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Ersatz mehrerer Zähne nach Sportunfall – Teil 2

Nach Verlust des Zahnes 25 war dem jungen Mann aus dem in Teil 1 geschilderten Patientenfall (Teil 1) eine alphatech-Schraube (Henry Schein) in eine unversorgte Zahnlücke implantiert worden. Während der Einheilphase fand beim Kite-Surfen ein folgenschwerer Unfall statt, bei dem die Schraube zusammen mit den Zähnen 21-24 und einem großen Anteil des Alveolarfortsatzes ruckartig herausgerissen wurde (Abb. 1-6). Drei Tage nach dem Unfall kam der Patient in unsere Praxis. Ziel war neben der Rehabilitation eine Wiederherstellung der Luft- und Laut-abschließenden Funktionen der Frontzähne sowie ein anatomisch physiologischer Lippenschluss, da der Patient als Berufsmusiker regelmäßig – und im Zuge der notwendigen Übungszeiten stundenlang – Klarinette spielte.

Herausforderung

Anatomische und ästhetische Rekonstruktion und stabile Übergangsphasen mit widerstandsfähigen LZP während der sechsmonatigen Behandlungszeit.

Chirurgie und Prothetik aus pip 03/2017

Nach zwölf Wochen wurde der Patient das erste Mal operiert, inzwischen spielte er mit seinem LZP in Form einer Modellgussprothese Klarinette. In der Operation wurden drei NobelActive (Ø 4,3 mm, Nobel Biocare) mit photofunktionalisierter Oberfläche (Ushio) inseriert. Den Alveolarkamm augmentierten wir mit einer Mischung aus autologem Knochen, partikulärem Knochenersatzmaterial (The Graft, Regedent) und i-PRF (Mectron). Der sticky bone wurde mit zwei Membranen, einer Ossix (Regedent) und zur Verbesserung der Wundheilung zusätzlich mit einer PRF-Membran (Mectron) umlagert, bevor der Defekt vernäht wurde (Abb. 7-14). Vier Monate postoperativ wurden die Implantate freigelegt, gleichzeitig verdickten wir das Weichgewebe am Kieferkamm über ein Weichgewebstransplantat (Abb. 15-18). Nach weiteren drei Wochen wurde das nächste LZP, eine okklusal verschraubbare Brücke mit einem Pontic, eingesetzt und angepasst an den Kiefer im weiteren Verlauf unterfüttert (Abb. 19).

Zehn Monate später

Die Prototyp-Brückenversorgung wurde für zehn Monate getragen. Nach einer einmaligen Unterfütterung der protheti- schen Versorgung musste nicht mehr nachgebessert werden. Regelmäßig kam der Patient zur Kontrolle, bei der nicht nur die Funktion (Okklusion, Phonetik, Putzfähigkeit) und Ästhe- tik getestet und überprüft, sondern auch die Ausheilung und Ausformung des Weichgewebes beobachtet wurden (Abb. 20-22). Ziel war eine keratinisierte, in ausreichender Höhe fixierte Gingiva rund um die Implantate sowie eine Stabilisie- rung des Weichgewebsvolumens und der Knochenstruktur.

Anhand der Prototyp-Brücke wurden u. a. die funktionellen, phonetischen und ästhetischen Parameter geprüft.

Abformung

Zum Zeitpunkt der Abformung (Abb. 23) schraubten wir die Brücke ab (Abb. 24) und spülten die Implantate mit CHX-Flüs sigkeit. Mittels eines individualisierten, natürlichen wurzelförmig optimierten Emergenzprofils an den Abformpfosten konnte die Konturierung des Weichgewebes optimal gestützt und abgeformt werden (Abb. 25, 26).

Im Labor

Das Modell wurde – wie bei uns üblich – als reines Gipsmodell ohne Gingivamaske hergestellt. Die Pontikareale frästen wir rechteckig 1,5 mm senkrecht tief in das Modell, weil dadurch die Reinigungsfähigkeit per Approximalbürstchen auf voller Länge möglich war (Abb. 27, 28). Nach relativer Kongruenzüberprüfung der Modelle (Langzeitprovisorium/aktuelles Modell) und Zusammenfassung (Abb. 29) konnte das CAD/CAM-gefertigte Zirkonoxidgerüst auf Klebebasen in Reduktionstechnik angefertigt werden. Damit eine optimale Passung der als verschraubt geplanten Arbeit erreicht wird, sollte das mittlere Abutment mit einem Galvanokäppchen (nach dem Paul Wiegel-Konzept) versehen werden. Dies wurde nach der Anprobe mit dem Gerüst verklebt (Panavia, Kuraray Noritake) (Abb. 30a-c). Die Verschraubung der Brücke beschränkte sich auf das Implantat regio 21 und 25, um die Brücke einfach okklusal abnehmen zu können. Es war geplant im Recall die Brücke einmal jährlich abzunehmen, um präventiv die Abutments und das umliegende Weichgewebe vom Biofilm zu befreien. In diesem Zusammenhang wird bei uns zur besseren Risikoermittlung auf Patientenwunsch präventiv der Perio Safe- Implant Safe aMMP-8 Test angewandt, da eine Mukositis – sofern sie diagnostiziert wurde – im Gegensatz zur Periimplantitis behandelbar ist.

Die Ästhetikanprobe des Rohbrandes, hier mit polarisierenden Filtern dargestellt, zeigt die passende Struktur der Dentin- und Schmelzanteile der Keramik (Creation Keramik) (Abb. 30d, e). Die Gingivaanteile wurden so verschlossen, dass das kleinste Bürstchen Platz hat. Die Funktion und Form wurde so gut wie möglich von der langzeitprovisorischen Prototypversorgung übernommen. Die Schraubenkanäle wurden mit Cavit und Komposit verschlossen. Der Patient konnte mit der Brücke wieder perfekt Klarinette in einem der berühmtesten Orchester der Welt spielen, was für ihn während der gesamten Behandlungszeit eine sehr wichtige Rolle spielte.

Basierend auf der Zahnaufstellung des Provisoriums war die Herstellung eines CAD/CAM-gefertigten Gerüsts in Reduktionstechnik aufwendig. Der Patient und wir sind mir dem Ergebnis sehr zufrieden, wir vor allem damit, dass wir die Implantate extra tief bzw. minimalinvasiv ohne vertikalen, nur mit einem horizontalen Knochenaufbau inseriert haben. Die hohe Lachlinie zeigt, dass der Patient den Übergang von Gingiva zu roter Ästhetik nicht zeigt. Bei einem vertikalen Kieferkammaufbau wäre der Übergang sichtbar gewesen – ästhetisch ungünstig und vermeidbar. Eine vollständige chirurgische Rehabilitation des Weichgewebes wäre – zumindest in unseren Händen – nicht denkbar gewesen.

Chirurgie und Prothetik: Dr. Peter Randelzhofer,

Zahntechnik: ZTM Uwe Gehringer[/wppb-restrict]