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Periimplantitis-Therapie mit NaOCl-Reinigungsgel und vernetzter Hyaluronsäure

Zur Therapie der Periimplantitis steht eine Vielzahl an nicht-chirurgischen sowie chirurgischen Maßnahmen und Adjuvanzien zur Auswahl. Bis heute hat sich jedoch kein Behandlungskonzept als verbindliche Therapieempfehlung, wie es bei der Parodontitis-Therapie der Fall ist, etablieren können [3,7]. Das Kernproblem stellt die suffiziente Entfernung des periimplantären Biofilms sowie eine sichere Dekontamination der exponierten Implantatoberfläche dar [8]. 

Als Ajuvant zu einer sorgfältigen mechanischen Instrumentierung des infizierten Areals verwenden wir in unserer Klinik ein Reinigungsgel aus einer durch Aminosäuren gepufferten 0,95-prozentigen Natriumhypochloridlösung (Perisolv, Regedent). Dieses löst sowohl die extrazelluläre Matrix des organisierten Biofilms als auch das in der Tasche persistierende infizierte Granulationsgewebe effektiv auf. Es weist dabei signifikant niedrigere adverse Gewebereaktionen auf als andere für die Dekontamination empfohlene Adjuvanzien, wie Zitronensäure, CHX oder reines Natriumhypochlorit [6]. Zur Unterstützung der Heilungsvorgänge applizieren wir zum Abschluss vernetzte Hyaluronsäure (xHyA, hyadent BG, Regedent) in den gereinigten Defektraum. xHYA stabilisiert und schützt den Wundraum [2]. Darüber hinaus führt HA zu einer verkürzten Wundheilung und einer beschleunigten Weichgewebe- und Knochenregeneration [1,9,10]. 

Die Kombinationstherapie der adjuvanten Anwendung des Reinigungsgels und der vernetzten Hyaluronsäure (sog. Clean & Seal Protokoll) wurde in unserer Gruppe bereits erfolgreich bei der Behandlung von tiefen residualen Parodontaltaschen angewendet [4]. So liegt der Übertrag des Konzepts auf die nicht-chirurgische Behandlung von periimplantären Defekten nahe [5].

Case 1 (Sequenz nicht-chirurgisch – chirurgisch) 

Die Patientin befindet sich in der regelmäßigen unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) in der Abteilung für Parodontologie der Universität Witten/Herdecke (UW/H). Eine der Reevaluationen ergab am Implantat regio 36 tiefe Sondierungswerte über 7 mm und eine profunde Blutungsreaktion (Abb. 1). Das betroffene Implantat ist seit 2013 in Funktion und wurde seinerzeit nach einer lateralen UK-Augmentation im Rahmen einer zweizeitigen Implantation inseriert. Die Patientin erhielt die Aufklärung über das Clean & Seal Protokoll zur lokalen Desinfektion der exponierten kontaminierten Implantatoberfläche und die entsprechende Therapie wurde durchgeführt. Gleichzeitig mit dieser Aufklärung erfolgte die Information der Patientin über die Option einer chirurgischen Intervention, die nachgeordnet stattfinden kann. 

Zunächst wurde unter Lokalanästhesie die periimplantäre Tasche mit Hypochlorit Gel (Perisolv, Regedent) gefüllt und das Gel für ca. 45 Sekunden in der Tasche belassen (Abb. 2, 3). Für die mechanische Reinigung verwendete der Behandler die speziellen Titanküretten für die Bearbeitung von Implantatoberflächen (Deppeler, ADS, M, D). Die Entfernung des periimplantären Granulationsgewebes wird durch die Gel-Applikation deutlich vereinfacht (Abb. 4). Der Therapieschritt der subgingivalen Gel-Applikation wurde mehrfach wiederholt, insges. ca. 5-6 Mal. Zum Abschluss der Taschenreinigung wurde nochmals subgingival von Hand instrumentiert. Danach erfolgte die subgingivale Applikation von xHyA (hyadent BG, Regedent) bis zum Gingivarand (Abb. 5, 6). Das HA-Gel wurde ohne eine weitere Abdeckung am Wirkort belassen und die Patientin angewiesen, zwei Stunden nicht zu spülen bzw. zu essen. Die häuslichen Mundhygienemaßnahmen sollten ununterbrochen ohne Einschränkung weiter praktiziert werden. Nach ca. drei Tagen stellte sich die Patientin wieder vor, um eine zweite Applikation des xHyA Gels subgingival zu erhalten. 

Nach ca. sechs Monaten erfolgte die Reevaluation der behandelten Stelle. Es zeigte sich eine entzündungsfreie Gingivasituation, eine Blutung auf Sondieren war nicht erkennbar (Abb. 7). Dennoch persistierte eine erhöhte Sondierungstiefe ohne merkbare Veränderung. Das erstellte Röntgenbild dokumentiert den vertikalen Knocheneinbruch mesial des Implantates 36 (Abb. 8). Es wurde nun die chirurgische Therapiephase eingeläutet, bei der der Defekt und die exponierte Implantatoberfläche der gleichen Reinigungssequenz wie bereits geschildert unterzogen wurden (Abb. 9). Allerdings konnte durch die chirurgische Defektdarstellung das gesamte Granulationsgewebe vollständig und inklusive der Reste des partikulären Knochenersatzmaterials entfernt werden (Abb. 10). 

