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Die Neuversorgung von Blattimplantaten

Eine Fallstudie von Dr. med. dent. Jan Philipp Struckmeyer

Extensionsimplantate (Blattimplantate) aus Titan, 1966 von Linkow konzipiert und im Laufe der Jahre mehrfach modifiziert, wurden in den 70er-Jahren von den zahnwurzelähnlich geformten enossalen Implantaten verdrängt. Brucherscheinungen waren bei Blattimplantaten keine Seltenheit und haben außerdem den Nachteil, dass nach Entfernung der verbliebenden Implantatanteile ein erheblicher Knochendefekt entstehen kann, der augmentiert und neu mit Implantaten versorgt werden muss.

Die Patientin ist seit 40 Jahren in unserer Praxis. Vor 20 Jahren wurde das Blattimplantat (Osteoplate 2000, Oraltronics) regio 36 bis 37 von meinem Vater Dr. Dirk Struckmeyer bei der Patientin inseriert und mit Kronen versorgt (Abb. 1). Im Jahr 2011 frakturierte die Krone auf dem Pfosten des Blattimplantats regio 37 (Abb. 2). Die Gingiva verheilte über dem abgebrochenen Implantat in unauffälliger, entzündungsfreier Weise. Die Patientin wollte angesichts des fehlenden akuten Handlungsbedarfes zunächst keine Neuversorgung. Sie scheute den operativen Aufwand und kam mit der verbleibenden Krone 36 gut zurecht. Da sie seit vielen Jahren an Chronischer myeloischer Leukämie (CML) leidet und sich in enger medizinischer und medikamentöser Behandlung befindet, sollten nicht unbedingt nötige, allgemein belastende Eingriffe mit dem Risiko einer erhöhten Morbidität für die Patientin vermieden werden.

Im Jahr 2016 frakturierte dann die Krone 36 am Pfosten des Blattimplantates auf Gingivaniveau. In kürzester Zeit wuchs die Gingiva nun vollständig über das noch osseointegrierte Blattimplantat regio 36/37 (Abb. 3). An dieser Stelle war eine ausreichende Abstützung des Kiefergelenks linksseitig nicht mehr gegeben. Die linke Stützzone war aufgelöst, es drohte eine Verschiebung der Brückenversorgung auf dem Pfeilerzahn 17.

Abb 1:​ OPG mit Blattimplantaten regio 35-37 und Kronenversorgung im Jahr 2011.

Abb. 2: Pfostenbruch der Blattimplantate, Verlust einer Krone regio 37 im Jahr 2016.

Abb 3: Die Gingiva war oberhalb der abgebrochenen Pfosten der Blattimplantate entzündungsfrei verheilt im Jahr 2019.

Abb. 4:​ Präoperative Planung mittels DVT zur Lokalisation der Blattimplantate.

Abb 5: Blattimplantat in situ.

Abb. 6:​ Nach vorsichtiger Präparation mittels Piezochirurgie konnte das …

Abb 7: … Blattimplantat vollständig entnommen werden.

Abb. 8:​ Das komplette Blattimplantat extraoral.

Abb 9: Beurteilung des Knochendefekts.

Versorgungs- und Operationsplanung

Zur langfristigen Sicherung einer suffizienten Kaufunktion eine alternative Versorgung gefunden werden. Die Patientin wünschte sich eine sichere, dauerhafte und festsitzende Lösung. Nach Aufklärung und Abwägung der Versorgungsalternativen beschlossen wir, dass Blattimplantat minimalinvasiv mittels Piezochirurgie zu entfernen, in den Knochendefekt zu implantieren und mit Knochenersatz zu augmentieren. Die 74-jährige Patientin befand sich trotz ihrer Grunderkrankung in einem guten gesundheitlichen Zustand. Um die lange Operationsdauer möglichst angenehm zu gestalten, entschieden wir uns gemeinsam für eine Operation unter Analgosedierung. Die Operation sollte nach Rücksprache mit ihrem Facharzt prä- und postoperativ unter Amoxiclav (875 mg/ 2 x täglich), bei Bedarf Ibuprofen (600 mg) und Dexamethason zur Schwellungsprophylaxe durchgeführt werden.

