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Buch-Rezension: Kraniomandibuläre Dysfunktionen (2019) Thieme Verlag

Die Autoren des Buches „Kraniomandibuläre Dysfunktionen (2019)“ – erschienen im Thieme Verlag – verfolgen mit der systematischen Abhandlung der Diagnostik im zahnmedizinischen Bereich erfolgreich das Ziel Zahnärzte zu stützen, die zahnärztlichen Ursachen zu erkennen, ggfs. allein oder interdisziplinär zu behandeln oder je nach Ursache der CMD fachärztlich in die beteiligten ärztlichen Fachgebiete zu überweisen.

Unter der Diagnose Kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) werden Schmerzen und/oder Dysfunktionen der Kaumuskulatur und/oder der Kiefergelenke und/oder Funktionsstörungen der Okklusion zusammengefasst. Die historisch bedingten Entwicklungen der Begrifflichkeiten in der Funktionsdiagnostik sowie der ätiologischen Modelle für Erkrankungen im Bereich der Kaumuskulatur und der Kiefergelenke erklären die Breite der möglichen komplexen funktionellen Erkrankungsmuster. Dieses erschwert eine Darstellung der CMD als einheitliches Krankheitsbild, welches die breitgefasste Definition gemäß DGFDT „eine Reihe klinischer Symptome der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenks sowie der dazugehörigen Strukturen im Mund- Kopfbereich“ wiederspiegelt.

Übersicht zu den Kapiteln

Die einzelnen Kapitel sind übersichtlich auf 280 Seiten dargestellt, an geeigneten Stellen gut und mit aussagekräftigen insgesamt 322 Fotos und Grafiken bebildert und am Ende mit Literatur gestützt, sodass eine systematische Lesart im Sinne des roten Fadens unterstützt wird. Farblich abgesetzte beige Kästen der Kapitel liefern jeweils eine gute und knapp gehaltene Zusammenfassung über die relevanten Aspekte des Themenbereichs. Die für Zahnmediziner zum direkten Fachgebiet gehörenden Kapitel über Auswirkungen einer optimalen physiotherapeutischen, zahnmedizinischen Schienen- und Prothetikbehandlung auf die hyperaktive Muskulatur werden ebenso wie die nicht ursächlich oder nur teils dem zahnärztlichen Fachgebiet zuzuordnenden CMD-Beschwerden literaturgestützt systematisch abgehandelt.

Bereits zu Beginn des Buches wird der Leser anhand der vielen Unterfragestellungen im in drei Hauptkategorien (Ätiologie, Anatomie und Pathophysiologie; Diagnose; Therapie) gegliederten Inhaltsverzeichnis auf die Komplexizität der morphologischen und funktionellen Zusammenhänge aufmerksam gemacht. Auch wird klar, dass,  obwohl anatomisch im Mund- und Kieferbereich angesiedelt, die Gründe für eine hyperaktive Muskulatur bei den CMD-Erkrankungsformen nicht nur dem zahnärztlichen Fachgebiet zuzuordnen sind. CMD gilt als Risikofaktor für das Entstehen von Schlifffacetten, Frakturen oder parodontalen und endodontologischen Problemen – je nach Ursache und Ausprägung stellt die CMD-Erkrankung jedoch auch einen Risikofaktor für Kopf- und Gesichtsschmerzen, Tinnitus, Kiefergelenks-, HWS- und Rückenprobleme dar.

Fragestellungen schnell gezielt nachschlagen

Im Vergleich zu anderen Büchern, die das Krankheitsbild vom Allgemeinen zum Komplexen erklären, hat der Leser im vorliegenden Buch aber auch – ohne es komplett durcharbeiten zu müssen – die Möglichkeit,  Hinweise zu konkreten Fragestellungen schnell gezielt nachzuschlagen. Die Fragen zu den einzelnen Themenbereichen werden konkret formuliert, welches praxisnah die vermehrt aufkommenden Fragen zu den Symptomen und Befunden der Patientinnen und Patienten mit CMD wiederspiegelt. Je nach Themenbereich und Erkrankungsmuster liefert das Buch daraufhin einen guten Einblick über die Diagnostik, die einzelnen Einflussfaktoren, Indikationen und damit verbundenen therapeutischen Möglichkeiten inner- und außerhalb des zahnmedizinischen Fachgebietes.

Einfluss der Psyche und pharmakologische Behandlung 

Besonders erwähnenswert sind die drei Kapitel über den Einfluss der Psyche, die pharmakologische Behandlung und die Zusammenhänge bei einer kieferorthopädischen Therapie. Sowohl bei den medizinischen als auch bei den zahnmedizinischen Fachdisziplinen wird deutlich, dass die Behandlung von CMD-Patienten mit umfangreichem Wissen über die möglichen Ursachen, deren Abgrenzung zu anderen Fachdisziplinen und auch über die relevanten Auswirkungen auf Psyche und muskulär-orthopädische Kompensationsmechanismen erfolgen sollte. Hinweise und Hilfestellungen liefern Bevölkerungsverteilung, Einflussfaktoren, Wechselwirkungen und eine tabellarische Übersicht über mögliche Stressfaktoren sowie therapeutische Maßnahmen und Spezialambulanzen an Kliniken. Eine Systematik für die Identifikation von Patienten mit indifferentem, nicht fassbarem chronischen Beschwerdebild, welche von ärztlicher Disziplin zu Disziplin verwiesen werden und welche ggfs. auch aus Verlegenheit die Diagnose CMD erhalten haben könnten, fehlt, sicher aus Gründen der mangelnden Zuordnung zur Erkrankungsursache. Im Kapitel der pharmakologischen Therapie liefern die Autoren einen guten Überblick über die geeigneten Maßnahmen. Dabei legen sie Wert darauf zu betonen, dass Medikamente als Ergänzung oder als Sofortmaßnahme zur Linderung akuter Beschwerden eingesetzt werden sollen. Im Hinblick auf die in der Regel von Ärzten verschriebene pharmakologische Therapie mit Muskelrelaxanzien, Antidepressiva oder nicht steroidalen Antirheumatika wird ausdrücklich auf die fachärztliche Abklärung und Zusammenarbeit verwiesen.

Zusammenhänge bei kieferorthopädischer Therapie

Das letzte Kapitel mit dem Thema CMD und kieferorthopädische Behandlung ist bereits im zusammenfassenden Kasten sehr konkret. Bei bestehender CMD können Patienten prinzipiell ohne erhöhtes Risiko der Zunahme der Symptome bei vorliegender Indikation kieferorthopädisch behandelt werden. Abgrenzend davon sehen die Autoren die Therapie der CMD mit KFO:  „Eine kieferorthopädische Behandlung allein zur Prävention oder Therapie einer CMD ist nicht angezeigt“. Erfreulicherweise wird zu kieferorthopädischen Therapien, die zur Beseitigung einer CMD vorgenommen werden sollen, deutlich Stellung genommen. Erst bei sechsmonatiger Schmerz- und Symptomfreiheit nach erfolgreicher konservativer Therapie einer CMD sollte die kieferorthopädische Behandlung gelenkschonend und auf das Nötigste minimiert begonnen werden.

Fazit

Die Autoren verfolgen mit der systematischen Abhandlung der Diagnostik im zahnmedizinischen Bereich erfolgreich das Ziel Zahnärzte zu stützen, die zahnärztlichen Ursachen zu erkennen, ggfs. allein oder interdisziplinär zu behandeln oder je nach Ursache der CMD fachärztlich in die beteiligten ärztlichen Fachgebiete zu überweisen.

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