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Implantation unter erschwerten Bedingungen

Wenn auf Teufel komm raus implantiert werden muss

Die Dicke des Alveolarknochens, die Knochenqualität, der Anteil an keratinisierter Gingiva und die Qualität der Gingiva stellen entscheidende Faktoren für den Implantaterfolg dar. Im Oberkiefer ermöglicht ein Sinuslift das Setzen von Implantaten auch im unzureichend oder schlecht dimensionierten Knochen. Komplikationen wie eine MAV und eine chronisch entzündete Alveole erhöhen den Anspruch an implantologischen/chirurgischen Maßnahmen im schwachen Lagerknochen, vor allem, wenn eine Augmentation mit Sinuslift und anschließender Implantation geplant ist.

Vorgeschichte

Die Patientin hatte in der Vergangenheit bei ihrem Hauszahnarzt darüber geklagt, dass sie sich regelmäßig etwas zwischen den Zahnzwischenräumen eingebissen habe. Der Zahn 16 war wurzelgefüllt, nicht perkussionsempfindlich, hatte aber immer wieder Taschentiefen von fünf Millimetern. Trotz guter Mundhygiene, regelmäßigen Kontrollen mit professioneller Zahnreinigung persistierten Taschentiefen von 4-5 mm am Zahn 16. Im Verlauf dieser subakuten Situation bildete sich trotz zunächst unauffälliger Diagnostik (Abb. 1) eine Fistel. Der alio loco angefertigte Zahnfilm (Abb. 2) zeigte schlussendlich, dass die mesiobukkale Wurzel des Zahnes 16 eine scharf begrenzte Aufhellung aufwies.

Extraktion

So kam die Patientin in unsere Praxis. Nach klinischer Untersuchung und Röntgendiagnostik wurde beschlossen: Der Zahn 16 war nicht erhaltungsfähig. Er wurde extrahiert, dabei kam es zu einer Mund-Antrum-Verbindung. Diese wurde nach röntgenologischer Abklärung (Abb. 3-7) mit einem wangenwärts gestielten, trapezförmigen, vestibulären Schleimhaut-Periost-Lappen (Rehrmann-Lappen) plastisch gedeckt. Der Lappen wurde durch das Einschneiden des Periosts an der Lappenbasis verlängert, sodass er über der Perforation eingenäht werden konnte. Angesichts des chronischen Entzündungsprozesses und der MAV wurde entschieden, die Situation für drei Monate abheilen zu lassen.

Therapieoptionen laut Expertengremium 

Inzwischen wurden anhand der Röntgendiagnostik der Patientin unterschiedliche Therapieansätze von Kolleginnen und Kollegen aus der Implantologie, Oralchirurgie und MKG-Chirurgie in einem Gremium diskutiert. 

Da die Perforation der Kieferhöhlenwand schon recht groß war, wurde der Sinuslift als kompliziert bis risikoreich eingestuft. Eine konservative Brückenrekonstruktion wurde empfohlen, um den nicht unerheblichen chirurgischen Aufwand für Knochenaufbau, Sinuslift und Implantation mit fraglicher Primärstabilität mit der damit einhergehenden Belastung, dem Risiko sowie den Kosten für die Patientin zu vermeiden. Ein zweizeitiges Vorgehen war allgemeiner Konsens. Nach der Abheilung der MAV wurde ein Knochenaufbau mit PRGF als „Sushi“ und Membran mit vier Monaten Abheilung empfohlen. 

Das Implantat sollte anschließend drei Monate einheilen. Alternativen waren Behandlungszeiten von eineinhalb Jahren mit einem aus autologem Knochen generierten, vertikalen und transversalen 3D-Knochenaufbau zur Schließung der Kieferhöhle, mit einem Sinuslift und autologem Knochen sechs Monate später und einer Implantation wiederum sechs Monate später. Nutzen und Risiken seien gemeinsam mit der Patientin abzuwägen. Ein kurzes Implantat nach Knochenaufbau ohne Sinuslift wurde diskutiert, anhand des Knochenniveaus wurde diese aber ohne GBR kritisch beurteilt. Immer spielte aufgrund des geringen Knochenniveaus an der Insertionsstelle der Zeitfaktor eine große Rolle, GBR und Implantation mit Sinuslift seien aufgrund der Situation nur mit ausreichender Heilungsphase zu bewältigen.