Explantation und Neuversorgung

Im DVT war das noch komplett osseointegrierte Blattimplantat mit enger Lagebeziehung zum Zahn 34 und minimalem Restknochen subgingival erkennbar (Abb. 4). Es wurde geplant, das Blattimplantat möglichst schonend mithilfe der Piezochirurgie zu entfernen und einzeitig durch zwei Implantate (Medical Instinct) zu ersetzen. Interoperativ zeigte sich ein sehr schmaler Kieferkamm (Abb. 5) mit wenig attached Gingiva. Das Blattimplantat konnte vollständig vom Knochen gelöst werden (Abb. 6-8), hinterließ aber einen langen Knochendefekt (Abb. 9).Anschließend wurden zwei Implantate (ø 4,0, L 10 mm) inseriert (Abb. 10) und das Knochendefizit mit einer Mischung aus Eigenknochenbohrspänen und allogenem Knochenersatzmaterial (Puros), gemischt mit PRGF (BTI) nach dem Kieler Sushi Prinzip, aufgebaut (Abb. 11). Diese gut adaptierbare „Knochenmasse“ (Abb. 12) kommt auch ohne zusätzliche Fixiertechniken wie Nägel, Schrauben oder titanverstärkte Membranen aus, was neben der guten Knochenheilung der Patientin Kosten erspart. Der Defekt wurde mit einer Kollagenmembran (Ossix Volumax, Regedent) und einer Fibrinmembran abgedeckt. Der deutliche Volumenzuwachs am Kieferknochen musste sicher abgedeckt werden. Dazu wurde der Lappen lingual und bukkal am Periost geschlitzt, mit 5,0 PTFE-Fäden spannungsfrei vernäht und ein Kontrollröntgenbild erstellt (Abb. 13).

Abb 10:​ Implantate in situ.

Abb. 11: Knochenaufb au zur Auffüllung der großen Knochendefekte zwischen den …

Abb 12: … Implantaten und zur Ausformung des Kieferkammes.

Abb. 13: Postoperatives Röntgenbild nach Implantatinsertion.

Abb 14: Einheilung nach fünf Monaten.

Abb. 15: Freilegung und Einbringen der Gingivaformer.

Abb 16: Ausformung der Gingiva.

Abb. 17: Drei Wochen später wurde die prothetische Versorgung eingegliedert.

Abb 18: Stabile Knochenverhältnisse drei Monate nach prothetischer Versorgung.

Zustand nach Einheilung

Die Einheilungsphase von fünf Monaten gestaltete sich komplikationslos (Abb. 14). In der Röntgenkontrolle ist ein kleiner vertikaler Knocheneinbruch mesial am Implantat 37 bei ansonsten guter Verknöcherung erkennbar. Nach Freilegung der Implantate wird zwei Wochen später die Schleimhaut mittels Gingivaformern ausgeformt (Abb. 15). Nach zwei Wochen zeigte sich ein gesundes stabiles Weichgewebe mit fixierter Gingiva um die Implantate (Abb. 16). Drei Wochen später konnte die Patientin mit zwei monolithischen Kronen festsitzend versorgt (Abb. 17). Sie war von dem schnellen, komplikationsfreien und schmerzlosen Verlauf sehr angetan. Drei Monate später zeigt sich eine reizlose Schleimhautsituation bei röntgenologisch stabilen Knochenverhältnissen (Abb. 18).

Fazit

Die Entfernung von alten Blattimplantaten benötigt eine gute dreidimensionale Bildgebung, um die Entfernung und die Neuversorgung sicher vorauszuplanen. Aufgrund der Größe der Blattimplantate ist immer mit großen Knochendefekten bis hin zu partiellen Knochenfrakturen zu rechnen. Da im Zuge der Einsatzzeiten der Blattimplantate die meisten Operationen an älteren Patienten durchgeführt werden, sollte auf möglichst einfache, zeitsparende sowie eingriffsarme Techniken zurückgegriffen werden. Durch moderne Implantatsysteme mit einem passenden Gewebemanagement kann dies vorhersagbar gut erreicht werden und führt zu begeisterten Patienten.

Autor

Dr. med. dent. Christoph Wenninger, M.Sc.

  • 1987-1993 Studium der Zahnheilkunde an der LMU München
  • 1993-1997 Assistenzzahnarzt in verschiedenen Praxen
  • 1997 Gründung der Einzelpraxis Dr. Christoph Wenninger in München
  • 2003 Diplom in Parodontologie der Universität Bern, Schweiz
  • 2005 Master of Oral Medicine in Implantology
  • 2008 Gründung der Praxis für Zahnheilkunde Dres. Wenninger und Helgert
  • 2014 Master of Science in Implantologie und Dentaler Chirugie
  • Seit 2015 Mitglied der Key Opinion Leader für Deutschland der Firma BTI
  • Seit April 2017 Spezialist für Implantologie (EDA)