hero-ribbon

Neuigkeiten zur IDS hier auf www.frag-pip.de

9. Piezosurgery Intensiv-Fortbildung Sestri Levante

Immer wieder ein fachliches Highlight setzt die Piezosurgery-Intensiv-Fortbildung von Mectron in Sestri Levante an der pittoresken ligurischen Küste. Allein der Weg zum Kongresszentrum in einem alten Kloster, direkt über der halbmondförmigen Bucht, gibt Energie für den inhaltlich dichten Fortbildungstag. Statt kurzatmiger 20-Minuten- Referate gibt es die Experten hier zum Anfassen. Der mit maximal 50 Teilnehmern bewusst klein gehaltene Kreis erlaubt Diskussionen in der Tiefe und unbegrenzte individuelle Fragen.

Autologer Knochen als Goldstandard, Periostschlitzung, Blockaugmentate aus dem Beckenkamm – Prof. Dr. Dr. Dr. Shahram Ghanaati räumte temperamentvoll erst einmal mit einer ganzen Reihe von Dogmen auf. Im Gegensatz zum Unfallchirurgen und Traumatologen werde in der Dentalchirurgie mit Ausnahme der Osteodistraktion durchweg augmentiert statt regeneriert – physiologisch gänzlich unterschiedliche Prozesse. Die nach Trauma freigesetzten biologischen regenerativen Mechanismen greifen in der zahnmedizinischen Chirurgie demnach in der Regel nicht. Materialien als Platzhalter zu nutzen sei bedingt sinnvoll. Vor allem aber ginge es darum; die biologische Wundheilung zu initiieren und bestmöglich zu unterstützen. „Entzündung ist nicht gleich Infektion! Eine Wundheilung ist eine inflammatorische Antwort aber keine infektiöse.“ Ausführlich informierte Prof. Ghanaati über die verfügbaren Augmentationsmaterialien und deren jeweilige Eigenschaften, Vor- und Nachteile und leitete schließlich zum Einsatz von PRF für eine verbesserte Gewebeheilung über. Welche biologischen Wundheilungsfaktoren spielen eine Rolle, wie setzen sich die flüssige und die solide PRF-Matrix genau zusammen und welchen Einfluss hat dies auf die Gewebeheilung? „Periimplantitis ist kein Zustand, sondern ein Vorgang und fängt manchmal schon mit der Wahl des falschen Materials an.“ PRF sei kein Produkt, sondern eine Blutmatrix und werde daher auch nie andere augmentative Materialien ersetzen. „PRF ist das Doping für regenerative Materialien!“ PRF schaffe eine idealisierte Reaktion der Immunantwort und dürfe als natürliches „drug delivery system“ für die Geweberegeneration gelten. Im praktischen Workshop stellte Ghanaati detailliert das neue Frankfurter Protokoll zur Gewinnung der unterschiedlichen PRF-Formen mittels eines einzigen Zentrifugationsganges vor. „Entscheiden Sie indikationsbezogen, ob Sie eine flüssige Form, ein Material für die Herstellung von Sticky Bone oder für eine Membran einsetzen wollen.“ Prof. Ghanaati setzt PRF zur parodontalen und periimplantären Regeneration, zur Socketabdeckung, zur Rezessionsdeckung, beim Sinuslift und zur Schmerz- und Narbenbehandlung ein und erfährt signifikant weniger Schmerzen und Schwellungen und eine verbesserte Wundheilung beim Patienten.

Piezosurgery

Von Wundheilungskonzepten bis zur Parodontalchirurgie

Nahtlos knüpfte anderentags Dr. Sebastian Becher, Fachzahnarzt für Parodontologie in der Düsseldorfer Praxis an der Königsallee an, der PRF seit fünf Jahren erfolgreich in einer Vielzahl von Indikationen einsetzt. Sehr praxisnah demonstrierte er eine ganze Serie klinischer Fälle und ihre Besonderheiten. Wesentlich für Dr. Becher war, das System ohne viel Aufwand chairside einsetzen zu können. PRF als vitale Zellenmatrix sei ganz nah an der Biologie. Neben den genannten Indikationen hat Dr. Becher auch Vorteile in der Behandlung von Bisphosphonat-Patienten beobachtet, da durch die Verbesserung der Weichgewebe weniger Dehiszenzen entstehen. Durch die Biologisierung und Stabilisierung des Augmentats mittels PRF könne man sehr gut vertikale Höhe gewinnen. Perforationen der Schneider’schen Membran lassen sich mit der A-PRF-Membran abdecken: „Das pappt wie eines dieser Gummi-Fensterbilder für Kinder!“

Ebenso erfolgreich setzt Becher das Konzept bei Zystektomien und in der parodontalen Regeneration ein. Ein wenig bemängelt er, dass die Datenlage im direkten Vergleich zu etablierten Techniken wie GTR oder Schmelzmatrixproteinen aktuell noch zu dünn sei – hier sieht er ein aussichtsreiches Forschungsgebiet. Wichtig sei die Anzeigepflicht des Einsatzes von Blutkonzentraten bei der Bezirksregierung – „und achten Sie darauf, dass Sie eine Bestätigung bekommen!“ Im zweiten Vortragsteil gab er ein Update „Pathodontologie intensiv“. Die Dropout-Quote in der Erhaltungstherapie liege bei 70 Prozent, „es ist unsere Aufgabe, den Patienten immer neu zu motivieren!“ Eine mangelhafte instrumentelle Ausreinigung kann von adjuvanten Therapien, wie Laser, aPDT et cetera, nicht wettgemacht werden; die sorgfältige Entfernung des Biofilms und der Plaque bleibt die wesentliche Therapiegrundlage. Adjuvant schleust er wiederum über drei Monate Lactobacillus reuteri in die Mundhöhle ein und stabilisiert damit den mikrobiotischen Biofilm. „Das zeigt eine bessere Wirkung als eine systemische Antibiose.“

