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Konsequent metallfreie Rehabilitation eines Parodontitis-Patienten

Patienten mit einer Parodontitis-Vorgeschichte haben ein erhöhtes Risiko für Implantatverluste. Entsprechend sind eine sorgfältige Vorbehandlung und ein konsequentes Prophylaxe-Recall wichtig. Patienten- und behandlerseitige Erwägungen zur Materialauswahl sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Im Fallbericht wird ein Parodontitis-Patient nach dreidimensionalem Knochenaufbau mit Zirkonoxid-Implantaten, Weichgewebsmanagement und vollkeramischen Einzelkronen rehabilitiert.

Parodontal vorbelastete Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Implantatverluste, können jedoch bei entsprechendem Prophylaxe-Management erfolgreich mit Implantaten versorgt werden [1]. Neben einer stabilen Situation nach Parodontitis-Therapie sollte dafür eine ausreichende Mundhygiene und Kontrolle systemischer und Lebensstil-bezogener Risikofaktoren sichergestellt sein |2]. Abhängig von den individuellen immunologischen Voraussetzungen wird eine Vorteilhaftigkeit von Zirkonoxid diskutiert (4].

Entsprechend können laut aktueller DGI/DGZMK-Leitlinie bei vermuteter Titanunverträglichkeit „Keramikimplantate als Therapieoption in Betracht gezogen werden“ [5]. Beim vorgestellten Patienten mit schwerer Parodontitis wurden neben zweiteiligen Zirkonoxid-Implantaten mit metallfreien Verbindungsschrauben für die Restauration ebenfalls vollkeramische Materialien eingesetzt.

Anamnese und Vorbehandlung

Ein 57-jähriger Patient stellt sich wegen Schmerzen, stark gelockerter Zähne und „Zahnfleischblutens“ auf der linken Kieferseite vor (Abb. 1). Weiterhin leidet er unter Halitosis und Geschmacksbeeinträchtigung, die Mundhygiene ist unzureichend. Der parodontale Screening-Index (PSI) erforderte eine vollständige parodontale Befunderhebung als Basis der Therapie einer bestehenden Parodontitis. Das OPG dokumentiert einen generalisierten Knochenabbau, mit Furkationsgraden Ill an den Zähnen 26 und 27 (ohne Abbildung).

In Verbindung mit dem Parodontalstatus (Abb. 2) wird ein Erkrankungsstadium III/Grad B nach der aktuellen Klassifikation für Parodontalerkrankungen diagnostiziert, entsprechend einer moderaten Progression. Allgemeinmedizinische Erkrankungen oder andere Risikofaktoren sowie durch Parodontitis bedingte Zahnverluste liegen nicht vor.

Geplant werden die Extraktion der nicht erhaltungsfähigen Zähne 25-27 und 37, eine Parodontitis-Therapie, eine dreidimensionale Augmentation mit Sinuslift im zweiten Quadranten und implantatgetragene Einzelkronen an den Positionen der extrahierten Seitenzähne. Sechs Wochen nach den Extraktionen erfolgt eine parodontale Vorbehandlung mit Optimierung der Mundhygiene durch Instruktionen, Reduktion der Bakterien und Plaque durch professionelle Zahnreinigung und einer geschlossenen antiinflammatorischen Therapie. Die Zähne 17, 36 und 47 werden zusätzlich parodontalchirurgisch behandelt, weitere Zähne geschlossen nachinstrumentiert. Der Patient ist hoch motiviert und arbeitet sehr gut mit. Für die Zeit bis zur implantologischen Versorgung trägt er im Oberkiefer eine Klammer-Teilprothese.

