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Impfalltag in der fachärztlichen Praxis in Zeiten der Corona-Pandemie

Etwas Gutes für die Allgemeinheit tun – könnte man die Erfahrungen von Dr. Dr. Andreas Born zusammenfassen. Er hat sich frühzeitig mit seinem gesamten Praxisteam als Impf-Praxis gegen Covid-19 engagiert. Warum es trotz aller Bürokratie und organisatorischer Hürden letztlich eine sehr befriedigende Aktion wurde, schildert sein sehr persönlicher Erfahrungsbericht.

Die grundlegende Motivation für die Beteiligung am Impfprozess gegen Covid-19 ist von Anfang da gewesen. Der Wille bestand und besteht nach wie vor ebenso wie das Bedürfnis gegen die Pandemie „anzustemmen“ und unseren kleinen Beitrag zur Bekämpfung der Seuche zu leisten. Ich spreche ganz bewusst in der Mehrzahl, da dies das gesamte Praxisteam umfasst, ohne deren Engagement eine solche Zusatzbelastung zum Praxisalltag gar nicht möglich wäre.

Eigentlich hatte ich mich ursprünglich als Impfarzt Ende Dezember 2020 freiwillig bei den Impfzentren in Stuttgart in der Absicht beworben, eine ehrenamtliche Wochenend-Tätigkeit zu absolvieren. Durch das Erlebnis meiner eigenen Impfung in einem Impfzentrum, in dem ich an vier Stationen (Pforte, Empfang, Anamnesegespräch und Warteschlange vor den Impfkabinen) vorbeidefiliert bin, das Aufklärungsgespräch durch eine/n „ausgewachsene/n“ Oberarzt/-in und die eigentliche Impfung durch den/die PJ-Student/-in durchgeführt wurde, wollte ich lieber frei von solchen Strukturen in Eigenregie Impfungen durchführen.

Beginn der Impfungen in der Praxis

Am 16.04.2021 wurde es dann möglich, dass neben den Ärzten aus der allgemeinmedizinischen Fachrichtung auch Fachärzte impfen konnten [1]. Dadurch wurde eine allmähliche Flexibilisierung in der Verabreichung des Impfstoffes erreicht, sodass auch zunächst Patienten mit Priorisierung 1 und dann stetig mehr berufstätige Patienten mit Familien geimpft werden konnten. So konnten auch Angehörige von Risikopatienten, so etwa eine junge Familie mit schwer herzkrankem Kind, die im „Impfbürokratismus“ der Impfzentren wesentlich länger hätten warten müssen, mit dem nötigen Impfschutz versorgt werden. Auch die Taktung von Impfungen alle 15 Minuten trug wesentlich zur Effizienz der Impfstoffapplikation bei. Die Patienten verließen auf eigenen Wunsch im Anschluss an die „Spritze“ die Praxis und meldeten sich dann am Abend und am Folgetag zurück, um zu vermelden, wie es Ihnen geht.

Lieferung („Der Stoff ist endlich da“)

Der Impfstoff BioNTech (Comirnaty) von der Firma Pfizer wurde in sog. Vials (Durchstechflaschen) mit jeweils acht Spritzen geliefert. Der Fahrdienst der Apotheke (Hof-Apotheke Stuttgart) lieferte uns anfänglich zwei Vials für insgesamt 12–14 Impfdosen, später bis zu acht Fläschchen in Kühlboxen von zwei bis fünf Grad Celsius. Um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, wurde die Lieferung umgehend entgegengenommen und im Medikamenten-Kühlschrank der Praxis gelagert. Die Temperaturkonstanz wurde regelmäßig kontrolliert und protokolliert. Da zunächst die Empfehlung galt, den Impfstoff innerhalb von drei Tagen zu verimpfen, wurde entweder Dienstag oder Mittwoch angeliefert und jeweils Mittwoch- und Freitag-Nachmittag geimpft.

Impfalltag
Feindosierspritzen mit Spardorn und Abbildung Verdünnen der Impfflüssigkeit mit NaCl-Lösung

Herstellung der Impfdosen (Rekonstitution) von Comirnaty

Die Zubereitung der Impfstoffdosen, sog. Rekonstitution gestaltete sich als durchaus anspruchsvoll und erfolgte deshalb stets durch ärztliches Personal, in unserem Fall durch den Praxisinhaber selbst. Es existieren sehr gute Anleitungen dafür sowohl in klassischer Form als bebilderter Handzettel unter dem Dokumentenname: „201221_vorbereitung_impfung_bnt_poster_final_preview“ vom Hersteller Biontech als auch in Youtube-Videos so z.B. „Videotutorial Comirnaty Handling der LMU München“ oder „Biontech-Impfstoff Vorbereitung des Uniklinikums Tübingen“:

Vorgehen:

  1. Sichtprüfen des Vials (Glasfläschen) auf Verunreinigungen und Farbabweichungen,
  2. Mischen ohne zu schütteln durch 10 x umdrehen,
  3. Verdünnen durch Zugabe von 1,8 ml 0,9 % NaCl-Lösung in die Durchstechflasche,
  4. Druckausgleich durch Abziehen von 1,8 ml Luft,
  5. Erneutes mischen ohne zu schütteln durch 10 x umdrehen,
  6. Aufziehen der Einzeldosis 0,3 ml und Sichtprüfung.

Warum also dem noch etwas hinzufügen? Im praktischen Alltag erwiesen sich dann doch drei Punkte als nicht so einfach, wie es in den Anleitungen scheinen mag.

