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Was geht? Plasmastabilisierte Augmentate in der Praxis

Die chronisch generalisierte Parodontitis führt häufig zu multiplen Zahnverlusten und dementsprechend zu umfangreichen und teilweise mehrwandigen Destruktionen des Alveolarfortsatzes. Zusätzlich ist das Weichgewebe in der Regel durch Rezessionen und chronische Entzündungen stark kompromittiert.

Der verbliebene Knochen ist meist atrophiert, bakteriell kontaminiert und hat durch Sklerosierung an Vitalität verloren. Es liegt eine katabole Stoffwechsellage mit erhöhter Osteoklastenaktivität vor. Ist ein ganzer Kiefer betroffen, stoßen konventionelle Augmentationstechniken schnell an ihre Grenzen. Der Bedarf an autologem Knochen übersteigt das intraorale Angebot, weshalb oft Beckenkammtransplantate unausweichlich sind. Die GBR-Technik ist aufgrund des großen Defektvolumens limitiert, da Knochenersatzmaterial in der Regel nur wenige Millimeter vorhersagbar verknöchert, selbst bei Zugabe von autologem partikulärem Knochen. Die Stabilisierung der GBR stellt dabei ein zentrales Problem dar. Alternativen wie Schalen, Pins oder Titanmeshes erfordern eine suffiziente plastische Deckung, die aufgrund des kompromittierten Weichgewebes oft schwer zu erreichen ist. Eine hohe Komplikationsrate ist entsprechend vorprogrammiert. Zusätzlich bleibt die provisorische Versorgung des zahnlosen Kiefers eine Herausforderung. Die Augmentation muss nicht nur ausreichend Volumen für Implantate schaffen, sondern auch ein belastbares Provisorium für mehrere Monate tragen können. Die Voraussetzungen könnten also kaum ungünstiger sein.

„Kieler Sushi“-Konzept

Unser plasmastabilisiertes Augmentat „Kieler Sushi“ basiert nicht nur auf der Fibringerinnung, sondern nutzt zusätzlich die gezielte Thrombozytenaktivierung und -aggregation. Dadurch entstehen außergewöhnlich stabile biologische Komposite, die dank der gesteuerten Gerinnung direkt ins Augmentatlager „geklebt“ werden können. Gängige mechanische Stabilisierungsmaßnahmen entfallen in der Regel. Dank der Flexibilität, guten Verfügbarkeit und hohen Effizienz der „Kieler Sushi“-Augmentate lassen sich selbst umfangreiche und komplexe Fälle ambulant und vorhersagbar behandeln.

Patientenfall

Das folgende Behandlungsvorgehen ist bei uns in der Praxis Routine und folgt einem standardisierten Behandlungsplan: Zunächst wurden die parodontal zerstörten Zähne im gesamten Oberkiefer und im dritten Quadranten, einschließlich eines Implantats mit Periimplantitis, schonend entfernt (Abb. 1, 2). Anschließend wurde eine Interimsprothese in Form einer Totalprothese eingegliedert. Radiologisch zeigten sich große knöcherne Defekte im Unterkiefer und die Komplexität der notwendigen Augmentationen im Oberkiefer. Zur Rekonstruktion des gesamten Oberkiefers und des Alveolarfortsatzes im linken Unterkiefer waren neben einem externen Sinuslift beidseits umfassende Ridge-Preservation-Maßnahmen sowie horizontale Anlagerungsplastiken notwendig. Dank der leichten Verfügbarkeit und Flexibilität unseres „Kieler Sushi“ konnte die gesamte Augmentation in einem einzigen Eingriff unter Sedierung innerhalb von zweieinhalb Stunden erfolgreich durchgeführt werden (Abb. 3). Aufgrund des großen Volumens ist bei derart umfangreichen Augmentationen die Zusammensetzung des Augmentats entscheidend. Für eine gute Ossifikation wurde im gesamten Oberkiefer und im linken Unterkiefer partikulierter autologer Knochen gewonnen (Abb. 4) und im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel mit Knochenersatzmaterial (KEM) gemischt. Anschließend wurden die partikulären Augmentate nach unserem Protokoll zu mehreren biologischen Kompositen „verklebt“ und appliziert (Abb. 5, 6).

Augmentationschirurgie

Für eine bestmögliche und schnelle Regeneration bevorzugen wir porcines KEM (The Graft, Purgo Biologics), das sich durch hohe Biokompatibilität und exzellentes Remodelling auszeichnet. Ein entscheidender Faktor ist der Zeitpunkt der Augmentation: 

Aufgrund der umfangreichen entzündlichen Ausgangssitua-tion empfehlen wir einen Eingriff frühestens nach vier bis acht Wochen. Bei der Verwendung von konzentrierten Blutplasmapräparaten ist besondere Vorsicht geboten, da eine zu frühe Anwendung eine überschießende Immunantwort auslösen kann. Dies kann zu einer bindegewebigen Einheilung oder sogar zu einer umfangreichen Resorption des Augmentats führen.

