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Von der Verarbeitung von Naturprodukten hin zum Designerprodukt

Kollagen ist als Strukturprotein Hauptbestandteil in verschiedensten Geweben wie Haut, Muskeln, Knochen und Zähnen. Es macht etwa ein Drittel der Proteinmasse eines Körpers aus. Es ist im Alltag so allgegenwärtig in Lebensmitteln, der Werkstoffkunde, der Textilverarbeitung bis hin zur Medizin, dass man meinen könnte, über dieses Protein sei schon alles bekannt. Tatsächlich kennt man heute 28 Typen von Kollagenen, doch erforscht ist bisher nur ein geringer Teil. Für das Leben war die Entwicklung von Kollagenen ein grundlegender Schritt in der frühen Evolution. Sie unterstützte die Bildung und Diversifizierung mehrzelliger Lebensformen. Auf geniale Weise konnte die Natur mit diesen Proteinen makromolekulare Netzwerke schaffen, die als hochkomplexe und der Situation angepasste Umgebungen für Zellen dienen, je nach Ausprägung, Stabilität oder Flexibilität bieten und sogar in die Kommunikationswege von Zellen und Geweben eingebunden sind.

Vor diesem Hintergrund sollte es also nicht verwundern, dass die Herkunft, Gewinnung, Aufbereitung und Verarbeitung von Kollagen für medizinische Anwendungsgebiete wesentlichen Einfluss nimmt auf Qualität, Verträglichkeit und Funktionalität. Wie empfindlich Kollagene auf Umgebungsbedingungen reagieren und wie viel Wissen zur Verarbeitung nötig ist, kann man schon anhand der Anwendungsmöglichkeiten und Erscheinungsformen erahnen, sei es die Zubereitung von Fleisch, die Herstellung von Leder oder die Verarbeitung zu Implantaten. Doch um wie viel empfindlicher dürften die Zellen in unserem Gewebe auf kollagenhaltige Medizinprodukte reagieren, die in unterschiedlichster Weise gewonnen und verarbeitet werden?

Die Geistlich Bio-Gide integriert ins Gewebe (Bild Priv.-Doz. Dr. Dr. Dr. Ghanaati S., Acta Biomater 2012).

Ein Unternehmen, das sich dem Wissen über Kollagene schon seit über 150 Jahren widmet, ist die im schweizerischen Wolhusen gelegene Geistlich Pharma AG. Im Jahre 1851, vor 166 Jahren, begann das Unternehmen mit der Herstellung von Knochenleim, ein Kollagenprodukt, das schon in einer Zeit ca. 6000 v. Chr. bekannt war. In den 1930er- und 40er-Jahren wurde Kollagen aufgespalten und rekonstituiert für Anwendungen in der Lebensmittelindustrie und für Wundverbände. Ab 1976 wurde Kollagen weiter verarbeitet zu Gelatine für den Nahrungsmittelbereich, später für Gelplatten in der medizinischen Diagnostik.

Nach wissenschaftlichem Austausch mit Dr. Philip Boyne von der Loma Linda University erfand Dr. Peter Geistlich ein Verfahren, mit dem das in Rinderknochen enthaltene organische Material, darunter Kollagen, so schonend entfernt werden konnte, dass die chemische Zusammensetzung und strukturelle Integrität des anorganischen Minerals erhalten blieb und auf diese Weise das heute bekannteste Knochenersatzmineral, Geistlich Bio-Oss, hergestellt wird. Damit gelang der Einstieg in die Welt der regenerativen Medizin, Bio-Oss ist heute Standard in der guided bone regeneration (GBR). Doch nach dem Wissen über die Herstellung von Leim und Gelatine und der sorgfältigen Entfernung von Kollagen aus Knochen bestand die nächste Herausforderung in der Gewinnung von Kollagen unter Bewahrung seiner nativen Struktur für die Herstellung einer möglichst gewebeverträglichen Kollagenmembran. Mit Geistlich Bio-Gide schaffte Geistlich 1996 einen Meilenstein für die orale Knochenregeneration. Geistlich Bio-Gide ist auch heute noch die Standardmembran in der gesteuerten Knochenregeneration, da sie, anders als andere Kollagenmembranen, aufgrund der schonenden Aufbereitung in das neue Gewebe integriert und keine Fremdkörperreaktion hervorruft.

War in den Anfängen der noch jungen Disziplin Implantologie die Frage nach dem Knochenangebot ein entscheidendes Kriterium für die Wahl des Therapiekonzeptes, denkt man heute schon einen Schritt weiter: Das nach dem Knochenaufbau vorhandene Implantatlager soll möglichst über Jahre die gesunde und vollständige Osseointegration des Implantates gewährleisten.

Dabei spielt das Weichgewebevolumen um das Implantat, rsp. auf dem Knochen, eine entscheidende Rolle. Experten gehen heute davon aus, dass die Mindestdicke aus physiologischen und ästhetischen Gesichtspunkten mindestens zwei bis drei Millimeter betragen sollte. Erste Ansätze zur Weichgewebsaugmentation erfolgten neben den klassischen autologen Transplantaten recht schnell mit aufgereinigten Naturprodukten, die Dermis, entweder aus menschlichem oder tierischem Ursprung, als Kollagenquelle nutzten. Alle diese Produkte bringen aber von Haus aus gewisse Gewebeeigenschaften und -verträglichkeiten aufgrund ihres Ursprungs und ihrer Aufbereitung mit, sodass sie es bis jetzt nicht geschafft haben, vom Ergebnis her das autologe Transplantat als Goldstandard bei der Gewebeverdickung zu ersetzen. Mit der Einführung von Geistlich Mucograft konnten die Wissenschaftler und Entwickler bei Geistlich erstmalig ein Produkt vorstellen, welches mit seinen zwei Komponenten zum Teil anders konzipiert war als andere Kollagenprodukte. Geistlich Mucograft wurde 2009 als Ersatz für freie Schleimhauttransplantate und Bindegewebetransplantate zum Aufbau und zur Regeneration von oralen Weichgeweben zugelassen.

Freies Schleimhauttransplantat (Bild Priv.-Doz. Dr. Daniel Thoma, Universität Zürich) im Vergleich zur Geistlich Mucograft (REM-Aufnahme).
Zuschnitt der Geistilch Fibro-Gide im feuchten Zustand (Bild Dr. Otto Zuhr, München).

Der nächste logische Schritt war dann die Entwicklung eines vollständigen Designer-Produktes, welches in Funktion und Biokompatibilitätskriterien als vollwertiger Ersatz eines autologen Transplantates dienen kann. Eine solche Pionierleistung ist den Forschern bei Geistlich mit Geistlich Fibro-Gide gelungen. Mehr als zehn Jahre Forschung und 1.000 Prototypen führten letztendlich zu einer hochporösen, volumenstabilen Kollagenmatrix, die speziell auf die Anforderungen der Volumenverdickung in der oralen Weichgewebechirurgie abgestimmt worden ist. Damit wird es künftig möglich sein, auf die Entnahme von autologen Transplantaten aus dem Gaumenbereich verzichten zu können. Mehr noch: Da viele Patienten aufgrund der Invasivität auf diese Eingriffe bis dato verzichtet haben, werden sogar noch mehr notwendige Eingriffe stattfinden können. Der Trend geht also eher weg von der klassischen Aufreinigung hin zu speziell auf bestimmte Anforderungen designte Produkte. Man darf gespannt sein, was die Pioniere bei Geistlich in den kommenden Jahren noch präsentieren werden.

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