Der erste Beitrag in pip k&s 2017 zu Mini-Implantaten zeigte, dass es keinen Namenskonsens und auch keinen Konsens darüber gab, ab welchem Durchmesser Implantate als Mini-, Narrow-, Diameter reduced oder Small bezeichnet werden können. Auch aktuell besteht in der Literatur kein einheitlicher Konsens hinsichtlich der Nomenklatur und des Durchmessers von Mini-Implantaten.
In der vorliegenden Literaturauswahl werden die Bezeichnungen „schmale Implantate“ (Narrow dental implants), durchmesserreduzierte Implantate (Diameter reduced implants) bzw. Implantate mit kleinem Durchmesser (Smalldiameter implants) und „Mini-Implantate“ (Mini dental implants, MDI) verwendet. Der Einfachheit halber wurden unter dem Akronym NDI die Narrow-, Diameter reduced- sowie die Small-diameter implants zusammengefasst. Von den insgesamt 43 Studien wurden in 23 Publikationen (53,5 %) im Abstract und teilweise auch in der Studie selber keine Angaben zum Implantatdurchmesser gemacht.
Insbesondere in den systematischen Übersichtsarbeiten wurden offensichtlich Implantate unterschiedlicher Durchmesser unter MDI oder NDI subsumiert, ohne dass in der Mehrzahl der Fälle eine Unterscheidung in Bezug auf die unterschiedlichen Implantatdurchmesser erfolgte. Im Rahmen der ITI-Konsensuskonferenz wurden NDI durch die Arbeitsgruppe 1 anhand ihrer Durchmesser drei Kategorien zugeteilt. Implantate mit einem Durchmesser < 2,5 mm wurden als „Mini-implants“ kategorisiert (Kategorie 1).
Implantate der drei Kategorien wurden in einem begleitenden systematischen Review/einer Metaanalyse hinsichtlich ihrer Überlebensraten untersucht [Schiegnitz und Al-Nawas, 2018]. Beim Abgleich der Abstracts dieses Reviews und der ITI-Konsensuskonferenz fielen Unstimmigkeiten in Bezug auf den Durchmesser der Implantate der Kategorie 1 auf, die von den Autoren des Reviews mit < 3,0 mm anstatt < 2,5 mm angegeben wurden. Die Überlebensraten der NDI der Kategorie 1 lagen in der Übersichtsarbeit zwar mit 94,7 % hoch, waren aber signifikant schlechter als die von Standardimplantaten mit „regulärem“ Durchmesser (Regular diameter implants, RDI). In anderen Übersichtsarbeiten wurden im Gegensatz dazu sehr gute und mit RDI vergleichbare Überlebensraten ermittelt [Alrabiah, 2019, Alshiddi, 2023, Cao, et al., 2023, Cruz, et al., 2021, González-Valls, et al., 2021, Jawad und Clarke, 2019, Ma, et al., 2019, Majid, 2024, Park, et al., 2023, Pesce, et al., 2023].
In Publikationen mit Angaben zum Implantatdurchmesser wurden bei NDI mit einem Durchmesser von ≥ 3,0 mm bis < 3,75 mm beim Vergleich mit RDI eines Durchmessers von ≥ 3,75 mm bis < 5,0 mm keine signifikanten Unterschiede in den Überlebensraten festgestellt [Pesce, et al., 2023].
