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Hyaluronsäure in der unterstützenden Parodontitis-Therapie

Nach Abschluss der aktiven Parodontitis-Therapie ist häufig keine vollständige Heilung im Sinne klinischer parodontaler Gesundheit an allen zuvor erkrankten Stellen zu beobachten. In dieser Fallstudie wird der Einsatz eines Hyaluronsäuregels zur Behandlung von residualen Taschen in der unterstützenden Parodontitis-Therapie (UPT) am Beispiel einer 36-jährigen Patientin mit Parodontitis Stadium drei dargestellt.

Ausgangssituation

Die 36-jährige Patientin – Nichtraucherin, keine Allgemeinerkrankungen – stellte sich zur ersten Re-Evaluation drei Monate nach aktiver Parodontitis-Therapie (Stufe 1+2 gemäß S3-Leitlinie [1]) in der Praxis vor. Bei der Registrierung der parodontalen Parameter fielen Stellen mit verbliebenen erhöhten Taschensondierungstiefen bis zu 6 mm an den Zähnen 17, 27, 37, 36, 32, 44 und 47 auf, ebenso weiter bestehende Sondierungsblutungen (BoP+) (Abb. 1, 2). Das zu Beginn der systematischen Parodontitis-Therapie angefertigte OPG (Abb. 3) zeigt einen vorwiegend mäßigen horizontalen Knochenabbau, besonders in den Molarenregionen und an den unteren Frontzähnen. An den Zähnen 36-37 und 46-47 besteht der Verdacht auf zweiwandige interdentale Knochentaschen. Als Fazit der ersten Re-Evaluation ist zu ziehen, dass die Ausgangsdiagnose laut aktueller Klassifikation [2] – Parodontitis Stadium 3, Grad B – fortbesteht. Das primäre Ziel der systematischen Therapie, nämlich die Etablierung parodontaler Gesundheit und Stabilität, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht. Nach Erörterung verschiedener Therapieoptionen mit der Patientin wurde eine subgingivale Re-Instrumentierung mit adjuvanter Instillation eines thermosensitiven Hyaluronsäuregels (Pocket-X, Geistlich Biomaterials) durchgeführt.

Intervention

Im Anschluss an die Befundaufnahme und Behandlungsplanung folgten in der gleichen Sitzung die weiteren im Rahmen der UPT indizierten Maßnahmen. Der Ablauf orientierte sich routinegemäß am Schema der Guided Biofilm Therapy (GBT). Nach Anfärben der Plaque zur weiteren Information und Motivation der Patientin und zur Qualitätssicherung in der Praxis erfolgte die Entfernung des Biofilms mittels Erythritolpulvers (Abb. 4, 5). Anschließend wurden die supra- und subgingivalen mineralisierten Auflagerungen mit grazilen rechts- bzw. linksgebogenen Ultraschallaufsätzen entfernt (piezoelektrisches Ultraschallinstrument mit möglichst geringer Leistungseinstellung, Abb. 6). Dabei ist eine wiederholte Tastkontrolle (Sonde) unverzichtbar, um eine möglichst vollständige, aber auf die tatsächlich betroffenen Zahnflächen begrenzte Depuration ohne Überinstrumentierung zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall konnte auf den subgingivalen Einsatz von Handinstrumenten verzichtet werden, eine intentionelle Wurzelglättung unterbleibt in jedem Fall. Über die Wasserkühlung des Ultraschallgerätes hinaus wurden keine weiteren Spülungen der parodontalen Taschen vorgenommen. Ziel ist ein möglichst atraumatisches Vorgehen, die parodontalen Gewebe sollen nach Abschluss der Instrumentierung möglichst wenig bluten und keine sichtbaren Verletzungen zeigen (Abb. 7). Danach folgte die Instillation des Pocket-X-Gels, beginnend am Taschenfundus bis zur kompletten Füllung der Tasche (Abb. 8). Die Patientin wurde angewiesen, in den ersten zwei Stunden nach der Behandlung auf Nachspülen, Essen und Trinken zu verzichten und weitere zwei Stunden heiße Getränke zu meiden. In den ersten zwei Tagen nach Intervention sollte die Anwendung von Interdentalbürsten bzw. Zahnseide an den behandelten Stellen unterbleiben.