Zum einen spielt der Spritzentyp für das Aufziehen der Einzeldosen eine große Rolle. Anfänglich wurden „normale 1 ml-Spritzen“ mit flachem Kolben geliefert, bei denen das blasenfreie Aufziehen einer 0,3 ml Impfdosis nur sehr schwer möglich war. Hierbei besteht im Spritzenauslass ein größeres Totraumvolumen, welches per se Luft enthält und einerseits für die Blasenbildung in der Impfdosis verantwortlich ist und zum anderen bei der Injektion zu Luftapplikation und verminderter Injektionsleistung führt. Dies war wohl nicht nur unser Problem, sondern weitverbreitet, sodass jetzt die Impfstofflieferungen mit Feindosierspritzen und Spardorn bestückt sind [2]. Dieser minimiert das Totraumvolumen durch Ausfüllen des Spritzenauslasses. Für mein Gefühl läuft auch der Spritzenkolben geschmeidiger, was den Aufziehvorgang und das Rückführen überstehender Luft in das Glasfläschchen erleichtert.Zum zweiten kann beim Verdünnen und anschließendem Druckausgleich „kostbare Flüssigkeit“ verlorengehen. Da man die 1,8 ml Kochsalzlösung gegen einigen Druck injizieren muss, besteht die Gefahr beim Entlüften, dass versehentlich Impfflüssigkeit statt Luft in die Kanüle eingesogen wird. Deshalb habe ich mir angewöhnt, beim Verdünnungsvorgang die „dicke“ grüne Kanüle der 3-ml-Verdünnungsspritze in die Impfflüssigkeit einzutauchen und die ersten 1,5 ml Kochsalzlösung zu instillieren. Dann wird die Kanüle in den luftgefüllten Anteil des stehenden Vials zurückgezogen und der Rest der NaCl-Lösung eingefüllt. Ragt die Kanüle dann nur in luftgefüllten Raum, kann fast von selbst der Druckausgleich mit Ablassen von 1,8 ml Luft stattfinden.

Drittens erfordert das Aufziehen der Einzeldosis auch mit einiger Übung immer noch Konzentration und Fingerspitzengefühl. Deshalb kam wie gewohnt beim zahnärztlichen/oralchirurgischen Arbeiten auch hier die Lupenbrille zum Einsatz.

Impfalltag
Impfen
Zurückinjizieren der überschüssigen Flüssigkeit und Diskonnektieren der Impfstoff-Spritze

Die Impfflüssigkeit wird aus dem über Kopf gekippten Gläschen entnommen, wobei peinlich darauf geachtet wird, dass die Durchstechkanüle nur in die Impfflüssigkeit taucht. Es darf nur ganz langsam aufgezogen werden, sodass die kleine, aber obligate Luftblase im Spritzenauslass von der heruntertropfenden Impfflüssigkeit nach oben verdrängt werden kann. Es wird deshalb der Spritzenkolben auf ca. 0,4 ml herausgezogen, dann die Kanüle in den oben verbliebenen Luftraum vorgeschoben und die überschüssige Luft und Impfflüssigkeit in das Gläschen zurückinjiziert.

Um ein Heraustropfen von Impfflüssigkeit beim Diskonnektieren der Impfdosis-Spritze zu verhindern, wird das Fläschchen wieder vorsichtig gedreht, so dass in der Kanüle verbliebene Flüssigkeit der Schwerkraft folgend in das Gläschen zurückwandern kann. Beim Diskonnektieren der Impfspritze bei exakt 0,3 ml wird gleichzeitig der Spritzenkolben an den Fingerflügeln mit drei Fingern fixiert, um ein Unterdruck-bedingtes „Einsaugen“ der Impfdosis zu verhindern. Durch gefühlvolles Rotieren der Impfspritze kann diese ohne Flüssigkeitsverlust abgedreht werden. Im Anschluss daran wird eigentliche Injektionskanüle fest aufgesteckt, damit wiederum beim Abziehen der Kanülenhülle vor dem Verabreichen des Impfstoffes nichts schiefgeht.

Durch dieses Vorgehen lässt sich nicht selten die siebte Dosis gewinnen [3]! Der Autor ist sich seiner schwäbischen Herkunft bewusst und stolz darauf. Die Tugend der Sparsamkeit, die aus der ursprünglichen Not geboren worden ist, erlebt in Corona- und Klimawandel-Zeiten in dem neuen sprachlichen Gewand der „Ressourcen-orientiertheit“ zu Recht wieder eine Renaissance.

Zusammenfassung

Trotz zermürbender bürokratischer Hemmnisse durch ständig wechselnde Empfehlungen, mühsamer Abrechnungsmodalitäten, bisher ohne einen Cent dafür erhalten zu haben, und zum Teil irreführender Darstellung in den Medien/Internet war die Impftätigkeit in der Praxis bisher ein Erfolg. Die Dankbarkeit und Freude der Patienten, über die unkomplizierte Möglichkeit eine Covid-19-Impfung zu erhalten, ist auch weiterhin der Ansporn Impfungen durchzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Pandemie ein allmähliches Umdenken auch in Bezug auf die Gesundheit stattfindet in dem Sinne, dass die persönliche Gesundheit, solange sie von der Solidar-gemeinschaft abgesichert wird, nicht nur eine persönliche Angelegenheit ist.

Impftermin und die 7. Impfdosis
Dr. Dr. Andreas Born


Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Born

Facharzt für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie, Stuttgart

Jan Tomsky

Hof-Apotheke, Stuttgart