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Patientendaten: Nachtigall, ick hör Dir trapsen

Über Patientendaten, Datenschutz, DVG, Big Data, Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung im Gesundheitswesen

Am 07.11.2019 beschloss der Bundestag das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (DVG). Es bringt Apps auf Rezept, Videosprechstunden und soll erlauben, „überall bei Behandlungen auf das sichere Datennetz im Gesundheitswesen zuzugreifen“, wie es in der Selbstdarstellung des Bundesgesundheitsministers aus Anlass der Verabschiedung des Gesetzes lautete. Der Bundesrat wird das Gesetz passieren lassen.

Am 11.11.2019 berichtete das Wall Street Journal über Googles Projekt Nightingale. Die Meldung wurde ab dem 12.11.2019 mit Schlagzeilen wie „Google sichert sich Millionen Patientendaten“ (Ärztezeitung Online) oder „Google geht auf Patientenjagd“ (Telepolis) verbreitet. Google soll einen Vertrag mit Ascension abgeschlossen haben, dem größten gemeinnützigen Anbieter von Gesundheitsleistungen in den USA. Google soll nach den Meldungen in die Lage versetzt werden, mithilfe der Patientendaten eigene Produkte insbesondere im Bereich Digital Health zu entwickeln. Die Ärztezeitung meldete, Google dürfe auf Laborergebnisse, ärztliche Diagnosen, Krankenhausaufenthalte sowie die vollständige Gesundheitshistorie des Patienten, inklusive dessen Name und Geburtsdatum zugreifen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung griff das Thema am 16.11.2019 in erweiterter Fassung auf und meldete, Dutzende spezialisierte Gesundheits-Websites leiteten nach Informationen der in London erscheinenden „Financial Times“ Daten über Internet-Klicks zu medizinischen Symptomen und Krankheitsbildern an Internet-Riesen wie Google, Amazon und Facebook weiter.

Der Weg, der mittlerweile beschritten wurde, dürfte nicht umkehrbar sein. Gesundheits-Apps arbeiten mit Algorithmen, die in sie programmiert werden müssen. Je intelligenter, anpassungsfähiger und smarter diese sind, umso mehr werden sie dem Patienten als Anwender der Gesundheits-Apps nutzen. Je mehr Wissen über tatsächliche Gesundheitsverläufe realer Personen in die Entwicklung der Apps einfließen kann, desto verlässlicher dürften die Apps funktionieren. Es ist im Interesse des Systems, dass die Apps nutzen und nicht schaden.

Damit kommt man zu schwierigen Fragestellungen. In Deutschland würde das Projekt Nightingale wie so viele andere Entwicklungsprojekte im Gesundheitswesen an Patientenschützern, Datenschutzüberlegungen, allgemeiner politischer Einstellung, die gerade im Gesundheitsdatenschutz ja schon etwas Schizophrenes hat, scheitern oder massiv erschwert werden (man denke an die Stammzellforschung und ihre Limitierung in Deutschland auf vor dem 01.01.2002 gewonnene bzw. vor dem 01.05.2007 nach Deutschland importierte Stammzellen). An Persönlichkeitsspaltung kann man denken, weil dieselben Patienten, denen ihre Gesundheitsdaten so überaus wichtig sind, keine Probleme damit haben, ihre gefühlten Krankheitssymptome zu googeln und sich damit im Netz zu outen oder sich in einschlägigen Foren unter freiwilliger Preisgabe ihrer Daten Zweitmeinungen und anderes mehr zu suchen.

Aber es gibt in Deutschland keine Hindernisse noch auch nur nennenswerte Bedenken, die zwar nicht mit deutschen Patientendaten, aber mit Patientendaten von irgendwo entwickelten Arzneimittel (man denke nur an orale Kontrazeptive) Medizinprodukte und nunmehr auch Gesundheits-Apps zu importieren, anzuwenden und vom deutschen Gesundheitssystem bezahlen zu lassen.

Man könnte sich da schon ab und zu mal die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Wertschöpfungskette stellen. Muss der amerikanische Markt davon profitieren, dass Google und Andere Patientendaten auswerten dürfen – und das deutsche Gesundheitswesen bezahlt dann die daraus resultierenden Produkte, hat aber nichts von der Wertschöpfung, die etwa in der Entwicklung und Produktion enthalten ist?

Kontakt Autor

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI
Kanzlei Ratajczak & Partner Rechtsanwälte mbB
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