Im Anschluss wurde das xHyA Gel auf das Implantat und den Knochen aufgetragen und die mit xHyA vorab rehydrierte ossifizierende Kollagenmatrix (Ossix Volumax, Regedent) anstelle eines partikulären Knochenersatzmaterials in den Defekt zur Auffüllung des fehlenden Knochenvolumens eingebracht (Abb. 11, 12). Ein vollständiger spannungsfreier Nahtverschluss stellte eine komplikationslose Einheilung sicher (Abb. 13). Die Patientin wurde instruiert, für eine Dauer von ca. sechs Wochen jegliche mechanische Plaquekontrolle auf der operierten Seite zu unterlassen und stattdessen zunächst 2-3 x täglich eine CHX-Mundspüllösung und später, nach der Nahtentfernung, CHX-Gel zu benutzen. 

Die Kontrollen erfolgten, z. T. Pandemie bedingt, acht und 18 Monate postoperativ (Abb. 14, 15). Der Zustand 18 Monate nach dem Eingriff zeigte eine entzündungsfreie periimplantäre Mukosa, etwas mehr an Keratinisierung marginal und eine geringe Rezession von ca. 1 mm (Abb. 15). Der Sondierungsbefund lag bei 3 mm und das Kontrollröntgenbild zeigt eine nahezu vollständige Defektauffüllung mit mineralisiertem Gewebe, welche aufgrund der Materialeigenschaften des ein- gebrachten Kollagens ausschließlich neu gebildetem Knochen zuzurechnen ist (Abb. 16). 

Case 2 (nicht-chirurgisch) 

Die 65-jährige Patientin stellte sich in der Abteilung für Parodontologie der UW/H vor. Im Oberkiefer links wurde vorab eine Sinusboden-Elevation durchgeführt. Nach der Ausheilung einer postoperativen Wunddehiszenz konnten ca. sechs Monate später zwei TL Implantate in regio 26 und 27 (Straumann GmbH) problemlos und primärstabil eingebracht werden. Die Versorgung mit zwei verblockten auf SynOcta Abutments zementierten Kronen erfolgte im Rahmen einer klassischen Spätbelastung (Abb. 17, 18). 

Die Patientin blieb weiterhin im regelmäßigen UPT Intervall und zeigte eine unverändert gute bis sehr gute Mundhygiene. Trotz aller Maßnahmen stellte sich nach zwei Jahren Funktion eine progressive Entzündung an beiden Implantaten ein, vor allem ausgeprägt am Implantat 26. Klinisch auffällig war dabei die erhöhte Sondierungstiefe von über 8 mm als ein Zeichen des periimplantären Knochenverlusts (Abb. 19) und eine ausgeprägte Blutungsneigung, die von einer leichten Schwellung der marginalen Mukosa begleitet wurde. Die Patientin verspürte auch subjektiv Beschwerden in der Region und führte diese an. 

Es wurde im geschlossenen Verfahren das Clean & Seal Protokoll angewendet, wie bereits zuvor geschildert. Lediglich die subgingivale Instrumentierung wurde in diesem Fall durch ein Pulverstrahlgerät mit Glycinpulver (EMS, D) durchgeführt. Diese Behandlung wurde in den nachfolgenden Kontrollsitzungen, die ca. halbjährlich stattfanden, noch zweimal wiederholt. Im Laufe der folgenden drei Jahre wurde klinisch eine deutliche Verbesserung der Situation registriert, die Blutung auf Sondieren war abgestellt, die Patientin gab an, keine Beschwerden, auch nicht beim Reinigen mit den Interdentalraumbürsten (IDBs), zu empfinden und die Schwellung war ebenfalls zurückgegangen. Weitere zwei Jahre später erfolgte neben der klinischen Evaluation der periimplantären Gesundheit eine radiologische Kontrolle, die eine wesentliche Verdichtung der verknöcherten Augmentationszone um die beiden Implantate gegenüber dem vorigen Röntgenbild verdeutlicht (Abb. 20). Darüber hinaus wird in diesem Röntgenbild die positive Veränderung des „Marginal Bone Level“ (MBL) erkennbar. Der klinische und radiologische Befund in der letzten UPT Sitzung drei Jahre nach Beginn der Clean & Seal Behandlung dokumentiert den fast komplett knöchern gefüllten ehemaligen Periimplantitisdefekt und eine entzündungsfreie marginale Mukosa um beide Implantate (Abb. 21, 22). 

Autor

Prof. Dr. med. dent. Anton Friedmann

  • 1990 Approbation als Zahnarzt
  • 1990 Tätigkeit als Assistenzzahnarzt in freier Praxis
  • 1993-1994 Promotion, bis 1994 wissenschaftl. Mitarbeiter der Abteilung für Parodontologie, Zahnklinik Nord der Freien Universität Berlin
  • 1994-2001 Wissensch. Mitarbeiter in der Abteilung für Parodontologie, Charité Medizinische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin
  • 1997 Gastaufenthalt a. d. Abt. für Parodontologie und Kronen- und Brückenprothetik, Bern
  • 2001-2008 Wissenschaftl. Assistent in der Abteilung für Parodontologie, Charité Medizinische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin
  • 2008 Abschluss des Habilitationsverfahrens
  • 2008-2010 Wissensch. Assistent in der Abt. f. Zahnerhaltung und Parodontologie des Charité Centrum für Mund-, Kiefer- und Zahnheilkunde
  • 2010/2011 Leiter der Abt. f. Parodontologie/Berufung auf d. Lehrstuhl für Parodontologie an der Privaten Universität Witten/Herdecke