasst. Über die Entscheidung vom 20.02.2018 hatte ich in pip 2/2018 berichtet.

Jameda wird von monatlich mindestens sechs Millionen Nutzern besucht. Es erstellt für alle Ärzte/Zahnärzte unter Verwendung von Daten aus allgemein zugänglichen Quellen ein Basisprofil mit Namen, akademischem Grad, Fachrichtung, Praxisanschrift, weiteren Kontaktdaten und Sprechzeiten. Nutzer des Portals können die Ärzte/Zahnärzte nach bestimmten, vorgegebenen Kriterien benoten und bewerten. Aus den abgegebenen Einzelbewertungen werden in Kategorien Durchschnittsnoten gebildet, aus diesen wiederum eine im Profil sichtbare Gesamtnote für den jeweiligen Arzt. Jameda bietet den in ihrem Portal erfassten Ärzten/Zahnärzten den Erwerb eines Gold- oder Platinpakets gegen monatliche Zahlungen von 69 € bzw. 139 € an, die es ermöglichen, die Profilseiten ansprechender zu gestalten.

Dagegen hatten sich zwei Zahnärzte gewehrt. Sie verfügen über kein kostenpflichtiges Paket bei Jameda und werden mit dem Basisportal geführt. In ihre Aufnahme in das Portal haben sie nicht eingewilligt. Mit ihren Klagen verlangten sie zum einen die vollständige Löschung ihrer Daten aus dem Portal der Beklagten, zum anderen, es auch in Zukunft zu unterlassen, betreffende Profile zu veröffentlichen, wenn das Portal bestimmte Merkmale aufweist. Konkret wandten sie sich hierbei gegen eine Vielzahl von Unterschieden bei der Ausgestaltung von zahlungspflichtigen Gold- oder Platinprofilen einerseits und Basisprofilen andererseits (z. B.: Verlinkung anderer Ärzte bzw. Ärztelisten, die Möglichkeit, Bilder, Texte u. ä. einzustellen, Werbung von Drittunternehmen) sowie eine unterschiedliche Behandlung von zahlenden und nichtzahlenden Ärzten in Bezug auf bestimmte Serviceleistungen. Die Klagen hatten in 1. Instanz ganz, in 2. Instanz teilweise Erfolg. Der BGH hält die Unterscheidung in Basisportale und bezahlte Portale mit Zusatzbenefits für zulässig. Er stört sich auch wie schon 2014 nicht daran, dass Bewertungsportale die Ärzte gegen ihren Willen in dem Basisportal listen und verneint 2021 nunmehr einen generellen Löschungsanspruch. Die entsprechenden Interessen des Betreibers und der Nutzer wögen schwerer als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der gegen ihren Willen aufgenommenen Ärzte. Voraussetzung für die Listung ist nach der 2018er-Entscheidung des BGH, dass Jameda als neutraler Informationsvermittler auftritt. Im Hinblick auf die am 12.10.2021 entschiedenen Verfahren hatte Jameda seine Seiten nachgebessert. Konsequenz war, dass die beiden Zahnärzte insoweit den Prozess zwar für die Vergangenheit gewonnen haben, aber ihr Unterlassungsanspruch für die Zukunft nicht durchging, weil der BGH Jameda nunmehr insoweit als neutralen Informationsvermittler ansieht.

Die Urteile sind für die Praxen, die nicht bei Jameda bezahlte Profile haben (es sollen 70.000 sein) ein Problem. Denn wenn die Praxis gegen ihren Willen gelistet und bewertet werden darf, ist sie im Eigeninteresse verpflichtet, die Einträge auf Jameda zu verfolgen. Das erhöht die Verwaltungskosten für die Praxen. Wer das nicht leisten will oder kann, bucht bei Jameda ein Premium-Paket. Die Marktmacht des Portals erhöht den Druck zugunsten von Jameda. Ob der Bundesgerichtshof diese Probleme gesehen hat? Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Die Urteile vom 12.10.2021 sind auch deshalb ein Problem, weil es bei den Bewertungen nicht stets mit rechten Dingen zugehen kann.

Wer immer sich in der Kollegenschaft auskennt, sei es, weil er Gutachter, sei es, weil er als Anwalt in diesem Bereich tätig ist, wird sich über positive Bewertungen für Praxen wundern, deren fachliche Qualität bekanntermaßen schlecht ist. Jameda ist das Problem zwar potenziell bekannt. Ende 2018 wurde mitgeteilt, dass 18 Ärzte wegen bei Agenturen gekaufter Bewertungen abgemahnt wurden.

Aber die Agenturen sind m.E. nicht das Problem, sondern die selbst mit Fake-Profilen und dgl. aufgehübschten Eintragungen – und die Bereitwilligkeit seitens des Portals, unangenehme Eintragungen zu löschen, offenbar in Abhängigkeit von den gekauften Premiumprofilen. Jameda hat zwar jetzt gewonnen. Aber die Frage „Vermittlung von Information oder doch nur von Fake News“ wird die Gerichte auf lange Zeit beschäftigen.