Zusätzliche Schwierigkeiten waren ebenso von der weichgeweblichen Situation nach Ausheilung der MAV zu erwarten. Die für einen Implantaterfolg relevante, ausreichende periimplantäre Gingiva stellte im Zuge der hart- und weichgeweblichen Resorption in regio 16 einen großen Risikofaktor für eine Implantation dar (Abb. 8). 

Da die Patientin berichtete, dass sie in ihrem Beruf viel Kontakt mit Menschen hatte, regelmäßig reiste und in der Öffentlichkeit ein Unternehmen repräsentierte, waren große Ausfallzeiten nicht tolerabel. 

Chirurgische Therapie und Implantation

Nach Planung mittels DVT sowie Aufklärung der Patientin entschieden wir uns, den Sinuslift und die Implantation gleichzeitig vorzunehmen. In regio 16 erfolgte ein midkrestaler Schnitt, in der keratinisierten Gingiva, an den Zähnen 17 und 15 wurden zirkuläre Zahnfleischrandschnitte durchgeführt (Abb. 9). Nach Mobilisation des Spaltlappens zeigte sich, dass ein ca. 1 x 0,6 mm großer Knochendefekt nicht zugeheilt war (Abb. 10, 11). Der Sinuslift sollte transkrestal durch den Knochendefekt erfolgen, vorsichtig wurde die Kieferhöhlenschleimhaut freipräpariert und angehoben (Zepf-Instrumentierung). Mit i-PRF getränkte Puros Allograft Spongiosa-Partikel (ZimVie) wurden eingebracht (Abb. 12). 

Sie zeichnen sich durch ihre schnelle Remodellierbarkeit aus. Puros Allograft Knochenersatzmaterialien sind außerdem noch in Form eines (patientenindividuellen) Blockes, Spongiosa-Dübels und -Blockes und von kortikospongiösen Partikeln zur Füllung von Knochendefekten bei Patienten erhältlich. Indikationen sind u.a. die Regeneration parondontaler Knochendefekte, Regeneration von Defekten nach Blockentnahme, von Furkationsdefekten, Extraktionsalveolen, Lücken zwischen Alveolenwand und Zahnimplantaten, Lücken um Blocktransplantate sowie zur Regeneration nach Zysten- und Wurzelspitzenresektionen, zur horizontalen Kieferkammaugmentation (Partikel), Sinusaugmentation und dreidimensionaler Kieferkammaugmentation (via Block). 

Anschließend wurde ein MegaGen Anyridge Implantat (5,5 mm Ø) eingebracht (Abb. 13, 14). Das Anyridge Implantat mit vorab fotofunktionalisierter Xpeed-Oberfläche aktiviert die Osteoblastenbildung bei und nach Implantation. Mittels i-PRF (mectron), gemischt mit Spongiosa-Allograft und einer Ossix-Membran (Regedent), wurde das Implantat abgedeckt (Abb. 15), anschließend wurde der Spaltlappen spannungsfrei verschlossen (Abb. 16, 17). Ein OPG wurde angefertigt (Abb. 18). Das Implantat sollte fünf Monate einheilen. 

Freilegung

Nach einem unauffälligen Heilungsverlauf wurde ein Gingivaformer eingeschraubt (Abb. 19-21). Der bukkale Lappenanteil wurde als Rollappen vernäht (Abb. 22). Abschließend erfolgte eine Röntgenkontrolle (Abb. 23). 

Einsetzen der definitiven Restauration 

Zwei Wochen später kam die Patientin zum Fäden ziehen. Nach dem Herausschrauben des Gingivaformers zeigte sich bereits eine dicke Mukosaschicht mit ausreichender fixierter Gingiva (Abb. 24, 25). Die Regeneration und die gesunde Entwicklung des Gewebes bleibt auch nach Abformung stabil (Abb. 26, 27). Drei Wochen später werden das individuelle Abutment aus Zirkonoxid (Abb. 28) und die Keramik-verblendete Krone aus Zirkonoxid (Abb. 29, 30) mittels Panavia eingesetzt. Im Röntgenbild ist eine stabile knöcherne Integration des Implantates zu erkennen (Abb. 31).

Autor

Dr. med. dent. Peter Randelzhofer

Dr. med. dent. Peter Randelzhofer

randelzhofer@icc-m.de

www.icc-m.de