Augmentation

Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Situation nach Abschluss der Parodontitis-Therapie klinisch und in der Panorama-Schichtaufnahme. Auf der Basis eines DVT wird im nächsten Schritt die Augmentation geplant (Abb. 5, 6). Unter Vollnarkose werden zunächst kortikospongiöse Knochentransplantate vom Kinn entnommen (Abb. 7). Nach bukkaler Periostschlitzung, Ablösen der inserierenden Muskeln im Sinne einer Vestibulumplastik und Präparation eines externen Zugangs zum Sinus (Abb. 8) wird der Kieferhöhlenboden mit einem Gemisch aus autogenen Knochenspänen und bovinem Knochenersatzmaterial augmentiert.

Im selben Eingriff wird der Alveolarfortsatz im geplanten Implantationsbereich dreidimensional mit der Khoury-Technik aufgebaut (Abb. 9). Für einen optimalen Volumenerhalt und gute weichgewebige Abheilung wird der Defektbereich vor dem Vernähen mit langsam resorbierendem Knochenersatzmaterial und einer Kollagenmembran abgedeckt.

Implantation

Der Patient wünschte eine metallfreie Versorgung von der Implantation bis zur prothetischen Versorgung. Auf einen TST wurde seitens des Patienten verzichtet. Vier Monate später ist der augmentierte Bereich bereit für Implantatplanung und Implantation (Abb. 10-12). 

Nach palatinalem Schnitt wird wieder ein Mukoperiostlappen präpariert und im Oberkiefer werden drei Implantate aus Aluminiumoxid-verstärkter Zirkonoxid-Keramik inseriert (SICwhite, SIC invent AG) (Abb. 13, 14) [6,71]. Für die Aufbereitung der Implantatlager erfolgen mit der 3D-geplanten Schablone nur die Pilotbohrungen. Um einen Knochenabbau auf Höhe der späteren Implantat-Aufbau-Verbindung zu verhindern, wird die Schulter 0,6 Millimeter suprakrestal platziert. Für diesen Zweck steht ein spezieller Bohrstopp zur Verfügung, der auf die Manschette des Bohrers gesetzt wird (Abb. 15). 

Keramikimplantate verteilen die beim Inserieren entstehende Reibungswärme aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Materials weniger schnell in den Implantatkörper. An der Grenzfläche kann daher eine höhere Temperatur entstehen und Keramikimplantate müssen im Vergleich zu Titanimplantaten langsamer eingedreht werden. Im selben Eingriff wird auch das Implantat an Position 37 im Unterkiefer gesetzt (Abb. 16). Die Einheilung erfolgt geschlossen für einen Zeitraum von circa sieben Monaten.

Freilegung und prothetische Versorgung

Im Rahmen der Freilegung und Befestigung der PEEK-Einheilkappen wird ein apikaler Verschiebelappen präpariert (ohne Abbildung). Zugleich wird die palatinale Mukosa in Richtung bukkal mobilisiert und im Sinne der Palacci-Technik zwischen die Einheilkappen eingelagert. Vier Wochen nach der Freilegung wird in beiden Kiefern offen mit einem individuellen Löffel abgeformt (Abb. 17, 18). Dabei werden die Abformpfosten mit Modellierkunststoff verblockt und im selben Schritt die Emergenzprofile registriert. 

Im Labor wird nun ein Schlüssel zur intraoralen Prüfung der Übertragungsgenauigkeit hergestellt (Abb. 19). Die Abbildungen 20 und 21 zeigen schließlich die Zirkonoxid-Abutments (Zerabase) mit im Durchtrittsbereich leicht erweiterter Gingivamaske und die gepressten monolithischen Lithiumdisilikat-Kronen mit aufgesetztem Eingliederungsschlüssel

In den Abbildungen 22 und 23 sind die sehr gut abgeheilten Weichgewebe und die erfolgreich verbreiterte bukkale Mukosa erkennbar. Der Kunststoffschlüssel dient dem sicheren Verschrauben der Kronen. Dafür werden die Kronen zuerst im Oberkiefer zunächst ohne Schrauben eingesetzt und der Patient beißt mit zwischengelegten Watterollen vorsichtig, aber mit ausreichender Kraft für mehrere Minuten zu. Wenn die Kronen die Endpositionen erreicht haben, werden sie mit aufgestecktem Schlüssel verschraubt (Abb. 24, 25). Verwendet wird dafür eine metallfreie Schraube aus karbonfaserverstärktem PEEK, mit der im Implantat Presspassung erreicht wird („Bolt-in-Tube“) (8]. Die Abbildungen 26 und 27 zeigen das klinische Endergebnis (im Oberkiefer) und die Röntgenkontrolle (Panoramaschicht-Aufnahme).

