Die Politik begegnet dem zuletzt wieder skeptisch, wie die Äußerung des Bundesgesundheitsministers auf einer Pressekonferenz am 22.05.2024 erkennen lässt. Interessanter als diese Haltung der Politik ist aber, was sich in der Rechtsprechung tut. Hier ist auf zwei neue Entscheidungen hinzuweisen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 13.12.2023 – B 6 KA 15/22 R – festgelegt, dass die Abrechnungssammelerklärung nur mit der Unterschrift des (zahn)ärztlichen Leiters wirksam ist und dieser auch bei einem MVZ, dessen Träger eine GmbH ist, nicht durch den Geschäftsführer vertreten werden kann, wenn der Honorarverteilungsmaßstab die Unterschrift des ärztlichen Leiters verlangt. Im Streitfall hatte es für zwei Quartale keinen bestellten ärztlichen Leiter gegeben. Der ursprünglich bestellte war ausgeschieden, eine daraufhin ohne ihr Wissen als ärztliche Leiterin benannte, angestellte Ärztin hatte die Bestellung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestritten.
Die KV hob daraufhin die Honorarbescheide für die zwei Quartale auf und forderte das gesamte Honorar (135.918,69 €) zurück. Zurecht, wie auch das BSG befand. Dass nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der Geschäftsführer und nicht der ärztliche Leiter eine MVZ-GmbH vertrete, stehe einer HVM-Regelung nicht entgegen. Eine solche HVM-Regelung stelle keinen statusrelevanten Eingriff dar und könne deshalb ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen werden. Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung mangels Unterschrift bzw. mangels korrekter Unterschrift gar nicht erst entstanden ist und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches des Arztes bzw. des MVZ fehlt, sei der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes bzw. des MVZ beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Die KV sei dann berechtigt, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben.
Dass Sozialgericht (SG) München knüpft in einer Entscheidung vom 29.02.2024 – S 49 KA 5037/23 – an diese Gedankengänge an. Notwendige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung eines MVZ sei, dass dieses tatsächlich über einen (zahn)ärztlichen Leiter verfüge. Leistungen, die von einem MVZ erbracht werden, das keinen (zahn)ärztlichen Leiter habe, der die Betriebsabläufe tatsächlich steuere und sicherstelle, dass (zahn)ärztliche Entscheidungen unabhängig von sachfremden Erwägungen getroffen werden, seien sachlich rechnerisch zu berichtigen, unabhängig davon, dass das MVZ weiter über eine Zulassung verfügt.
Im Fall hatte das ZMVZ vom 29.07. – 24.11.2021 über keinen zahnärztlichen Leiter verfügt, weil bei der bisherigen zahnärztlichen Leiterin H. ab dem 29.07.2021 ein Beschäftigungsverbot nach Mutterschutzgesetz gegolten hatte. Davon wurde der Zulassungsausschuss erst am 25.10.2021 informiert und auch darüber, dass ab dem 25.11.2021 ein neuer zahnärztlicher Leiter bestellt sei. Der Zulassungsausschuss stellte das Ende der zahnärztlichen Leitung durch H. zum 24.11.2021 fest. Die Krankenkassen forderten von der KZV, dass für den Zeitraum des tatsächlichen Endes der zahnärztlichen Leitung das Honorar des ZMVZ sachlichrechnerisch zu berichtigen sei. Zurecht, wie das SG fand.
Dass H. nach dem 28.07.2021 weiter formal Ansprechpartnerin in Bezug auf organisatorische Fragestellungen geblieben sei, stelle keine zahnärztliche Leitung dar. Abgesehen davon, dass es an einer zahnärztlichen Tätigkeit komplett fehlte, es sei auch nicht erkennbar, wie durch ein Zurverfügungstehen als Ansprechpartnerin eine Verantwortung für die Steuerung der Betriebsabläufe sowie eine Gesamtverantwortung gegenüber der KZV wahrgenommen werden oder wie ohne tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten sichergestellt werden könne, dass ärztliche Entscheidungen unabhängig von sachfremden Erwägungen getroffen werden. Die vorliegende Konstellation sei nicht vergleichbar mit Fallgestaltungen, in denen ein zahnärztlicher Leiter sich im Urlaub befifinde, krank oder nur halbtags tätig sei und gegebenenfalls ordnungsgemäß vertreten werde. Von Seiten des ZMVZ und auch der KZV sei nichts dazu vorgetragen worden, ob und von wem H. als zahnärztliche Leiterin vertreten wurde. Im Gegenteil sei auf Rückfrage des Gerichts, wer im fraglichen Zeitraum die Aufgaben der zahnärztlichen Leitung übernommen hat, von Seiten des ZMVZ dazu keinerlei Auskunft erteilt worden.
Der Fall zeigt die Probleme von MVZ mit nur einem ärztlichen Leiter auf. Fällt der von heute auf morgen weg und wird nicht nahtlos ersetzt, dann sind die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen nicht abrechenbar. Auf die fortbestehende Zulassung des MVZ kommt es nicht an.
Prof. Dr. Thomas Ratajczak
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI
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