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Der unbezahnte Kiefer

Eine große Anzahl an Publikationen beschäftigt sich mit der Versorgung des zahnlosen Kiefers. Daher besteht die aktuelle Literaturübersicht ausnahmslos aus systematischen Übersichtsarbeiten. Da sich der Ober- und Unterkiefer anatomisch und physiologisch unterscheiden, wurde die Übersicht entsprechend nach Kiefer vorgenommen. Untersucht wurden in der Literaturauswahl vorwiegend die notwendige Anzahl Implantate für die herausnehmbare/ festsitzende Versorgung, unterschiedliche Belastungsprotokolle, die Implantatparameter, Attachmentsysteme sowie Besonderheiten, wie beispielsweise die Verwendung von Zygoma-Implantaten oder der Einsatz geneigter Implantate.

Im Oberkiefer scheint sich eine herausnehmbare prothetische Versorgung auf Stegverbindungen sowohl auf vier als auch auf sechs Implantaten ohne Unterschiede in Bezug auf die Implantatüberlebensraten und mit einer hohen Patientenzufriedenheit bei beiden Versorgungsformen realisieren zu lassen [Di Francesco, et al., 2021]. Eine andere Untersuchung konnte zeigen, dass sich der zahnlose Oberkiefer sowohl auf vier (zwei axiale und zwei geneigte) als auch auf sechs bis acht Implantaten sowohl herausnehmbar als auch festsitzend versorgen lässt [Messias, et al., 2021]. In der gleichen Studie wurde der Einsatz von Mini-Implantaten im Oberkiefer nicht empfohlen. Dieser Aussage stehen die Ergebnisse einer anderen Übersichtsarbeit entgegen, in welcher der erfolgreiche Einsatz von Mini-Implantaten zu hohen Zufriedenheitswerten und einem Zugewinn an Lebensqualität bei Patienten führte [Vi, et al., 2021]. Versorgungen auf weniger als fünf Implantaten waren hinsichtlich der Implantat- und periimplantären Knochenverluste im Ober- und Unterkiefer genauso erfolgreich, wie solche, die auf mehr als fünf Implantaten abgestützt wurden [Daudt Polido, et al., 2018, de Luna Gomes, et al., 2019].

Unabhängig vom Kiefer wurden in Bezug auf die verwendeten Attachmentsysteme und der damit verbundenen Patientenzufriedenheit keine Unterschiede zwischen Stegverbindungen und Kugelkopfattachments ermittelt [Anas El-Wegoud, et al., 2018]. Auch in anderen Untersuchungen wurden keine Unterschiede in der Patientenzufriedenheit in Abhängigkeit vom jeweiligen Attachmentsystem beobachtet [Rosa, et al., 2021]. Im Unterkiefer waren beim Vergleich von Kugelkopfankern mit Teleskopverbindungen ebenfalls keine Unterschiede in Bezug auf klinische Parameter und die prothetische Nachsorge zu beobachten [Keshk, et al., 2017]. Auch zwischen Teleskopen und Stegverbindungen waren im Unterkiefer weder in Bezug auf mittlere Sondierungstiefen noch auf mittlere krestale Knochenverluste Unterschiede erkennbar [Sutariya, et al., 2021]. Allerdings konnte eine höhere Patientenzufriedenheit bei Teleskopen beobachtet werden, gefolgt von Kugelkopfattachments und Stegverbindungen. Eine andere Veröffentlichung zeigte ein gutes Abschneiden von Kugelkopfankern und Lokatoren in Bezug auf Überlebensraten, günstige Gewebereaktionen und die Patientenzufriedenheit [Chaware und Thakkar, 2020].

Bei Magnetattachments wurden in der vorgenannten Studie hohe Knochenresorptionsraten sowie eine Instabilität bei funktioneller Belastung beobachtet. In einer anderen Studie waren bei Magnetattachments (gemeinsam mit Stegverbindungen) höhere Plaquewerte messbar als beispielsweise bei Lokatoren [Bi, et al., 2021]. Weitere systematische Arbeiten ergaben keinerlei Unterschiede in Bezug auf die Gesundheit der periimplantären Gewebe [Aldhohrah, et al., 2021] oder den periimplantären Knochen und die Implantatverlustraten in Abhängigkeit von Attachmentsystemen [Alqutaibi und Elawady, 2020]. Trotz all dieser Erkenntnisse gehen die Autoren eines Cochrane-Reviews davon aus, dass weder für den Ober- noch für den Unterkiefer ausreichend Daten zur Verfügung stehen, um evidenzbasierte Aussagen zu Unterschieden der Attachmentsysteme in Bezug auf den prothetischen Erfolg, die prothetische Nachsorge, Kosten und Patientenzufriedenheit machen zu können [Payne, et al., 2018].

Die Art der Belastung scheint auf die Implantatüberlebensraten, auf krestale Knochenverluste im Oberkiefer [Abdunabi, et al., 2019, Jiang, et al., 2021] sowie unabhängig vom jeweiligen Kiefer keinen signifikanten Einfluss zu haben [Gallardo, et al., 2019]. Im Unterkiefer wurden demgegenüber widersprüchliche Ergebnisse in Bezug auf den Belastungszeitpunkt beobachtet. So konnten beim Sofortbelastungsprotokoll einerseits höhere Implantatverlustraten und periimplantäre Knochenverluste verzeichnet werden als bei verzögerter Belastung [Pardal-Peláez, et al., 2021]. In einer anderen Untersuchung hatten weder das Belastungsprotokoll noch das Attachmentsystem einen Einfluss auf krestale Knochenverluste [Liu, et al., 2021] bzw. prothetische und implantatbezogene Überlebensraten [Tsigarida und Chochlidakis, 2021]. In mehreren Studien konnte beobachtet werden, dass ein Sofortbelastungsprotokoll zu einer höheren Patientenzufriedenheit führt [Abdunabi, et al., 2019]. Beim Vergleich der Patientenzufriedenheit nach Versorgung mit konventionellem, schleimhautgelagertem oder implantatgestütztem Zahnersatz wurden regelmäßig bessere Zufriedenheitswerte bei der implantatprothetischen Versorgung im Unterkiefer [Egido Moreno, et al., 2021, Fu, et al., 2021, Mishra und Chowdhary, 2019] und in beiden Kiefern ermittelt [Kutkut, et al., 2018]. In Bezug auf festsitzenden vs. herausnehmbaren implantatgestützten Zahnersatz waren sowohl im Unterkiefer [Borges, et al., 2020] als auch in beiden Kiefern hinsichtlich der Patientenzufriedenheit keine signifikanten Unterschiede feststellbar [Yao, et al., 2018].

Zwischen axial und geneigt inserierten Implantaten konnten in beiden Kiefern keine signifikanten Unterschiede bezüglich krestaler Knochenverluste oder Implantatverlusten ermittelt werden [Apaza Alccayhuaman, et al., 2018, Cortés-Bretón Brinkmann, et al., 2021, Gaonkar, et al., 2021, Lin und Eckert, 2018, Mehta, et al., 2021]. Hohe Überlebensraten und eine hohe Patientenzufriedenheit konnten bei der Versorgung mit Zygoma-Implantaten ermittelt werden [Gracher, et al., 2021, Gutiérrez Muñoz, et al., 2021, Lan, et al., 2021, Sáez-Alcaide, et al., 2022].

Die derzeit verfügbaren Behandlungsoptionen führen zwar zu guten klinischen Ergebnissen, die Studienlage ist in vielen Bereichen jedoch noch immer eingeschränkt.

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).

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