hero-ribbon

Neuigkeiten zur IDS hier auf www.frag-pip.de

Die Bedeutung der Implantatoberfläche

Titan stellt noch immer das bevorzugte Material zur Herstellung dentaler Implantate dar. Es zeichnet sich durch seine guten physikalischen und chemischen Eigenschaften und seine Biokompatibilität aus.

Gleichzeitig jedoch sind Dentalimplantate aus Titan aufgrund ihrer bioinerten Oberflächeneigenschaften nur in geringem Ausmaß in der Lage, das Knochenwachstum im periimplantären Knochen von sich aus anzuregen und die Osteoblasten-Adhäsion auf der Implantatoberfläche günstig zu beeinflussen.

Diese Eigenschaften treffen auch für Implantate aus Zirkonoxid zu. Daher wurden zahlreiche chemische und physikalische Verfahren zur Veränderung der Oberflächenstruktur entwickelt, um die Bioaktivität, d. h. die Fähigkeit der Implantatoberfläche in Interaktion mit den umliegenden Geweben zu treten, zu verbessern.

Dabei haben die Oberflächenstrukturen auf Mikro- und Nanoebene, die Rauigkeit sowie die Benetzbarkeit bzw. die Hydrophilie der Oberfläche eine entscheidende Bedeutung für die Bioaktivierung von Dentalimplantaten. Hierzu werden ablative Verfahren wie u. a. die Säureätzung, Sandstrahlung, Sandstrahlung/Säureätzung (SLA), Laserablation, zahlreiche physikalisch-chemische Beschichtungsverfahren, UV-Bestrahlungen sowie andere Funktionalisierungsverfahren mittels einer Beschichtung mit Proteinen, Peptiden, Medikamenten u. v. m. angewendet. Aufgrund der Effekte auf molekularer bzw. zellulärer Ebene sind In vitro-Studien der hauptsächlich vorzufindende Studientyp.

Infolge der hohen Zahl an In vitro-Untersuchungen konnten nur die aktuellen Publikationen aus den Jahren 2020/2021 in der vorliegenden Literaturauswahl berücksichtigt werden. In vielen dieser Untersuchungen wird auf den Einfluss nanoskalierter Oberflächen von Titanimplantaten auf die humorale bzw. immunologische Wirtsantwort hingewiesen.

So kommt es beispielsweise beim Kontakt von Blut mit Oberflächen mit einem Nanotube-Design zu einer Hochregulierung von mRNAs, welche die Osteoblastenapposition und die Osseointegration fördern und beschleunigen [Bai, et al., 2021a].
Auch die Blutgerinnung sowie die Entzündungsreaktion im umliegenden Gewebe werden durch nanostrukturierte Oberflächen günstig beeinflusst, was sich positiv auf die Knochenneubildung und die Osseointegration der Implantate auswirkt [Bai, et al., 2021b].
Auf zellulärer Ebene kommt es durch die Oberflächenstrukturen zu einer sogenannten „Pola- risierung“ der Makrophagen, welche als erste humorale Zellen in Kontakt mit der Implantatoberfläche treten.
Makrophagen mit M2-Markern wirken sich dabei positiv auf das Verhalten von Osteoblasten aus und regen die Zellproliferation, die Zelladhäsion, die Phosphataseaktivität und die extrazelluläre Mineralisierung an, während sich die Aktivierung von M1-Makrophagen gegenteilig auswirkt [Chen, et al., 2020].

Zu einer solchen Stimulierung der M2- Makrophagen führen beispielsweise Femtosekunden-Laserbehandlungen und Sandstrahlungen [Liu, et al., 2021], Funktionalisierungen mit sogenannten Exosomen (Proteinkomplex, der beim Abbau von Ribonukleinsäuren aus Zellen ausgeschieden wird und u. a. zur Signalübertragung dient) [Fan, et al., 2021] und hydrothermisch hergestellte Nanobeschichtungen aus Zink [Chen, et al., 2020].

Im Gegensatz dazu führen Ablagerungen von Nanopartikeln aus Titan auf Titanimplantatoberflächen zu einer Aktivierung des M1-Signalwegs bei Makrophagen sowie zu einer ebenfalls von Fibroblasten, Osteoblasten und Mesenchymzellen vermittelten Entzündungsreaktion, die zu einer Freisetzung von IL-6, IL-1 beta, TNF-alpha und Prostaglandin E2 führt [Messous, et al., 2021].

Mikro- und nanostrukturierte Oberflächen zeichnen sich auch durch eine erhöhte Hydrophilie aus, welche zu einer vermehrten Zelladhäsion, Zellproliferation und der osteogenen Differenzierung von Mesenchymzellen führt.
Hydrophile Oberflächeneigenschaften können beispielsweise mittels Nanobeschichtungen aus Graphen [Li und Wang, 2020], hierarchischen mikro-/nanostrukturierten Oberflächenmodifikationen nach Säureätzung und anodischer Oxidation [Ren, et al., 2021], UV-Bestrahlung [Kaneko, et al., 2020, Liddell, et al., 2020, Puisys, et al., 2020] sowie einer Sandstrahlung/Säureätzung (SLA) [Yang, et al., 2020] hergestellt werden.

Die Oberflächenhydrophilie hierarchisch strukturierter Mikro-/Nanooberflächen führt ihrerseits dazu, die bereits erwähnte Bildung von Exosomen aus mesenchymalen Zellen zu stimulieren, welche zu einer signifikanten Steigerung der Knochenneubildung und der Osseointegration beitragen [Zhang, et al., 2021].

Neben der positiven Beeinflussung der periimplantären Gewebereaktion hin zu einer erhöhten Zellaktivität und Knochenneubildungsrate sind vermehrt auch antibakterielle Eigenschaften nanostrukturierter Implantatoberflächen im Fokus wissenschaftlichen Interesses. So können beispielsweise mit Silber-Nanopartikeln angereicherte Kalziumphosphat-Be- schichtungen auf Zirkonoxid-Implantaten neben einer Bioaktivierung der Oberfläche auch zur Etablierung antibakterieller Oberflächeneigenschaften führen [Goldschmidt, et al., 2021].

Weiterhin führt eine Atomlagenabscheidung von ZrO2 auf die Oberfläche von Zirkonoxidimplantaten zu einer Verringerung der Bakterienadhäsion und somit der Biofilmbildung [Jo, et al., 2021].

Auch auf Titanoberflächen kann mittels Titannitrid- und Silberbeschichtungen – neben einer Steigerung der hydrophilen Oberflächeneigenschaften – ein antibakteriell wirksamer Effekt erzielt werden [Lai, et al., 2020].

Beschichtungen mit natürlich vorkommenden Substanzen wie z. B. Totarol (Extrakt einer Neuseeländischen Eibenart) führen sowohl zu einer verringerten Biofilmbildung als auch zu bakteriziden Effekten auf Titanoberflächen [Xu, et al., 2020].

Daher werden bioaktivierende Oberflächenmodifikationen auf der Mikro-/Nanoebene verstärkt im Zusammenhang mit einer Periimplantitis-Prävention diskutiert [Jo, et al., 2021, Xu, et al., 2020].

Allerdings können aufgrund der eingeschränkten methodischen Qualität der derzeit verfügbaren Studien trotz der feststellbaren antibakteriellen Eigenschaften bestimmter Oberflächenbehandlungen/ -beschichtungen noch keine eindeutigen Schlussfolgerungen in Bezug auf die klinische Relevanz der aktuellen Erkenntnisse gezogen werden [López-Valverde, et al., 2021].

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).