Dr. Becher gab praktische Entscheidungshilfen zu Zielen und Endpunkten der PA-Therapie, zeigte diverse Zugangslappenoperationen, Beispiele resektiver Parodontalchirurgie, modellierende Osteoplastiken und Ostektomien sowie plastisch-rekonstruktive Parodontalchirurgie auf höchstem Niveau. Mangelhafte Mundhygiene und Raucher von über zehn Zigaretten am Tag disqualifizieren sich bei ihm für eine resektive Parodontalchirurgie. Die operativen Fähigkeiten des Behandlers seien erfolgsentscheidender als die verwendeten Materialien, das beginne mit dem primären Wundverschluss. Er präsentierte sehr praxisnah Papillenerhaltungs-, minimalinvasive Parodontalchirurgie- und gewebestabilisierende Nahttechniken. Kombinationstherapien von Schmelzmatrixproteinen mit autogenem Knochen oder bovinem KEM zeigen gute Erfolge bei instabilen mehrwandigen Defekten. In der parodontalen Regeneration sollte man das KEM nicht mit Blut oder PRF, sondern mit SMP wie Emdogain konditionieren, weil es einen besseren Einfluss auf die Osteoblastenaktivität ausübt. „Parodontale Regeneration braucht Zeit“, gab Dr. Becher seinen Hörern und deren Patienten mit auf den Weg.

Piezosurgery

Modifizierte Augmentationstechniken

Mit Dr. Stefan Reinhardt setzte die Piezosurgery Intensiv-Fortbildung am dritten Tag ein weiteres Highlight mit dem Thema „Modifizierte Augmentationstechniken für die implantologische Praxis“. Von 1.000 gesetzten Implantaten in ihrer Praxis seien inzwischen zirka 250 Sofortimplantationen. Eingangs seines Vortrags zeigte er zunächst ein „Potpourri aus Misserfolgen“ – jeder maßgeblich implantierende Zahnarzt erlebe diese in der eigenen Praxis oder innerhalb seiner Zuweiser-Tätigkeit und jede Praxis durchlaufe eine Lernkurve. Dehiszenzen seien in seinen Augen eine ganz wesentliche Problematik, „wie kriege ich die Wunde anhaltend zu?“. Bei der Übersicht über die aktuell verfügbaren Membran-Typen und ihrer Vor- und Nachteile erinnerte er: „Nicht bei den Resorptionszeiten, bei der Dauer der Barrierefunktion liegt der Hase im Pfeffer!“ Bei einer Dehiszenzstudie mit Materialien verschiedener Hersteller zeigte die Kombination aus Bio-Oss mit Bio-Gide gute Ergebnisse.

Auch die Unterschiede der verfügbaren KEM erläuterte Reinhardt und zeigte in Folge die Envelope- als eine innovative GBR-Technik, bei der der Defekt aus dem Periost ernährt wird. Der spannungsfreie Wundverschluss sei mit dieser Technik kein Thema mehr, weil ein so gut durchbluteter Lappen verbleibt, dass keine Dehiszenzen mehr entstünden. Für periostschonende Eingriffe empfehlen sich statt eines Raspatoriums die Piezosurgery Periost-Elevatoren von Mectron. Für größere Defekte kombiniert Dr. Reinhardt einen autologen Knochenblock mit der Tunneltechnik und lobt für die Entnahme des Blocktransplantats erneut die Piezosurgery Technik. Ohne Auflage einer Membran kommt es zu einer Revaskularisation des Transplantatbetts und vom umgebenden Periost und Weichgewebe – damit werden Resorptionen und Dehiszenzen erfolgreich vermieden. „Das Periost kann schon was, darum sollte man es nicht abhalten!” Für die modifizierte Extensionsplastik zeigte Reinhardt spezielle Schnittführungen und verwendet spezielle Piezosurgery- Instrumente für das Bone Splitting. Es kommt hier immer noch vor- hersagbar zu leichten Resorptionen, was auch bei der Platzierung der Implantate einberechnet werden sollte, aber die Situation bleibt langzeitig stabil und entzündungsfrei.

Über Piezosurgery von Mectron wird trotz des Titels bei der Piezosurgery Intensiv-Fortbildung in Sestri Levante eigentlich am wenigsten geredet – das Prinzip ist in der Knochen- und Weichgewebschirurgie mit seinen minimalinvasiven Vorteilen hinreichend etabliert. Jeder Teilnehmer geht nach den drei Tagen in Sestri Levante wiederum mit einem intensiven Update in vielen Bereichen der Dentalchirurgie und der regenerativen Techniken und ganz sicher frisch motiviert sowie mit vielen neuen Impulsen zurück in die Praxis und Klinik. Trotz strahlenden Wetters an allen Tagen dankten die Teilnehmer die Hochkarätigkeit und Versatilität der Referenten mit einem stets voll besetzten Saal. 2020 ist zehnjähriges Jubiläum dieser außergewöhnlichen Veranstaltung – save the date!

Weitere Informationen