Fazit

Beim vorgestellten Patienten wurde nach erfolgreicher Parodontitis-Therapie eine ebenso erfolgreiche Augmentation im besonders betroffenen zweiten Quadranten durchgeführt. Auf der so erreichten knöchernen Basis und in Verbindung mit einem konsequenten Weichgewebsmanagement gelangen anatomisch geformte, gut funktionierende und ästhetisch ansprechende implantatgetragene Einzelkronen. Die verwendeten Implantate (SICwhite) aus verstärkter Zirkonoxidkeramik (ATZ BIO-HIP, CeramTec) sind baugleich mit einem Produkt, das seit 2014 erfolgreich eingesetzt wird (Zeramex XT, CeramTec) [9,10]. Entsprechend ist die Prognose der Implantatversorgung ebenfalls als sehr gut einzuschätzen. Mit dem Verzicht auf Titan als Material für Implantate und Verbindungsschrauben und durch die Verwendung vollkeramischer Restaurationen wurde zudem ein möglicher Risikofaktor für zukünftige periimplantäre Entzündungen und einen nachfolgenden Abbau von Knochen und Weichgeweben konsequent minimiert.

Autoren

Dr. med. dent. Frank Spiegelberg

  • 1992 Staatsexamen Universität in Giessen, Approbation als Zahnarzt
  • 1995-1997 Weiterbildung Oralchirurgie bei Prof. Dr. Fouad Khoury, Privatklinik Schloss Schellenstein in Bigge-Olsberg
  • 1997 Facharzt für Oralchirurgie, Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie (BDIZ)
  • 1997-1998 MKG-chirurgische Gemeinschaftsprxis Dr. Dr. Wolfgang Kater, Bad Homburg, Promotion zum Dr. med. dent. u. Tätigkeitsschwerpunkt (LZKH)
  • 1998-2000 Belegarzt in der Allee Klinik Bensheim
  • 2000-2023 Niederlassung in eigener Praxis für Oralchirurgie und Implantologie in Frankfurt
  • Seit 01.04.2023 Leitung der Abteilung Implantologie im MVZ Dr. Dr. Kater & Kollegen, Bad Homburg

Nicole Aumann, DH, B.Sc.

  • 1994-1997 Ausbildung zur Zahnarzthelferin in
  • Frankfurt/M.
  • 1999-2002 Weiterbildung zur ZMF in Frankfurt/M.
  • 2005-2006 Weiterbildung zur ZMV in Berlin
  • 2014-2023 Tätigkeit als ZMF/ZMV bei Dr. Frank Spiegelberg (Frankfurt/M.)
  • 2015-2016 Weiterbildung zur Praxismanagerin in Frankfurt/M.
  • 2021-2023 Studium B.Sc. Dentalhygiene in Heidelberg
  • Seit 2023 Tätigkeit als Dentalhygienikerin in verschiedenen Praxen

implantatteam@outlook.de
ww.implant.team

Christoph Buhl, ZTM

  • 1988-1991 medizinisches Fachschulstudium an
  • der Karl-Marx-Universität Leipzig
  • 1991-2004 Tätigkeit in verschiedenen gewerblichen Dentallaboren in Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz
  • 2005 Meisterprüfung in Freiburg im Breisgau
  • Seit 2005 Zahntechnikermeister in Heppenheim an der Bergstrasse