In einem weiteren Review wurde eine höhere Überlebensrate bei NDI ab einem Durchmesser ≥ 3,3 mm im Vergleich zu schmaleren Implantaten beobachtet [Badaró, et al., 2022]. Eine Übersichtsarbeit berichtete demgegenüber von geschätzten hohen Fünfjahresüberlebensraten von 92,25 % bei NDI eines Durchmessers von 2,5 mm bis 3,5 mm [Storelli, et al., 2021]. Beim Vergleich von NDI, die im ortsständigen Knochen inseriert wurden, konnten zu RDI und Augmentationsmaßnahmen (97,80 % versus. 97,94 %) vergleichbar hohe Überlebensraten beobachtet werden [Valente, et al., 2022]. Deutlich niedrigere Implantatüberlebensraten
wurden bei MDI beobachtet, die im Oberkiefer zur Abstützung von Deckprothesen verwendet wurden. Diese lagen nach einer mittleren Beobachtungszeit von 1,72 Jahren bei 77,1 % [Vi, et al., 2021]. Offensichtlich hatte in dieser Studie die Art des Zahnersatzes einen signifikanten Einfluss auf die Überlebensrate der MDI. Der Studie nach führte die Ausdehnung der Prothesenbasis über die gesamte Fläche des knöchernen Gaumens zu besseren Implantatüberlebensraten. Keine Unterschiede bezüglich der prothetischen Überlebensraten konnten bei festsitzenden Brücken auf NDI im Vergleich zu RDI beobachtet werden [Badaró, et al., 2022]. MDI führten in einer anderen Übersichtsarbeit zu weniger Frakturen von Deckprothesen [Borges, et al., 2023].
In zwei weiteren Reviews wurden keine Unterschiede in den prothetischen Komplikationsraten zwischen RDI und NDI beobachtet [Ma, et al., 2019, Pesce, et al., 2023]. In Abhängigkeit vom prothetischen Belastungsprotokoll wurden keine Unterschiede in den Überlebensraten von NDI eines Durchmessers von 2,9 mm [Bielemann, et al., 2019] oder 2,4 mm [Curado, et al., 2023] nach Sofort- bzw. konventioneller Belastung ermittelt. Bei einer Versorgung mit strategischen Implantaten mit Durchmessern von 1,8 mm, 2,1 mm oder 2,4 mm hatte das Belastungsprotokoll ebenfalls keinen Einfluss auf die Überlebensraten von MDI [Mundt, et al., 2023]. Allerdings waren die Stabilitätswerte für die MDI niedriger als die von RDI. In der gleichen Studie wurde im Oberkiefer eine niedrigere Implantatüberlebensrate von 87,0 % im Vergleich zum Unterkiefer mit 99,0 % beobachtet. Über eine dreijährige Nachbeobachtungszeit konnte in einer anderen RCT im Unterkiefer eine niedrigere Überlebensrate sofortbelasteter MDI von 85,0 % im Vergleich zu konventionell belasteten MDI mit einer Überlebensrate von 90,0 % ermittelt werden [Possebon, et al., 2023].
Eine Metaanalyse zu sofort- bzw. konventionell belasteten NDI mit einem Durchmesser von ≤ 3,5 mm ergab ebenfalls ähnliche kurz- bzw. langfristige Überlebensraten [Liu, et al., 2024]. In Bezug auf krestale Knochenverluste (MBL) bei RDI und MDI/NDI waren die Ergebnisse heterogen. Übersichtsarbeiten berichteten sowohl von fehlenden Unterschieden in Bezug auf den MBL [Cruz, et al., 2021, Liu, et al., 2024, Ma, et al., 2019, Majid, 2024, Zhang, et al., 2022] als auch von geringeren periimplantären Knochenverlusten bei NDI [Badaró, et al., 2022]. Allgemein ist bei der Versorgung mit MDI bzw. NDI eine hohe Patientenzufriedenheit zu ermitteln [Al Jaghsi, et al., 2021, Majid, 2024, Park, et al., 2023, Vi, et al., 2021, Zhang, et al., 2022]. Aufgrund der vergleichbaren klinischen und röntgenologischen Ergebnisse geht eine ganze Reihe Autoren davon aus, dass MDI/NDI eine praktikable Alternative zu RDI darstellen [Alsabeeha, et al., 2024, Bielemann, et al., 2019, González-Valls, et al., 2021]. Dennoch besteht aufgrund niedriger Fallzahlen und einer geringen Anzahl von Studien weiterer Forschungsbedarf [Alrabiah, 2019, Alsabeeha, et al., 2024, Cao, et al., 2023, Cruz, et al., 2021, Ma, et al., 2019, Parize, et al., 2019, Roy, et al., 2020, Telles, et al., 2019].