Befunde bei Re-Evaluation

Etwa drei Monate später fand eine erneute Evaluation der parodontalen Parameter statt (Abb. 9, 10). Dabei ergab sich eine Reduktion der Sondierungstiefen um bis zu 3 mm an den Zähnen 17, 27, 36, 37, 31, 35 und 37 (Abb. 11) und eine Verringerung der Stellen mit Sondierungsblutung. Mit Ausnahme des Zahnes 17 – mesiopalatinal Sondierungstiefe von 4 mm mit Sondierungsblutung – konnte nunmehr für alle Zähne die Diagnose klinischer parodontaler Gesundheit gestellt werden.

Diskussion

Ziel einer systematischen Parodontitis-Therapie ist grundsätzlich, den Zustand klinischer parodontaler Gesundheit, ggfs. am reduzierten Parodontium, zu erreichen und langfristig zu erhalten. Es ist schon länger bekannt, dass Stellen mit erhöhten residualen Sondierungstiefen bei Langzeitbeobachtungen zu einem erhöhten Risiko für Zahnverluste führen, bei Resttaschen mit ST = 6 mm beispielsweise mit einer Odds Ratio (OR) von 11 [3], sodass von einer unvollständigen Therapie gesprochen werden kann. Nach den Therapieempfehlungen der S3-Leitlinie von 2020 wäre in Fällen mit Resttaschen mit ST ≥ 6 mm primär eine chirurgische Intervention mit Präparation eines Zugangslappens indiziert [1]. Die adjunktive Verwendung von Hyaluronsäure in der nicht-chirurgischen Therapie wurde in den Leitlinien noch nicht thematisiert. Mittlerweile liegen Ergebnisse aus kontrollierten Studien vor, in denen bei Anwendung von Hyaluronsäure zusätzlich zum geschlossenen mechanischen Debridement eine signifikant höhere Reduktion der Sondierungstiefen und eine erhöhte Zahl von Zähnen mit „closed pockets“ gefunden werden konnte [4,5]. Daher kann der Einsatz in der klinischen Praxis erwogen werden. Der vorliegende klinische Fall zeigt exemplarisch, dass diese Ergebnisse auch in der Behandlungsroutine einer parodontologisch ausgerichteten Praxis zu erreichen sind. Zur Erzielung eines optimalen Heilungsergebnisses ist es dabei nach unseren klinischen Erfahrungen wichtig, ein möglichst atraumatisches Debridement ohne zusätzliche Wurzelglättung und mit maximaler Schonung der parodontalen Weichgewebe durchzuführen, wie etwa von Nibali et al. (2015) als „minimally invasive non-surgical therapy“ (MINST) beschrieben [6].

Fazit

Bei der in der Fallstudie dokumentierten Behandlung einer Patientin mit Parodontitis im Stadium drei konnte durch eine minimalinvasive nicht-chirurgische Therapie mit adjunktiver Anwendung von thermosensitiver Hyaluronsäure ein Zustand klinischer parodontaler Gesundheit erreicht werden, der in der zukünftigen UPT mit einer guten Prognose weiter stabilisiert werden kann. Mit zunehmender Lernkurve aus der Klinik und weiterer Evidenz aus kontrollierten Studien könnte es in Zukunft realistisch sein, die Indikationsgrenze zwischen nicht-chirurgischer und chirurgischer Therapie neu zu überdenken.

Autoren

Prof. Dr. med. dent. Peter Hahner, M.Sc.

  • 1983-1989 Studium der Zahnheilkunde (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
  • 1989-1991 Assistenzzeit
  • 1990 Dienstzeit als wehrpflichtiger Sanitätsoffizier
  • Seit 1991 Niederlassung in eigener Praxis
  • 1992 Promotion zum Dr. med. dent., Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • 2003-2005 Postgraduales Studium der Parodontologie an der Donau-Universität Krems, Abschluss: M.Sc. (Parodontologie)
  • Seit 2014 Professur für Klinische Parodontologie und Präventionsmanagement (EU/FH), Köln

info@zahnarzt-dr-hahner.de
www.dr-lehner-regenstauf.de

Sara Sylka-Gerguri, B.Sc.

  • 2013-2015 Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten, Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung, Siegen
  • 2019-2021 Studium Dentalhygiene & Präventionsmanagement, B.Sc., Europäische Fachhochschule (EU|FH), Köln
  • Seit 2019 Mitarbeiterin in der Praxis Prof. Dr. Hahner
  • Seit 2021 Freiberufliche Dozentin an der EU|FH, Studiengang Dentalhygiene & Präventionsmanagement

info@zahnarzt-dr-hahner.de
www.zahnarzt-dr-hahner.de