Obwohl die Anwendung von PRP oder PRF durch ihre Einfachheit nahezu selbsterklärend erscheint, muss beachtet werden, dass mit einer Vielzahl unterschiedlicher Zellen in variabler Konzentration gearbeitet wird. Diese agieren nach spezifischen physiologischen Prinzipien und können unter anderem immunologisch reagieren. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass eine gezielte „gute“ Entzündungsreaktion im Sinne der Osteoimmunologie die Regeneration und Migration der Zellen anregt. Sie scheint maßgeblich für eine vorhersagbare und schnellere Entstehung von neugebildetem Knochen zu sein. In diesem Zusammenhang sei Dr. Joseph Choukroun erwähnt, der erstmals darauf hingewiesen hat, dass immunologisch aktive Patienten, die unter oxidativem Stress leiden, die Prognose des chirurgischen Ergebnisses negativ beeinflussen können [1]. Unsere langjährige Erfahrung bestätigt ebenfalls, dass es nicht gleichgültig ist, welches Plasma wann, wo und wie angewendet wird. Aus diesem Grund verwenden wir im aktuellen „Kieler Sushi“-Protokoll (Version 3.0) leukozytenarmes PRP für das Augmentat und „boosten“ unser Augmentat aus der Peripherie mit Fibrin und leukozytenreichem L-PRF. Dabei setzen wir auf eine High-Force-Zentrifugation, um eine maximal feste Fibrinmatrix zu erzielen und die neutrophilen Granulozyten, die bei pathogener Aktivierung bekanntlich unspezifisch und sogar körpereigenes Gewebe angreifen können, basal abzutrennen.

Implantation

Im Zuge des hohen Regenerationspotenzials zeigte eine erneute digitale Volumentomografie (DVT) bereits nach vier Monaten eine sehr gute knöcherne Durchbauung der Augmentation (Abb. 7, 8). Dank des jetzt überdurchschnittlich guten Knochenangebots konnten wir der Patientin sogar acht Implantate im Oberkiefer für einen festsitzenden Zahnersatz anbieten (Abb. 9-11). Die Patientin entschied sich jedoch aus finanziellen Gründen und aufgrund der erforderlichen intensiveren Mundhygiene für eine herausnehmbare prothetische Lösung. Das üppige Knochenangebot ermöglichte eine Implantation in prothetisch idealisierten Positionen. Besonders überzeugend war nicht nur das radiologische, sondern auch das intraoperative klinische Ergebnis. Selbst in Regionen, in denen das Limit von etwa 5 mm Knochenzuwachs für eine GBR deutlich überschritten wurde, präsentierte sich die Augmentation vollständig durchblutet und vital. Es zeigten sich kaum noch Restpartikel des porcinen KEM, welche fast vollständig durch neugebildeten Knochen ersetzt wurden. Dieses Ergebnis ist charakteristisch für „Kieler Sushi“-Augmentate nach vier bis fünf Monaten.

Implantatprothetische Versorgung

Aufgrund einer guten Primärstabilität konnten die Implantate bereits nach dreieinhalb Monaten freigelegt werden (Abb. 12). Erstaunlicherweise war keine Weichgewebsoptimierung nötig, sodass der überweisende Zahnarzt zeitnah mit den prothetischen Arbeiten beginnen konnte. Die endgültige Versorgung wurde vom Zahnarzt und Zahntechniker Dimitri Klass vollständig digital gescannt, designt und angefertigt (Abb. 13). Er entschied sich dabei für eine Kombination aus Teleskopen und endständigen Lokatoren (Abb. 14). Die Patientin trägt die Versorgung nun seit mehreren Jahren und ist mit Funktion und Ästhetik sehr zufrieden (Abb. 15, 16).

Fazit

Der hier vorgestellte Fall verdeutlicht, dass die gezielte Anwendung von PRP und PRF die Perspektiven in der Augmentationschirurgie in den kommenden Jahren grundlegend verändern kann. Durch das „Verkleben“ einer partikulären GBR und die Herstellung biologischer Komposite nach dem „Kieler Sushi“-Protokoll wird die Notwendigkeit mechanischer Stabilisierung auf ausgewählte Fälle reduziert. Vielmehr ist die Anwendung von plasmastabilisierten Augmentaten in unserer Praxis tägliche Routine und eine echte Alternative zu konventionellen Augmentationstechniken geworden. Sie ermöglichen die effiziente Lösung selbst komplexer Fälle, erzielen vorhersagbare Ergebnisse und sind damit ein entscheidender Faktor für langfristigen Erfolg.

Patientenzufriedenheit: Glückliche und zufriedene Patientin mit einem wiederhergestellten Lächeln.

Autoren

Dr. med. Oliver Zernial

  • 1993-2001 Studium der Humanmedizin an den Universitäten Gießen und Kiel
  • 2003 Promotion zum Dr. med.
  • 2001-2004 Studium der Zahnmedizin an der Universität Kiel
  • 2004-2008 Facharztausbildung an der Klinik für MKG, UKSH Campus Kiel
  • 2008 Anerkennung des Facharztes für MKG Chirurgie
  • 2009 Niederlassung als MKG-Chirurg in eigener Praxis und als Belegarzt in der Ostseeklinik Kiel
  • 2011 Gründung und ärztliche Leitung des Zentrums für Implantologie (Myimplant), Kiefer- und ästhetische Gesichtschirurgie (Myaesthetic) in den Germania Arkaden an der Kieler Förde
  • 2018 Dozent und Lehrpraxis an der Uni. f. digitale Technologie in Medizin u. Zahnmedizin, LUX
  • 2020 Gründer und Gesellschafter der I love implants GmbH

Zahnärztin Jacqueline Haas

  • 2012-2018 Studium der Zahnmedizin und Staatsexamen an der Universität Greifswald 2019-2021 Assistenzzeit und zahnmed. Tätigkeit in der Zahnarztpraxis Kira Heiden, Stralsund 2021-2022 Angestellte Zahnärztin mit implantol. Schwerpunkt in der Praxis für Implantologie und Oralchirurgie Dr. Stehling in Neumünster
  • Seit 2023 Weiterbildung Oralchirurgie in der Praxis für MKG-Chirurgie Dr. Oliver Zernial, Kiel
  • Seit 2023 Regelmäßige Referentinnentätigkeit

haas@myimplant.de
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